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Das aktuelle Interview

"Die editorischen Verfahren sind längst festgelegt"

Gerhard Kraiker zur Kurt Tucholsky-Gesamtausgabe

Der zehnte Band der Tucholsky-Gesamtausgabe ist jetzt erschienen. Erarbeitet wird sie von der Kurt Tucholsky-Forschungsstelle unter der Leitung des Politologen Prof. Dr. Gerhard Kraiker, der sich in einem Interview zu den derzeitigen Problemen des Projektes äußerte.

UNI-INFO: Die Tucholsky-Forschungsstelle hat jetzt den zehnten Band der kommentierten Gesamtausgabe herausgebracht. 22 sollen es werden. Läuft alles nach Plan?

KRAIKER: Bei uns ja, leider im Verlag nicht. Rowohlt hatte zugesagt, jährlich mindestens zwei Bände zu veröffentlichen. Wegen Sparmaßnahmen war es im vergangenen Jahr nur einer, in diesem Jahr wird es nicht anders sein. Erst ab 2002 sollen es wieder zwei Bände werden. Die sind auch schon fertig und könnten gedruckt werden.

UNI-INFO: Wäre es wirklich ein so großes Problem, wenn Sie auf Halde edierten?

KRAIKER: Die DFG fördert das Projekt nur eine bestimmte Zeit, dann wird die Forschungsstelle ohne Mitarbeiterinnen sein, die unveröffentlichte Bände aktualisieren und Endkorrekturen machen könnten. Man kann auch Kommentare nicht ohne Aktualitätseinbuße fünf oder mehr Jahre liegenlassen.

UNI-INFO: Durch den plötzlichen Tod von Dirk Grathoff gibt es keinen Literaturwissenschaftler mehr im Herausgeberteam. Ist dadurch die Arbeit der Forschungsstelle nicht im hohen Maße gefährdet?

KRAIKER: Natürlich ist der Tod von Dirk Grathoff in fachlicher wie in persönlicher Hinsicht ein schwerer Schlag für uns. Aber die editorischen Verfahren sind ja längst festgelegt. Es wird ab Mai die promovierte Literaturwissenschaftlerin Ute Maack mit einer ganzen Stelle in der Forschungsstelle arbeiten. Außerdem steht eine habilitierte Germanistin von der Universität Saarbrücken, die assoziiertes Mitglied der Forschungsstelle ist, mit Rat und ggf. auch mit Tat zur Verfügung. Dennoch wird Dirk Grathoff fehlen, er wollte z.B. den schwierigen Nachlassband mit Antje Bonitz zusammen bearbeiten.

UNI-INFO: Kommt aus Oldenburg niemand in Frage?

KRAIKER: Die Germanistik ist hier zur Zeit im Umbruch. Etliche Stellen werden neu besetzt. Vielleicht ist jemand dabei, der oder die bei uns mitwirken möchte. Jene Germanistin aus Saarbrücken bewirbt sich übrigens auch.

UNI-INFO: Wird die Universität Oldenburg so etwas wie eine Editions-Hochburg?

KRAIKER: Ein etwas merkwürdiger Begriff. Aber - wie auch immer - in diesem Bereich ist schon einiges geschehen. Vor der Tucholsky-Edition gab es die Ossietzky-Gesamtausgabe. Nun werden auch die Schriften Hannah Arendts, der deutsch-amerikanischen politischen Theoretikerin, unter der Leitung Antonia Grunenbergs in Oldenburg herausgegeben. Und es gibt ein weiteres spannendes Projekt: die Ausgabe der Werke des Philosophen und Publizisten Theodor Lessing, der wegen seiner antinationalistischen Haltung 1926 die Universität Hannover verlassen musste und 1933 in Marienbad als Emigrant von einem Nazi ermordet wurde. Zur Zeit bin ich dabei, das Projekt abzusichern. Wir haben bereits einen Verlag und eine Zusage der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung, die Publikation zu unterstützen.

 

Erschienene Bände der Tucholsky-Gesamtausgabe

Band 1 (Texte 1907-1913) hg. von Bärbel Boldt, Dirk Grathoff, Michael Hepp
Band 3 (Texte 1919) hg. von Stefan Ahrens, Antje Bonitz, Ian King
Band 4 (Texte 1920) hg. von Bärbel Boldt, Gisela Enzmann-Kraiker, Christian Jäger
Band 5 (Texte 1921/22) hg. von Roland und Elfriede Links
Band 6 (Texte 1923/24) hg. von Stephanie J. Burrows, Gisela Enzmann-Kraiker
Band 9 (Texte 1927) hg. von Gisela Enzmann-Kraiker, Ute Maack, Renke Siems
Band 10 (Texte 1928) hg. von Ute Maack Band 14 (Texte 1931) hg. von Sabina Becker
Band 20 (Briefe 1933/34) hg. von Antje Bonitz, Gustav Huonker
Band 21 (Briefe 1935) hg. von Antje Bonitz, Gustav Huonker

(Stand: 19.01.2024)  | 
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