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Hochschulpolitik
Wissenschaftsrat sagt „Ja“
Weg für grenzüberschreitendes Medizinstudium in der European Medical School geebnet
Freude über das positive Votum (v. l. n. r.): Gunilla Budde, Katharina Al-Shamery, Reto Weiler, Bernd Siebenhüner, Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, Präsident Sibrand Poppema (Universität Groningen), Präsidentin Babette Simon, Hans-Rudolf Raab (Klinikum Oldenburg), Heide Ahrens, Rudolf Mintrop (Klinikum Oldenburg), Elisabeth Sandbrink (Pius-Hospital) und Thomas Kempe (Evangelisches Krankenhaus). Foto: Markus Hibbeler |
Für bundesweit große Aufmerksamkeit hat das positive Votum des Wissenschaftsrats (WR) zum deutsch-niederländischen Gemeinschaftsprojekt „European Medical School Oldenburg-Groningen“ gesorgt. Das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern ebnete am 12. November bei seiner Herbstsitzung in Lübeck den Weg für die Gründung eines neuen medizinischen Standorts an der Universität Oldenburg und damit für die Erprobung neuer Wege in der ärztlichen Ausbildung. Im Rahmen der „European Medical School Oldenburg-Groningen“ sollen jeweils 40 Studierende beider Universitäten ab dem Wintersemester 2012/13 ein gemeinsames humanmedizinisches Studium von sechs Jahren durchlaufen können.
Wie sehr das Land Niedersachsen hinter dem Konzept steht, lässt sich aus der Reaktion des Ministerpräsidenten David McAllister ablesen, der unmittelbar nach der Entscheidung des Wissenschaftsrats in einer Pressemitteilung der Landesregierung eine Stellungnahme abgab: „Niedersachsen geht neue Wege in der Medizinerausbildung. Dieser Studiengang ist in Deutschland und Europa einzigartig“, hieß es dort. Damit habe die Hochschulkooperation mit den Niederlanden eine neue Qualität bekommen. Das sei ein Erfolg für die Universität Oldenburg und die Region und eine vorausschauende Investition in die künftige Gesundheitsversorgung.
Diese Ansicht vertrat auch der Wissenschaftsrat, der das Gründungskonzept, um dessen Bewertung ihn das Land Niedersachsen gebeten hatte, „grundsätzlich für überzeugend und die standortspezifische Ausgangssituation für förderlich“ hält. Gleichwohl bestünde in einigen Punkten Nachbesserungsbedarf, „damit aus dem exzeptionellen Reformvorhaben an der Universität Oldenburg ein universitätsmedizinischer Standort werden kann, der auch auf Dauer den notwendigen Qualitätsansprüchen in Lehre, Forschung und Krankenversorgung genügen kann“, betonte der WR-Vorsitzende Prof. Dr. Peter Strohschneider. Die 158-seitige Stellungnahme nennt als Kritikpunkte insbesondere die personelle Abdeckung einzelner medizinischer Fächer, die rechtliche Ausgestaltung zur Schaffung eines Universitätsklinikums und Teile des Finanzierungskonzepts.
Unmittelbar nach der Entscheidung des Wissenschaftsrats trat Niedersachsens Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Prof. Dr. Johanna Wanka, in Oldenburg vor die Presse und erklärte: „Die Idee, einen neuen strukturellen Ansatz bei der Ausbildung von Medizinern zu erproben, fiel nicht von Beginn an auf fruchtbaren Boden. Aufklärung und Engagement waren nötig. Heute zeigt sich: Es hat sich gelohnt. Der Weg für eine weitere medizinische Ausbildung auf Universitätsniveau ist damit eingeschlagen“.
Universitätspräsidentin Prof. Dr. Babette Simon zeigte sich erfreut, dass das Konzept der European Medical School Oldenburg-Groningen den Wissenschaftsrat habe überzeugen können. „Dies ist eine historische Chance für die Universität und die Region. Nun bin ich zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der Rijksuniversiteit Groningen die Erprobungsphase dieses europaweit einmaligen grenzüberschreitenden Konzepts zum Erfolg führen werden“, betonte Simon und verwies darauf, dass das Thema Medizin die Universität schon seit 1971 beschäftigt. Damals hatte der Gründungsausschuss in der Hoffnung auf den Aufbau eines medizinischen Fachbereichs eine „Planungskommission Medizin“ eingerichtet. Auch in den Folgejahren stand die Einrichtung des Fachs Medizin immer wieder zur Diskussion. „Um die European Medical School Oldenburg-Groningen zum Erfolg zu führen, bedarf es nun einer sorgfältigen Planung und Umsetzung. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht zunächst die Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Wissenschaftsrats“, erklärte Simon zu den weiteren Planungen.
Für den Präsidenten der Rijksuniversiteit Groningen, Prof. Dr. Sibrand Poppema, „bietet die European Medical School die Chance, die seit rund 30 Jahren währende Kooperation der Rijksuniversiteit Groningen und der Universität Oldenburg weiter zu stärken und die Internationalisierung unserer Universitäten voranzutreiben“. Mit der Hanse Law School, der Juristenausbildung mit europäischer Ausrichtung, habe man bereits einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Mit der jetzt geplanten gemeinsamen Medizinerausbildung werde dieser Weg konsequent fortgesetzt.
Das Konzept der European Medical School Oldenburg-Groningen wurde in den vergangenen sieben Jahren maßgeblich von dem Neurobiologen und Rektor des Hanse Wissenschaftskollegs, Prof. Dr. Reto Weiler, und von Prof. Dr. Hans-Rudolf Raab, Chefarzt am Klinikum Oldenburg, vorangetrieben. „Die im Konzept vorgesehenen zukunftsorientierten Forschungsschwerpunkte Neurosensorik und Versorgungsforschung bauen auf hervorragende Vorleistungen der Universität und ihrer An-Institute auf und erhalten durch eine medizinische Fakultät die entscheidende Basis für ihre wissenschaftliche Weiterentwicklung“, betonte Weiler. Raab sagte, die Medizinerausbildung müsse neu gedacht und konzipiert und die europäische Dimension erschlossen werden. Zugleich müsse sie wissenschaftlicher und praxisnäher werden und wieder mehr Raum für die humanistischen Grundlagen der Medizin und die Persönlichkeitsbildung der zukünftigen Ärzte geben. Nicht zuletzt wolle man die medizinische Versorgung der gesamten Region verbessern, in dem der einzige weiße Fleck auf der Landkarte der deutschen Universitätsmedizin getilgt werde.
Im Mittelpunkt des Projekts steht ein innovatives Studienkonzept, bei dem von Beginn an Patienten im Zentrum stehen und das gleichzeitig wissenschaftliches Arbeiten befördert. Am Ende des sechsjährigen Studiums erhalten die Studierenden die Möglichkeit, entweder mit einem niederländischen Master of Science in Geneeskunde oder mit dem deutschen Staatsexamen abzuschließen. Beide Abschlüsse ermöglichen die ärztliche Tätigkeit in allen Staaten der Europäischen Union. Zugleich qualifiziert der Bachelor of Science nach drei Jahren für Tätigkeiten in medizinnahen Berufsfeldern, nicht jedoch für die ärztliche Tätigkeit. Studierenden mit einem medizinnahen naturwissenschaftlichen Bachelor-Abschluss kann über ein „Brückenjahr“ der Quereinstieg in das Curriculum des Masterstudiengangs ermöglicht werden.
Das Konzept der European Medical School umfasst den Aufbau einer Medizinischen Fakultät in Oldenburg und entsprechender klinischer Einrichtungen unter Beteiligung des Klinikums Oldenburg, des Evangelischen Krankenhauses und des Pius-Hospitals. „Wir beginnen damit modellhaft – mit Unterstützung des Universitätsklinikums Groningen – eine neue Art der Medizinerausbildung, die von Beginn an patientenzentriert und problemorientiert ausgerichtet ist“, erklärte Klinikum-Geschäftsführer Rudolf Mintrop stellvertretend für die beteiligten Krankenhäuser. (cdb)
www.wissenschaftsrat.de
www.uni-oldenburg.de/aktuell/50448.html