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  • Planktonische Foraminiferen sind Kleinstlebewesen, die in den obersten Wasserschichten aller Ozeane leben. Sterben sie, sinken ihre kleinen Kalkgehäuse auf den Meeresgrund und bleiben dort im Sediment erhalten. Solche fossilen Foraminiferen dokumentieren den Zustand der Ozeane und ermöglichen durch deren Untersuchungen einen Blick in die Vergangenheit. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; M. Kucera

Die Zukunft der Artenvielfalt im Meer unter globaler Erwärmung

Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat die Artenvielfalt der Erde bereits stark beeinflusst. Der Lebensraum vieler Arten – auch in den Ozeanen – verschwindet, invasive Arten erobern neue Regionen. In einer umfassenden Datenauswertung hat ein Team von Forschenden aus Bremen und Oldenburg untersucht, wie sich die Artengemeinschaften im Nordatlantik über einen Zeitraum von 24.000 Jahren – seit der letzten Eiszeit – verändert haben. Erwartungsgemäß sind Arten nach Norden migriert, aber es haben sich auch neue Gemeinschaften gebildet – und zwar auch, nachdem sich die Temperaturen stabilisiert haben. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.

Pressemitteilung des MARUM

Neue Studie zeigt, wie Planktongemeinschaften gewandert sind und sich seit der letzten Eiszeit gewandelt haben

Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat die Artenvielfalt der Erde bereits stark beeinflusst. Der Lebensraum vieler Arten – auch in den Ozeanen – verschwindet, invasive Arten erobern neue Regionen. In einer umfassenden Datenauswertung hat ein Team von Forschenden aus Bremen und Oldenburg untersucht, wie sich die Artengemeinschaften im Nordatlantik über einen Zeitraum von 24.000 Jahren – seit der letzten Eiszeit – verändert haben. Erwartungsgemäß sind Arten nach Norden migriert, aber es haben sich auch neue Gemeinschaften gebildet – und zwar auch, nachdem sich die Temperaturen stabilisiert haben. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.

Korallenriffe leiden unter ozeanischen Hitzewellen, atlantische Arten treten vermehrt in der Arktis auf. Wie wird sich die Artenvielfalt bei anhaltender Erwärmung der Ozeane weiterentwickeln? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn das Leben hat eine Geheimwaffe im Schrank: die Evolution. Mit ihrer Hilfe können sich Arten auf neue Bedingungen anpassen. Evolution wirkt über Jahrhunderte und Jahrtausende und lässt sich daher in Laborexperimenten schwer erfassen. Mithilfe von Fossilien können Forschende einen Blick in die Vergangenheit werfen und so herausfinden, wie sich die Artenvielfalt während vergleichbarer Klimaveränderung in der Vergangenheit verändert hat. Forschende des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie des In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg (ICBM) haben dafür das Vorkommen von fossilen Planktonarten im Atlantischen Ozean nach der letzten Eiszeit untersucht. Sie fanden heraus, dass mit anhaltender Erwärmung der Ozeane viele Arten zuerst wie erwartet vermehrt in höhere Breiten gewandert sind. Überraschenderweise stellten sie aber fest, dass sich dabei auch neue Artengemeinschaften gebildet haben, und dass die Veränderung der Gemeinschaften nicht vollständig mit der Erwärmung der Ozeane einherging.

Für ihre Studie haben Anne Strack, Dr. Lukas Jonkers und Prof. Michal Kucera vom MARUM an der Universität Bremen sowie Dr. Marina C. Rillo und Prof. Helmut Hillebrand vom ICBM der Universität Oldenburg einen großen Datensatz über die Artenzusammensetzung von fossilen planktonischen Foraminiferen in 25 Sedimentkernen des Nordatlantiks von der letzten Eiszeit vor 24.000 Jahren bis in die heutige Warmzeit untersucht. So konnten die Forschenden genau nachverfolgen, wie sich die Artenzusammensetzung mit Beginn der letzten starken Erderwärmung in der Erdgeschichte, nach der letzten Eiszeit, im gesamten Nordatlantik verändert hat. Dabei entdeckte das Team unerwartete Muster. „Wir waren verblüfft, als wir merkten, dass sich die Artenzusammensetzung des Planktons noch lange weiter änderte, nachdem sich die Temperatur in der heutigen Warmzeit wieder stabilisiert hatte“, erklärt Erstautor:in Anne Strack.

„Es ist schon lange bekannt, dass sich Artengemeinschaften ändern, wenn sich deren Umgebung ändert. Steigt etwa die Meerestemperatur im Ozean, wandern Arten in höhere Breiten ab. Dieses Abwandern können wir auch in unseren Daten des Nordatlantiks beobachten. Das Erstaunliche ist aber, dass die „einheimischen“ Arten nicht gleich schnell abgewandert sind“, erklärt Anne Strack. Diese Asymmetrie zwischen Ein- und Auswanderung führte vor allem in den mittleren Breiten zur Bildung neuartiger Artengemeinschaften, die es so in der Eiszeit nirgends auf der Erde gab. „Noch erstaunlicher: Diese neu zusammengewürfelten Gemeinschaften waren kein flüchtiges Phänomen, sondern sie bleiben über mehrere tausend Jahre bestehen“, ergänzt Prof. Michal Kucera.

Somit liefern die Ergebnisse der Studie wichtige Hinweise für das Schicksal mariner Ökosysteme unter andauernder Erwärmung der Ozeane. Sie unterstützen Computer-Simulationen, die darauf hindeuten, dass auch die prognostizierte künftige Erwärmung zur Bildung neuer Artengemeinschaften führen wird. Etabliert sich eine neuartige Planktongemeinschaft, wirkt sich das auf wichtige Ökosystemfunktionen durch neue direkte oder indirekte ökologische Interaktionen aus. „Diese Studie trägt auch dazu bei, wie wir den heutigen rapiden Biodiversitätswandel verstehen, denn sie zeigt uns, dass wir erst weit in der Zukunft die Reaktion des Lebens im Meer auf heutige Umweltveränderungen sehen werden“, sagt Prof. Helmut Hillebrand.

Die Studie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Meeresgeolog:innen und Paläontolog:innen aus der Universität Bremen und Ökolog:innen aus der Universität Oldenburg im Rahmen des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“.

Originalveröffentlichung:

Anne Strack, Lukas Jonkers, Marina C. Rillo, Helmut Hillebrand, Michal Kucera: Plankton response to global warming is characterized by non-uniform shifts in assemblage composition since the last ice age. Nature Ecology & Evolution 2022. DOI: 10.1038/s41559-022-01888-8 [Link zur Veröffentlichung: https://www.nature.com/articles/s41559-022-01888-8]

Kontakt Bremen:

Anne Strack
MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, Uni­ver­si­tät Bre­men
Mi­kro­pa­lä­on­to­lo­gie – Pa­läo­zea­no­gra­phie
Telefon: 0421 – 218 65956
E-Mail:

Prof. Michal Kucera
MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, Uni­ver­si­tät Bre­men
Mi­kro­pa­lä­on­to­lo­gie – Pa­läo­zea­no­gra­phie
E-Mail:

Kontakt Oldenburg:

Dr. Marina C. Rillo
Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM)
Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg
E-Mail:

Prof. Helmut Hillebrand
Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM)
Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg
Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB)
E-Mail:

Das MARUM ge­winnt grund­le­gen­de wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se über die Rol­le des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens im ge­sam­ten Erd­sys­tem. Die Dy­na­mik des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens prä­gen durch Wech­sel­wir­kun­gen von geo­lo­gi­schen, phy­si­ka­li­schen, bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Pro­zes­sen maß­geb­lich das ge­sam­te Erd­sys­tem. Da­durch wer­den das Kli­ma so­wie der glo­ba­le Koh­len­stoff­kreis­lauf be­ein­flusst und es ent­ste­hen ein­zig­ar­ti­ge bio­lo­gi­sche Sys­te­me. Das MARUM steht für grund­la­gen­ori­en­tier­te und er­geb­nis­of­fe­ne For­schung in Ver­ant­wor­tung vor der Ge­sell­schaft, zum Wohl der Mee­res­um­welt und im Sin­ne der Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Na­tio­nen. Es ver­öf­fent­licht sei­ne qua­li­täts­ge­prüf­ten, wis­sen­schaft­li­chen Da­ten und macht die­se frei zu­gäng­lich. Das MARUM in­for­miert die Öffent­lich­keit über neue Er­kennt­nis­se der Mee­res­um­welt, und stellt im Dia­log mit der Ge­sell­schaft Hand­lungs­wis­sen be­reit. Ko­ope­ra­tio­nen des MARUM mit Un­ter­neh­men und In­dus­trie­part­nern er­fol­gen un­ter Wah­rung sei­nes Ziels zum Schutz der Mee­res­um­welt.

Das Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) ist ein interdisziplinär ausgerichtetes Institut der Universität Oldenburg mit Standorten in Oldenburg und Wilhelmshaven. Es ist das einzige universitäre Institut in Niedersachsen, das sowohl in der Forschung als auch in der Lehre breite Bereiche der Meereswissenschaften abdeckt. Derzeit gehören 26 Arbeitsgruppen verschiedener naturwissenschaftlicher Disziplinen – darunter Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und Ingenieurwissenschaften – zum Institut. Das ICBM betreibt das Küstenobservatorium Spiekeroog und ist Heimatinstitut des Forschungsschiffes SONNE.

(Stand: 20.06.2024)  | 
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