Projektbeschreibung
Projektbeschreibung
'Gentes' und 'nationes': Geschlechtergeschichte von Gemeinschaftskonzeptionen im 15./16. Jahrhundert
Während Nation und Nationalismus in der Moderne aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive bereits betrachtet worden sind, kamen mittelalterliche Gemeinschaftskonzeptionen von nationes und gentes („Völker“) aus geschlechtergeschichtlicher Sich bisher kaum in den Blick.
Die Frühneuzeit- und Geschlechterhistorikerin Claudia Ulbrich hat ‚Geschlecht‘ jedoch als eine zentrale „Kategorie sozialer Differenzierung“ definiert (Ulbrich, Geschlecht 2006). Davon ausgehend ist zu erwarten, dass gentes und nationes als bedeutende Kategorien in der Vormoderne eben auch nicht geschlechtsneutral waren.
Unser Projekt wird daher grundsätzlich der Frage nachgehen, inwiefern Geschlecht und gentes-/nationes-Konzept(ionen) einander bedingten. Dabei werden in einem größeren Umfang auch konkrete gentes- und nationes-Bezeichnungen und Konzepte (wie Franken, Italiener, Deutsche, Sachsen, Friesen, Türken, Sarazenen, Tartaren etc.) behandelt, aber auch kleinräumlichere Gemeinschaften wie beispielsweise Städte untersucht. Dabei fokussieren wir vor allem auf gelehrte Konzeptionen sowie die soziale Verortung und Verflechtungen der Gelehrten.
Im Projekt setzen wir zwei Forschungsfelder zueinander in Beziehung, die bisher selten in einen Austausch getreten sind, und führen sie in einem geschlechtergeschichtlichen Profil zusammen: einerseits Forschungen zu gentes und nationes im Mittelalter und in den humanistischen National- und Regionalnarrativen zur eigenen Vergangenheit und Verortung sowie andererseits zu Kulturkontakten und Repräsentationen fremder Völker und Kulturen in Reiseberichten und ethnographischen Kompendien. Für die Humanismusforschung scheint es zwingend geboten, das „mittelalterliche“ 15. und „frühneuzeitliche“ 16. Jahrhundert zusammen zu betrachten, für die Reiseberichtsforschung wurde dieser epochenübergreifende Zugriff häufig praktiziert, da die mit der Verbreitung des Buchdrucks exponentiell ansteigende Zahl verbreiteter Texte Kontinuitäten und Wandel pointiert in den Fokus brachte. Mit den erforderlichen zeitlichen Rückgriffen auf früh-und hochmittelalterliche Entwicklungen ist das Projekt am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte in Oldenburg angesiedelt. Darüber hinaus ist es gerade für dieses Thema unerlässlich, das Spannungsverhältnis zwischen vormodernen und modernen Kategorien grundsätzlich miteinzubeziehen.