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Reform und Region

Hans-Jürgen Appelrath und Rainer Rheude* über Uni-Präsident Siegfried Grubitzsch

Colorierte Zeichnung von Klaus Beilstein.

Aus dem Kreis seiner engsten Mitarbeiter heißt es in jüngster Zeit, der Präsident wirke seit Wochen „irgendwie erleichtert“. Im Wissen um das bevorstehende Ende seiner Amtszeit am 30. September 2004 betrachte er die Hochschul- und übrige Welt etwas lockerer und gelassener als früher.

Auch wenn diese Charakterisierung ein bißchen übertrieben erscheinen mag, weil Siegfried Grubitzsch mit Sicherheit sein Amt bis zum letzten Arbeitstag in dem ihm eigenen stringenten Verständnis von den Aufgaben eines Präsidenten ausfüllen wird, so dürfte doch auch Wahrheit in der Beobachtung stecken. Kurz vor seiner Verabschiedung erlaubt sich der Pflichtmensch Grubitzsch, der seine Kräfte in den zurückliegenden Jahren wenig schonte, offenbar kleinere Anflüge eines entspannteren Verhältnisses zum Amt. Gewiss auch in dem guten Gefühl, dass er fast alles, was er sich zum Amtsantritt am 1. Oktober 1998 vorgenommen hatte, auch in die Praxis umgesetzt hat.

Es waren beileibe keine einfachen Zeiten. Wer wollte, konnte schon in der Präsidentenwahl Vorzeichen für heraufdämmernde schwierige Zeiten sehen: Obwohl im Februar 1998 nie in Frage stand, dass er gewählt werden würde, brauchte Grubitzsch - oder besser das wie so häufig unberechenbare Konzil - immerhin vier Wahlgänge, ehe die notwendige Mehrheit stand. Ausschlaggebend für seine Wahl war damals wohl, dass sich nicht wenige Hochschulangehörige nach den zwölf Jahren Michael Daxners, der der Universität vor allem nach außen deutlich Profil und Anerkennung verschafft hatte, dessen Führungsstil nach innen aber immer auch von Atemlosigkeit und Sprunghaftigkeit geprägt war, nach einer Leitung sehnten, die Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahlte.

Grubitzsch, der bereits als Vizepräsident Erfahrung im Präsidium gesammelt hatte, schien diesen Wunsch nach einer Atempause in seiner besonnenen, abwägenden Art zu verkörpern. Von ihm versprachen sich seine Wähler, aber auch seine damals wenigen Kritiker einen möglichst sanften Übergang der Hochschule vom 20. ins 21. Jahrhundert. So sah er es nach seiner Wahl selber, denn er versprach, sich um eine „Klimaverbesserung“ in der Hochschule zu bemühen und in Konfliktfällen moderieren und vermitteln zu wollen.

Wer freilich geglaubt hatte, Grubitzsch würde ein „bequemer“ Präsident, der sich vornehmlich um die atmosphärische und administrative Seite seines Amtes kümmern würde, sah sich rasch getäuscht: Schon bei seiner Amtseinführung und in den darauf folgenden Monaten ließ er keinen Zweifel an seiner Absicht, die bestehenden Strukturen in Frage zu stellen und diese Universität in einem Maße umzukrempeln, wie es sich zwar mancher gewünscht und als notwendig betrachtet hatte, aber nicht an die praktische Umsetzung gegangen war.

Dabei kam ihm durchaus gelegen, dass die Diskussion über Zustand und Zukunft der deutschen Hochschulen, die seit einigen Jahren in aller Heftigkeit und Dringlichkeit geführt wurde, sich allmählich auch in der Praxis niederschlug, etwa in Niedersachsen in einem neuen Hochschulgesetz, das Präsident und Präsidium eine ungleich stärkere Stellung einräumte als bisher. Grubitzsch wusste seine „Richtlinienkompetenz“ zielstrebig und klug und meist moderat zu nutzen.

Es gelang ihm das Kunststück, die Hochschule nach den turbulenten Daxner-Jahren einerseits in ruhigeres Fahrwasser zu manövrieren, sie andererseits aber weiter auf Reformkurs zu halten. So konnte die wichtigste Reform seit Gründung der Universität ohne größere Erschütterungen umgesetzt werden: Die Organisationsreform, die einher ging mit der Verringerung der elf Fachbereiche auf fünf Fakultäten. Wie schwierig dieses Unterfangen in Wirklichkeit war und welcher Managementqualitäten und Moderationstalente es bedurfte, die Reform umzusetzen und zugleich zu verhindern, dass es zu den allseits prophezeiten Verteilungskämpfe „auf Hauen und Stechen“ kommen würde, mag die Einschätzung eines Senatsmitglieds zu Beginn des Diskussionsprozesses verdeutlichen: „Die Mehrheit will diese Reform nicht“. Zur Halbzeit seiner Amtszeit war sie dann doch unter Dach und Fach. Grubitzsch hatte langen Atem gezeigt - eine Eigenschaft, die zu einem ehemaligen Zehnkämpfer passt. Er ist einer, der durchhält und gewinnen will, aber auch mit Anstand verlieren kann.

Mit Beharrlichkeit und Überzeugungskraft hat Grubitzsch von Anfang an auch seine Leuchtturm-These unters Uni- und restliche Volk gebracht, sein uneingeschränktes Bekenntnis zur bevorzugten Förderung herausragender Forschungsleistungen.

Innerhalb der Universität hat er sich damit nicht unbedingt nur Freunde gemacht, umso nachhaltiger war die Wirkung dieses Bekenntnisses jedoch in der Öffentlichkeit, vor allem in der regionalen Wirtschaft. Grubitzsch, der mit dem Vorsatz das Amt angetreten hatte, die Pflege der Kontakte mit allen Institutionen in der Region in gleicher Weise wie seine Vorgänger fortzuführen, hat mit einem unermüdlichen und Kräfte zehrenden Engagement weit mehr erreicht, als nur Kontakte geknüpft: Er hat mit seinem Einsatz die endgültige Versöhnung zwischen der Universität und der Region zustande gebracht.

Verbindungen zur Region: Siegfried Grubitzsch mit dem Unternehmer und langjährigen Vorsitzenden der Universitätsgesellschaft, Peter Waskönig. Turbulenzen um Spardiktat der Landesregierung 2003: Siegfried Grubitzsch mit dem studentischen Senatsmiglied Jan Kühnemund.

Als Präsident hat Grubitzsch eine deutlich größere Präsenz in der Stadt und im gesamten Nordwesten gezeigt als alle seine Vorgänger. Bei praktisch allen wichtigen Veranstaltungen war er als Repräsentant der Universität mit Pflichtgefühl, aber auch positiver Ausstrahlung, Freude am Amt und mitunter überraschendem Charme vor Ort und warb für die Universität und ihre Anliegen. In vielen offiziellen, auch dank seines Einsatzes neu geschaffenen Funktionen und informellen Gesprächsrunden hat er für eine selbstverständliche Verankerung der Universität insbesondere in der Region gesorgt. Dialog und Wechselspiel zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik haben mit diesem Präsidenten eine neue Qualität in der noch jungen Geschichte der Universität Oldenburg gewonnen und ein in den frühen, wilden Jahren der Hochschule kaum vorstellbares Niveau erreicht.

Siegfried Grubitzsch und der langjährige Vorsitzende der Universitäts-Gesellschaft, Peter Waskönig, waren ein Tandem, das mit großem Erfolg für die Universität in der Region warb. Und dazu gehörte eben stets auch die „Leuchtturm“-These, in der Grubitzsch aller, wenn auch gedämpften hochschulinternen Kritik zum Trotz, daran festhielt, dass diese Universität nur dann eine Zukunft haben und Profil gewinnen könne, wenn sie auch Spitzenleistungen vorweisen kann.

In einem Fragebogen hat er als seine Lieblingslebensweisheit die Sentenz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ zitiert. Nicht zu spät zu kommen, von Veränderungen nicht überrollt zu werden, auf sich abzeichnende Entwicklungen vorbereitet zu sein, besser eine womöglich sogar strapaziöse Vorreiter-Rolle übernehmen, als hinterherzuhinken - das waren für ihn immer auch wesentliche Antriebskräfte. Das „kollegiale Leitungsgremium“, die sehr frühzeitige Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen, das integrierte Informationsmanagement, konsequentes Marketing mit einem einheitlichen Corporate Design, das gezielte Werben um Studierende bis hin zu einem Begrüßungsgeld, von dem er die Stadt überzeugte - das sind nur einige Beispiele dafür, wo die Universität inzwischen voranmarschiert, zumindest in Niedersachsen.

Und sehr viel früher als mancher andere Universitätspräsident hat Grubitzsch auch erkannt, erkennen müssen, dass die Hochschulen entgegen allen wohlfeilen Versprechungen in diesen Zeiten von der Politik wenig erwarten dürfen. Die „Kassensturz“-Meldung aus Bund und Land ließen ihn bereits 1998, unmittelbar nach seiner Wahl, „wenig optimistisch“ und ziemlich illusionslos sein, was die künftige Finanzausstattung der Hochschulen betreffen würde. Er sollte Recht behalten.

Sein Versuch, mit einem über Jahre nicht steigenden Haushalt dennoch durch vorsichtige Umschichtungen Spitzenleistungen zu fördern, hat nach Außen sichtbar zur Profilierung und Identifikation der Universität beigetragen wie sich u.a. in den Statistiken der DFG nachlesen lässt. Dass er letztlich am Kürzungsdiktat der Landesregierung gescheitert ist, das nicht zuletzt zum Meinungsumschwung über seine Amtsführung beitrug, ist wohl eine der schmerzlichsten Erfahrungen, die er hat machen müssen.

Er hat gegen die Haushaltskürzungen mit einigem Erfolg gekämpft, aber eine zunehmende Zahl von Hochschulmitgliedern hat seinen Führungsqualitäten und seiner schwierigen, mitunter unklaren Moderatorenrolle zwischen der Universität und der neuen Landesregierung nicht mehr vorbehaltlos getraut. Obwohl die Oldenburger Universität die Hochschule war, die bei dieser Sparauflage vergleichsweise glimpflich davongekommen ist, traf ihn die volle Wucht des zornigen Widerspruchs aufgebrachter Kolleginnen und Kollegen, darunter vor allem aus der Psychologie, seiner eigenen wissenschaftlichen Heimat. Es mag sein, dass er diesen Zorn unterschätzt hat, es mag sein, dass die Darstellung seiner unbestreitbaren Verhandlungserfolge in Hannover nicht sonderlich überzeugend war. Und es mag auch sein, dass er nicht immer glücklich taktierte und nicht mehr das sichere Gespür für die Stimmung in der Universität hatte.

Die Einsicht, dass eine Kandidatur in schließlich aussichtsloser Lage die Erfolge seiner Amtszeit überschatten könnte, dürfte ihn am Ende zum freiwilligen Rückzug bewogen haben. Er hat mit Anstand verloren - und dabei zugleich an Ansehen wieder gewonnen. Hohen Respekt und Anerkennung für seine Leistungen in den vergangenen sechs Jahren wird Siegfried Grubitzsch ohnehin niemand, dem die Entwicklung dieser Universität wirklich am Herzen liegt, versagen können.

* Prof. Dr. Hans-Jürgen Appelrath ist OFFIS-Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Department für Informatik.
Rainer Rheude ist Leiter der Regionalredaktion der Nordwest-Zeitung und langjähriger Beobachter der Universitätsentwicklung.

(Stand: 19.01.2024)  | 
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