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Wachstum und Bauten spiegeln den Strukturwandel wider

Lehramt und Naturwissenschaften werden Schwerpunkte / Geschichte der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Teil III) / von Hilke Günther-Arndt*

Für jeden Besucher sichtbar wird das Wachstum der Universität an ihren Gebäuden. 1974 übernahm sie die Gebäude der Pädagogischen Hochschule an der Ammerländer Heerstraße (erbaut 1938-1965), die mit ihren roten Klinkern, dem Atriumstil und den Grünfllächen zwischen den Gebäudeteilen noch heute einen städtebaulichen Anziehungspunkt bilden. Auf dem hinteren Teil des PH-Geländes entstanden die ersten Gebäude für die Universität: das Verfügungsgebäude (1971; heute: A6) und das Allgemeine Aufbau- und Verfügungszentrum (1975; heute: A1–A4).

Die erste Hälfte der achtziger Jahre ist die eigentliche Bauphase der Universität. 1982 wurde gegenüber dem Allgemeinen Aufbau- und Verfügungszentrum der Zentralbereich mit Bibliothek, Mensa und Sportgebäuden fertiggstellt. Im gleichen Jahr entstand mit dem Energielabor das erste Gebäude am Universitätsstandort Wechloy für die Naturwissenschaften. Die Übernahme des Zentrums für die Naturwissenschaften und die Mathematik erfolgte 1984, die der Sportanlagen in Wechloy 1985. Die ringförmig in die Landschaft eingefügten Gebäude mit ihren großzügigen Verglasungen hoben sich außerordentlich positiv von den reinen Funktionsbauten der siebziger Jahre ab. In gewisser Weise wurde in Wechloy durch die Architektur das Ideal der Campus-Universität verwirklicht. Noch im Jahr seiner Fertigstellung zeichnete der Bund Deutscher Architekten (BDA) den Neubau für die Naturwissenschaften mit dem »Preis Niedersachsen« aus. Die 1994 in Betrieb genommenen Gebäude für das Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) in Wechloy und der Meeresstation Terramare in Wilhelmshaven setzten diese architektonische Tradition fort.

Den immer noch bestehenden Mangel an Hörsälen und Seminarräumen für die Sozial-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften linderte das 1998 eingeweihte Hörsaalzentrum am Uhlhornsweg. Das große, lichtdurchflutete Gebäude kann gleichzeitig als Kultur- und Tagungszentrum genutzt werden. Das Auditorium Maximum bietet rund 1.000 Personen Platz und alle technischen Voraussetzungen für Konzerte, Theateraufführungen und Kongresse. Insgesamt – und das führt zur wirtschaftlichen Bedeutung der Universität für die Region zurück – kosteten in den Jahren 1974–1998 die großen Baumaßnahmen der Universität 422,5 Mio DM.

Der Strukturwandel

Das quantitative Wachstum und die Bauten spiegeln gleichsam den Strukturwandel der Universität in den letzten

25 Jahren. Neben dem traditionsreichen Schwerpunkt Lehrerbildung entwickelten sich andere Schwerpunkte. 1976 empfahl der Wissenschaftsrat den Ausbau zu einer Universität mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Sowohl die Universität wie die Landesregierung machten sich diese Empfehlung zu eigen. Zwar änderten sich die Vorgaben der Landesregierung mehrmals, aber alle Beteiligten in der Universitätsleitung (1974–1979 Rektor Prof. Dr. Rainer Krüger, 1979–80 als Beauftragter für die Aufgaben des Präsidentenamtes Prof. Dr. Hans Dietrich Raapke, 1980–1986 Präsident Dr. Horst Zilleßen, 1986–1998 Präsident Prof. Dr. Michael Daxner, seit 1998 Präsident Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch sowie Dr. Jürgen Lüthje als Kanzler von 1974 bis 1991) verfolgten diese Idee beharrlich.

Den forcierten Ausbau der Naturwissenschaften begleiteten und ergänzten andere Veränderungen:

  • neue Studiengänge und Fächer

    (z.B. 1977 Diplom-Psychologie, 1982 Niederlandistik, 1984 Interkulturelle Pädagogik und Einrichtung von Magisterstudiengängen, 1985 Informatik und Betriebswirtschaft, 1995 Jüdische Studien und Philosophie, 1997 Frauen- und Geschlechterstudien sowie Kulturwissenschaftliche Geschlechterforschung);

  • die Einführung von Instituten und Seminaren als Organen der akademischen Selbstverwaltung und zur Verbesserung von Lehre und Forschung im Jahre 1984;

  • die Einrichtung des Graduiertenkollegs »Psychoakustik« (1992) und des Sonderforschungsbereichs »Neurokognition« (1996 in Kooperation mit der Universität Bremen) durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG);

  • die Internationalisierung von Forschung und Lehre: 1998 bestanden Kooperationsbeziehungen mit über 100 Universitäten in Europa, Afrika, Amerika und Asien. Neben dem akademisch üblichen Austausch von Lehrenden und Studierenden gibt es inzwischen mehrere internationale Studiengänge: das deutsch-französische Doppel-Diplom für Wirtschaftswissenschaften, seit 1998 den Studiengang Niederlande-Studien in Zusammenarbeit mit der Universität Groningen sowie die englischsprachigen Master-Studiengänge Engineering Physics und Produkttechnologie (Chemie).

    In den neunziger Jahren reagierte die Universität Oldenburg schneller als viele Traditionsuniversitäten auf die Veränderungen des deutschen Hochschulsystems. Als Evaluation für die meisten noch ein unverständliches Fremdwort war, fanden in Oldenburg bereits Evaluationen statt. Seit 1994 war die Universität Mitglied im »Verbund norddeutscher Hochschulen« (Bremen, Hamburg, Kiel, Oldenburg, Rostock), der ab 1995 jährlich in zwei Fächern eine staatsunabhängige Evaluation durchführte. Dabei profitierte der »Nordverbund« von den Erfahrungen des sechsten Partners, der Universität Groningen. An niederländischen Universitäten gehören Evaluationen seit den achtziger Jahren zum akademischen Alltag. Das Besondere der staatsunabhängigen Evaluation war eine zweitägige Klausurtagung von Evaluierten und Gutachtern, die im Erfahrungsvergleich und –austausch Anregungen zur Verbesserung der Lehre bot. Seit Gründung der Niedersächsischen Evaluationsagentur 1995 nimmt die Universität auch an deren Evaluationen teil.

    Die zweite große innere Reform der neunziger Jahre war die Einführung des Modellversuchs »Globalhaushalt« des Landes Niedersachsen. Danach werden der Universität die Mittel für ein Haushaltsjahr vom Land global zugewiesen, über die Verwendung kann mit Ausnahme der Mittel für Personalstellen autonom entscheiden. Das bedeutet nicht mehr Geld, aber eine größere Flexibilität bei der Bewirtschaftung von Mitteln oder der Erzielung eigener Einnahmen. Die Veränderungen durch den Globalhaushalt wirkten sich bis in die kleinsten Lehreinheiten aus, weil zum einen die Umstellung von mancherlei »Abstürzen« begleitet war, zum anderen jedes Institut »mittelbewirtschaftende Einheit« ist und alle Lehrenden zur »Kostenstelle« wurden. Beides traf in der Anfangsphase auf mentale Barrieren. Inzwischen gehen die Wissenschaftsminister überall sehr schnell zur Einführung von Globalhaushalten über.

    Die dritte Veränderung ist das Bemühen der Universitäten Oldenburg und Bremen, Lehre und Forschung zu verzahnen, um die Attraktivität und Leistung beider Universitäten zu verbessern. Als erstes Ergebnis der Zusammenarbeit mit Bremen entstand ab 1995 in Delmenhorst das Hanse-Wissenschaftskolleg (Eröffnung 1998) als Stiftung des privaten Rechts der Länder Niedersachsen und Bremen. Im Kolleg leben für drei bis zehn Monate 25 Fellows aus der ganzen Welt zusammen und beteiligen sich an Forschungen, teilweise auch der Lehre in Oldenburg und Bremen. Das Hanse-Wissenschaftskolleg war in gewisser Hinsicht der Ideengeber für eine weitergehende Zusammenarbeit. Anknüpfungspunkte gibt es viele, etwa die Meeres- und Klimaforschung oder die Stadtsoziologie. Erste Ansätze einer auf Lehre bezogenen Zusammenarbeit gibt es bereits, etwa für den Fremdsprachenunterricht. Bis zu einer sinnvollen Kooperation, d. h. einer, bei der die beteiligten Partner vom jeweils anderen nicht nur »Löcher stopfen« lassen, sondern ohne Konkurrenzdruck die Profile beider Universitäten aufeinander abgestimmt werden, ist es allerdings noch ein langer Weg.

    Die geduldigste Minderheit: Frauen an der Universität

    Zu den basalen Veränderungen der letzten dreißig Jahre in den westlichen Gesellschaften zählen die veränderten Auffassungen über die Geschlechterrollen. Die Universitäten sind davon nur am Rande erfaßt worden. Oldenburg bildet hier keine Ausnahme. Die Festschrift zum 10jährigen Bestehen der Universität Oldenburg 1984 enthält z. B. keinen Artikel über Frauen und Frauenforschung. Der Anteil der Studentinnen lag über 25 Jahre hinweg relativ gleichmäßig knapp unter 50 Prozent. Der weibliche Personalanteil ist im Vergleich mit dem statistischen Durchschnitt Niedersachsens oder der Bundesrepublik mit Ausnahme der C3-Professuren unterdurchschnittlich. Bewegung brachten in die Frauenpolitik an der Universität Oldenburg zuerst die Studentinnen, die seit 1978 Lehrprojekte zu Frauenproblemen anstießen. 1986 begann eine zweite Phase in der Vertretung von Fraueninteressen. Wissenschaftlerinnen und nichtwissenschaftliche Mitarbeiterinnen gründeten den »Arbeitskreis Frauenpolitik«, und mit Prof. Dr. Ilse Dröge-Modelmog wählte das Konzil die erste Vizepräsidentin. Die Thematisierung der Geschlechterperspektive in Forschungsprojekten und in der Lehre einerseits sowie die organisierte Ineressenvertretung von Frauen in den Gremien der Universität bilden seitdem die Schwerpunkte der Frauenpolitik. Aus Lehrprojekten wie »Frauen forschen« (seit Sommersemester 1986) und Frauenstudienwochen zur Frauen- und Geschlechterforschung, z.B. 1993 und 1996, entwickelte sich das Konzept für den 1997 errichteten Magisterstudiengang »Frauen- und Geschlechterforschung«. Im gleichen Jahr konnten sich erstmals Studierende für den Aufbaustudiengang »Kulturwissenschaftliche Geschlechterstudien« immatrikulieren.

    Bei der Verabschiedung von Frauenförderrichtlinien und der Einrichtung von Gleichstellungsstellen war Oldenburg der Gesamtentwicklung um etwa ein halbes Jahr voraus. Die erste Frauenförderrichtlinie verabschiedete der Senat im Dezember 1986, im Mai 1987 folgte der Beschluß für eine Gleichstellungsstelle, der 1991 erstmals zwei feste Stellen (eine Juristin, eine Verwaltungsangestellte) zugewiesen wurden. Das Amt der Frauenbeauftragten teilten sich für Jahre eine Wissenschaftlerin, eine Studentin und eine nichtwissenschaftliche Mitarbeiterin, bis 1997 für vier Jahre die erste hauptamtliche Frauenbeauftragte ihr Amt antrat.

    Verfolgt man die Arbeit der Gleichstellungsstelle in den letzten zehn Jahren, lassen sich drei große Schwerpunkte identifizieren: Den Studentinnen hilft die Gleichstellungsstelle einerseits durch Kurse, die gezielt z. B. die Rhetorik oder Bewerbungsstrategien von Hochschulabsolventinnen verbessern sollen, andererseits durch Aktionen wie »Studieren mit Kind – kinderleicht?«. Bei den Wissenschaftlerinnen steht die Mitwirkung bei Berufungsverfahren eindeutig an erster Stelle. In den letzten Jahren hat es dabei mehr als einen Konflikt gegeben. Ob die im Januar 1998 verabschiedete präzisierte Frauenförderrichtlinie solche Konflikte in Zukunft vermeiden kann, sei dahingestellt, auch wenn darin das Ziel formuliert wird, »die bestehende Unterrepräsentanz von Frauen abzubauen und Frauen aktiv zu fördern«.

    Lehrerbildung

    Die ersten Jahre der Universitätsgeschichte bestimmte die Lehrerbildung. 1980 betrug der Anteil der Lehramtsstudierenden noch etwa 60 Prozent. Ihr Studium ist untrennbar mit dem Kürzel ELAB (Einphasige Lehrerausbildung) verbunden. Die Integration von universitärer und berufsvorbereitender Ausbildung war eine Besonderheit der ELAB, die großflächige Organisation des Studiums in Projekten die andere. Die Projekte sollten gesellschaftliche und unterrichtliche Themen aufnehmen, sie interdisziplinär bearbeiten und in den Unterrichtsvorhaben praktisch umsetzen. Wegen ihres zweifachen Reformansatzes war die ELAB von Beginn an umstritten. Zum einen fiel der Beginn des Modellversuchs mit dem Ende des Weltwirtschaftswachstums, das seinen allen sichtbaren Ausdruck in der »Ölkrise« fand, zusammen. Reformen wurden von nun an verstärkt unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit betrachtet. Zum anderen kündigte sich 1974 bereits das Ende des Bildungsbooms an. Am Anfang der siebziger Jahre bestand ein riesiger Lehrermangel, an ihrem Ende eine zunehmende Lehrerarbeitslosigkeit. Das minderte die politische Bereitschaft, in Reformen zu investieren. Schließlich geriet die ELAB aus politischen Gründen unter Druck. Vor allem die Standesorganisation der Gymnasiallehrer, der Philologenverband, bekämpfte den Modellversuch, weil man darin den Beginn viel weitergehender Reformen bis hin zur Gesamtschule vermutete. Im Februar 1979 forderte der Vorstand des Philologenverbandes einen »Gnadenschuß« für die einphasige Lehrerausbildung, zwei Monate später verfügte die CDU/FDP-Landesregierung das Auslaufen des Modellversuchs ab 1980 bzw. 1981. Seit 1982 erfolgten Erstimmatrikulationen nur noch für die zweiphasige Lehrerausbildung.

    Drei 1980 von der Landesregierung bestellte Gutachter kamen zu einem im Ergebnis überraschend positiven Votum über die ELAB. Kultusminister Remmers erklärte daraufhin am 3. Juli 1981: "Alles in allem reichen die vorliegenden Erkenntnisse aus dem ELAB-Modell völlig aus, um daraus für die Lehrerausbildung Verbesserungen abzuleiten. So gesehen hat sich der Modellversuch gelohnt." Für eine reformierte zweiphasige Ausbildung empfahlen die Gutachter mehrere studienbegleitende, von Hochschullehrern betreute Unterichtspraktika sowie höhere fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Studienanteile.

    Ein Rückblick auf die ELAB darf die internen Gründe für deren frühzeitiges Ende nicht ausklammern: die geringe Bereitschaft, mit der »Außenwelt« über den Modellversuch zu kommunizieren; das Fehlen neu formulierter Verbindlichkeiten in dem auf Selbstverantwortlichkeit setzenden Projektstudium, überhaupt die Unterschätzung des Wissens in durch Problembearbeitung strukturierten Lernsituationen; die personelle Fluktuation in den Projekten sowohl bei den Studierenden wie bei den Lehrenden. Vor allem aber kam es nur in Ansätzen zu einer Klärung des Theorie-Praxis-Bezuges. Die Vorstellungen zum »Praxisbezug« reichten von der theoretischen Reflexion der Praxis über Berufsfeldorientierung bis hin zur Berufsfertigkeit. In der ELAB wurde insofern manches von der Grundwoge der Veränderung der Universitäten in der Gegenwart vorweggenommen.

    *) Prof. Dr. Hilke Günther-Arndt, seit 1973 an der Universität Oldenburg und Mitglied des Historischen Seminars, ist die Autorin der"Geschichte der Carl von Ossietzky Universitätz Oldenburg" , die auch als Broschüre anläßlich des 25jährigen Jubiläums erschienen ist. Die Broschüre kann bei der Presse & Kommunikation angefordert werden.


  • Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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