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"Vom Administrator zum Hochschulmanager"

Interview mit dem Kanzler der Universität, Günter Scholz, über die Hochschulverwaltung und ihre Beziehung zum Wissenschaftsbereich

UNI-INFO: Herr Scholz, wie haben Sie die Universität Oldenburg gesehen, als Sie sich 1998 beworben haben, und wie sehen Sie sie heute?

SCHOLZ: Ich habe sie schon in den 70er Jahren wahrgenommen, als ich in Oldenburg Referendar war. Die heftigen Diskussionsprozesse, die in Oldenburg stattfanden, waren mir nicht so fremd wie den meisten Oldenburgern. Ich kam selbst aus einer als rot angesehenen Uni, der Universität Marburg. Als ich mich vor zweieinhalb Jahren bewarb, war mir die Universität durch den damaligen Präsidenten Prof. Dr. Michael Daxner mit seinen Reformthesen und dem Modellversuch Globalhaushalt präsent.

UNI-INFO: Und wie sehen Sie die Uni jetzt?

SCHOLZ: Mich hat die Offenheit und die Bereitschaft zu Veränderungen positiv überrascht. Der Globalhaushalt ist dafür ein Beispiel.

UNI-INFO: Sie galten nicht von Beginn an als Freund des Globalhaushaltes.

SCHOLZ: Ich war erst skeptisch. Inzwischen sehe ich, dass es darum geht, durch den Globalhaushalt Freiräume zu schaffen und nicht darum, eine zackige GmbH aus der Universität zu machen. Da hätte ich Probleme, weil ich mir nicht so richtig vorstellen kann, wie man mit einer Universität Geld verdienen soll. Sie hat in erster Linie den Auftrag zu Forschung und Lehre.

UNI-INFO: Die Uni wird zwar keine GmbH, aber sie wird sich weiter ändern müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Alle sind davon betroffen - auch die Verwaltung. Soll sich dort ein größeres Dienstleistungsbewusstsein einstellen oder gibt es da ein Problem mit den staatlichen Kontrollaufgaben, die zu leisten sind?

SCHOLZ: Wir haben ein Aufgabenbündel, das uns in bestimmten Bereichen Entscheidungsfreiräume lässt, und solche, wo es keine gibt - z.B. im Personalbereich. Da muss man das exekutieren, was durch Personalrecht vorgegeben ist. Die Frage ist aber: Wie exekutiere ich?

UNI-INFO: Was ist in den zwei Jahren Ihrer Kanzlerschaft dazu konkret passiert?

SCHOLZ : Ich glaube, es geht erst einmal um Bewusstseinsfragen in der Verwaltung. Ich habe mich zunächst mit den Dezernenten zusammengesetzt und wir haben geklärt: Der Kanzler ist nicht derjenige, der morgens die Befehle ausgibt und der Rest pariert. Mein erstes Ziel war, dass sich Führungskräfte viel mehr aus dem Tagesgeschäft herausziehen und sich mit Führungsaufgaben beschäftigen und nicht damit, ob irgendwo ein Komma falsch gesetzt ist. Da sind wir, denke ich, auf einem guten Weg. Dieser Prozess der Selbstdefinition wird nun bei den Abteilungsleitern und Sachbearbeitern systematisch fortgesetzt.

UNI-INFO: Wird dieses neue Bewusstsein dazu beitragen, die mitunter brüchigen Brücken zwischen Verwaltung und Wissenschaft zu stabilisieren?

SCHOLZ: Wissenschaft und Verwaltung müssen immer wieder neu lernen, miteinander zu reden, und zwar angstfrei und unabhängig davon, wie viel Sterne einer auf der Schulter hat. Aber der Appell an beide Seiten reicht natürlich nicht. Wir werden in diesem Jahr versuchen herauszufinden, wo die Probleme stecken und eine "Kundenbefragung" organisieren. Das heißt konkret, dass sich der Verwaltungsbereich der Beurteilung durch den Wissenschaftsbereich, aber auch durch die anderen MitarbeiterInnen der Universität stellen wird. Wobei das Ganze ziemlich verzwickt ist. Jeder von uns ist Anbieter und gleichzeitig Empfänger von Leistungen. Ich selbst bin auch Kunde der Personalverwaltung. Jeder muss sich also mit jedem auseinandersetzen. Aber Hauptzielrichtung ist natürlich der wissenschaftliche Bereich. Er ist hier besonders gefragt.

UNI-INFO: Und was genau wollen Sie herausfinden?

SCHOLZ: Wir wollen zum einen sehen, ob es ganz reale Probleme gibt oder ob es sich mehr um solche handelt, die aufgrund schlechter Kommunikation zustande kommen. Denn eines ist klar: Es gibt auch in der Uni Feind- und Freundbilder, die nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Ich glaube, das gelegentliche Aufeinanderstoßen hängt häufig damit zusammen, dass man nicht wirklich miteinander redet bzw. nicht zuhört. Wenn wir eine Gesprächskultur aufbauen können, bei der die Ablehnung eines Wunsches nicht gleich unter der Rubrik Willkür verbucht wird, und wenn von der Begründung nicht angenommen wird, dass sie konstruiert ist, sondern eine reale Basis hat, dann haben wir viel erreicht. Dann lässt sich auch viel einfacher über Alternativen reden.

UNI-INFO: Alternativen?

SCHOLZ: Die Frage ist doch, wie gehe ich an ein Thema ran, wie gehe ich damit um? Wenn sich weiterhin ein Bewusstsein durchsetzt, das nach dem Motto verfährt "Wie kann ich einem Antrag zum Erfolg verhelfen?" und nicht "Wie kann ich ihn verhindern?", dann wird auch ein hohes Maß an Kreativität freigesetzt, um vielleicht doch noch in geänderter Form zu ermöglichen, was vorher nicht möglich schien. Das ist manchmal ein bisschen aufwändiger, aber das sollten wir verstärken.

UNI-INFO: Woran denken Sie konkret?

SCHOLZ: Das werden wir durch die Auswertung der Umfrage genauer wissen. Grundsätzlich muss ich an dieser Stelle wohl eines betonen: In der Oldenburger Uni-Verwaltung sitzen keine Pappkameraden, die einfach sagen: "Machen wir nicht". Da macht es sich mancher in der Uni zu leicht und will vielleicht nur von eigenen Problemen ablenken. Unsere Verwaltung ist weiter als viele andere. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

UNI-INFO: Das Präsidium, dem Sie angehören, hat sich deutlich für eine neue Organisationsstruktur mit der Zusammenlegung von Fachbereichen bzw. Fächern zu fünf Fakultäten ausgesprochen. Damit soll eine Verbesserung des Managements innerhalb des Wissenschaftsbereiches möglich werden - nicht zuletzt dadurch, dass man dort eine effektivere Verwaltung installieren könnte. Könnte hier mehr Nähe und Verständnis zwischen Wissenschaft und Verwaltung aufkommen?

SCHOLZ: Das weiß ich nicht. Das Konfliktpotenzial ist einfach da, weil auf der einen Seite eben ein Wissenschaftler sitzt, der die Inhalte seines Arbeitslebens anders ausrichtet als ein Verwaltungsmensch. Deshalb müssen wir erreichen, dass die Dekane, und es gibt ja nicht viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich um diese Aufgabe reißen, von einer guten Administration vor Ort entlastet werden, d.h. dass ihnen das operative Geschäft weitgehend abgenommen wird und Zeit für die strategischen Überlegungen da ist, denn die Wissenschaftler wissen am besten, wohin und wie sich ihre Fächer entwickeln. Ein Dekan muss sich nicht im Detail mit dem Haushalt auseinandersetzen. Das soll die Administration vor Ort tun - in erster Linie als verlängerter Arm des Dekans. Und diese Professionalisierung wird immer wichtiger.

UNI-INFO: Können Sie das konkretisieren?

SCHOLZ: Nehmen wir einmal die vielen anstehenden Berufungen in den nächsten Jahren. Wir mussten den Fachbereichen erst einmal klarmachen, dass die Hochschulleitung nicht irgendwo einen Geldsack unter dem Tisch stehen hat und diese Berufungsausstattungen, die da notwendig werden, finanzieren kann. Wir tauschen in der Universität - wenn man dieses Bild mal benutzen will - bis auf die Außenwände alles aus. Und das ist ein hoher Aufwand. Da muss in den Fachbereichen eine vernünftige Berufungspolitik betrieben werden, die auch finanziell auf soliden Beinen steht. Und gerade das erwarten wir z.B. von den Geschäftsführern, die wir dort einsetzen wollen.

UNI-INFO: Die Umstrukturierungsabsichten lösen verständlicherweise bei einigen VerwaltungsmitarbeiterInnen Ängste aus. Da geht es wohl weniger um die Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren, als vielmehr darum, Aufgaben erledigen zu müssen, denen man sich nicht gewachsen fühlt.

SCHOLZ: Man muss immer trennen zwischen der Planungsphase und der Umsetzungsphase. In der Planungsphase geht es eben nur um Geldbudgets und über Stundenkontingente. In punkto Umsetzung werden wir uns mit dem Personalrat und der Frauenbeauftragten und den neuen Fakultätsleitungen zusammensetzen und sehen, wie wir in dieses Raster die Menschen mit ihren vorhandenen Arbeitsverträgen und Fähigkeiten hinein bekommen. Und zwar so, dass da keiner nach unten abrutscht. Betriebsbedingte Entlassungen wird es, wie schon oft betont, auf keinen Fall geben. Und was die Arbeitsorganisation angeht, werden wir viel Phantasie und Übergangsregeln benötigen, bis wir die Ideallösung haben.

UNI-INFO: Haben Sie eine Vorstellung, wie die Uni-Verwaltung in zehn Jahren aussehen sollte?

SCHOLZ: Verwaltungen sind ja eher reformresistent. Aber ich hoffe, dass die Zukunft für die Universitäten mehr Autonomie bringt, und dies wird zu Veränderungen führen, ob wir das wollen oder nicht. Wir werden uns dann nicht nur auf Erlasse aus Hannover berufen können, sondern wir müssen die Entscheidung eben selber treffen. Das kann dazu führen, dass die Verwaltung kleiner wird und die einzelnen Arbeitsplätze mit anspruchsvolleren Aufgaben ausgestattet werden. Wir dürfen das nicht überstürzen, weil natürlich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitmachen müssen. Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als die ersten Computer aufgestellt wurden. Die Probleme von damals lehren mich, dass eine Schritt-für-Schritt-Strategie am besten funktioniert.

UNI-INFO: Die Position des Kanzlers wird nach Wunsch der Regierung künftig in die eines Vizepräsidenten überführt. Kommt der Status als gewählter Beamter der Funktionalität dieses Amtes entgegen?

SCHOLZ: Die Funktion des Kanzlers hat sich bereits verändert und wird sich auch weiter verändern, wenn man das Thema Autonomie und Deregulierung ernst nimmt. Die Urkanzler im 12. Jahrhundert waren Vertreter der Kirchen, später des Landesherrn, die als so eine Art Akkreditierungsinstanz für die Qualität der akademischen Grade einstanden. Später blieben sie die Vertreter der Landesherren, da gab es den Kurator, der als Vertreter des Staates die Aufsicht über die Hochschule führte und das Geld und das Personal verteilte. In den 70er Jahren wurde der Kanzler dann Mitglied der Hochschule, blieb aber immer noch der verlängerte Arm des Staates. Wenn die Hochschulen jetzt eine größere Distanz zum Staat bekommen und ihnen mehr Autonomie gegeben wird, muss man sich immer mehr von diesem Bild verabschieden. Sie werden sich mehr vom Administrator zum Hochschulmanager entwickeln.

UNI-INFO: Für welchen Zeitraum sollten sie gewählt werden?

SCHOLZ: Ob für sechs, acht oder zehn Jahre, das ist eine Frage der Praktikabilität. Ich halte die sechsjährige Amtszeit, für die man sich in Niedersachsen entschieden hat, für ziem- lich kurz. Die Zeit ist relativ schnell um. Sie brauchen eine gewisse Zeit, bis sie eine Institution kennen: Da ist die Hälfte schon vorbei, und dann kann man erst richtig loslegen. Deshalb: eine achtjährige Amtszeit wäre sicherlich eine sinnvolle Größe.

UNI-INFO: Mit welchem Gefühl kommen Sie nach zwei Jahren als Kanzler in Oldenburg morgens zur Arbeit und wie gehen Sie abends nach Hause?

SCHOLZ: Morgens beginne ich den Tag relativ fröhlich und abends gehe ich fast immer mit dem Gefühl, eigentlich sei noch was zu erledigen, nach Hause. Aber es muss auch mal Schluss sein.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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