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Polarisationsmodulations-Infrarot-Reflexions-Absorptionsspektroskopie (PM IRRAS)

Spektroskopische oder mikroskopische Verfahren sind notwendig, um strukturelle Veränderungen in Molekülverbänden zu untersuchen, die an festen Oberflächen adsorbiert sind. Bei spektroskopischen Verfahren wird die Oberfläche mit elektromagnetischer Strahlung bestrahlt und die reflektierte oder durchgelassene Strahlung gemessen. Mit der Schwingungsspektroskopie werden Gas-, Flüssigkeits- und Festkörperphasen im infraroten Wellenlängenbereich untersucht. Die Infrarotspektroskopie (IRS) ist besonders attraktiv für die Strukturanalyse von Molekülverbänden an Grenzflächen, da sie:

1) die Identifizierung der molekularen Struktur und Konformation komplexer Moleküle (z. B. Biopolymere, Makromoleküle) gestattet;

2) verschiedene funktionelle Gruppen das IR-Licht bei unterschiedlichen Wellenlängen absorbieren, was eine gleichzeitige Analyse unterschiedlicher Spezies an der Grenzfläche ermöglicht;

3) eine komplexe Probenzusammensetzung die spektrale Auflösung und Empfindlichkeit des IRS nicht einschränkt;

4) keine Markierung erforderlich ist;

5) Untersuchungen von an festen Grenzflächen adsorbiertem Material mit einer auf Reflexion basierende Techniken erlaubt.

Um Struktur- und Konformationsänderungen in molekularen Filmen an festen Oberflächen (z. B. Elektroden) in situ zu untersuchen, verwenden wir die polarisationsmodulierte Infrarot-Reflexionsabsorptionsspektroskopie (PM IRRAS)

Gerät

Vertex 70 (Bruker) mit externer Reflexionseinheit (Bruker), Polarisationsmodulator und elektrochemische Zellen für diesen Aufbau

Grundlagen der Technik

Greenler zeigte, dass die Intensität des elektrischen Feldvektors eines von einer Metalloberfläche (z. B. Gold) reflektierten IR-Strahls von der Polarisation der einfallenden Strahlung abhängt. Bei p-polarisiertem Licht tritt an der Goldoberfläche eine konstruktive Interferenz auf, bei der das elektrische Feld senkrecht zur Oberfläche verstärkt wird (Abbildung 2a, 3). Die Intensität der reflektierten IR-Strahlung nimmt leicht ab, an der Goldoberfläche adsorbierte Stoffe einen Teil der Strahlungsintensität absorbieren. Daher enthält die reflektierte Strahlung Informationen über die Zusammensetzung der Adsorbatschicht. Das s-polarisierte Licht unterliegt einer destruktiven Interferenz und sein elektrischer Feldvektor, der parallel zur Probenoberfläche verläuft, hat an der Gold|Luft-Grenzfläche die Intensität Null ((Abbildung 2a, 3)). Daher kann das s-polarisierte Licht nicht mit den an der Grenzfläche vorhandenen Spezies interagieren, wird aber dennoch entlang des Strahlengangs (in der Atmosphäre des Spektrometers und in der Lösung über der Elektrode) Absorption verursachen. Es kann daher als Referenzspektrum dienen, das alle Absorptionen enthält mit Ausnahme der Moleküle, die sich direkt an der Probenoberfläche befinden.

Greenler arbeitete die theoretischen Grundlagen für die Entwicklung der Infrarot-Reflexions-Absorptions-Spektroskopie (IRRAS) aus. Die Absorption von dünnen Molekülfilmen an Grenzflächen ist jedoch sehr gering (im Bereich von 10-3 - 10-5 Absorptionseinheiten). Darüber hinaus wird der Umgebungshintergrund (H2O-Dampf und CO2) durch die Messung des Referenzspektrums nicht vollständig kompensiert.

1979 zeigten Hipps und Crosby, dass eine schnelle Modulation der Polarisation der einfallenden linear polarisierten elektromagnetischen Strahlung während der Aufnahme von IRS-Messungen ein doppelt moduliertes differentielles Reflexionsspektrum ergibt. Dies hat den großen Vorteil, dass ein starkes Hintergrundsignal in Bezug auf die Absorption der Moleküle an der Grenzfläche kompensiert wird. Einige Jahre später wurde das PM IRRAS eingeführt, um die Zusammensetzung, die Struktur und die Orientierung von organischen Molekülen zu untersuchen, die an metallischen Oberflächen adsorbiert sind. Dank des ausgezeichneten Signal-Rausch-Verhältnisses wurde diese Technik schnell zur Untersuchung von Monoschichten an Wasser-Luft- und Feststoff-Wasser-Grenzflächen eingesetzt. Die Spiegel für die IR-Strahlung sind metallische Oberflächen (Au, Pt, Ag oder Cu). Diese Materialien leiten den elektrischen Strom und werden üblicherweise in elektrochemischen Studien verwendet.

Die Grenzfläche zwischen dem Elektrodenmaterial und der Elektrolytlösung steht im Mittelpunkt der elektrochemischen Untersuchungen. PM IRRAS bietet hervorragende Möglichkeiten, potentialbedingte Veränderungen in der Struktur von molekularen Adsorbaten in situ zu analysieren. Dies gilt für Änderungen der Konformation, der Orientierung und der Solvatisierung von Molekülfilmen an Elektrodenoberflächen. In den letzten Jahren haben wir Erfahrungen bei der Untersuchung von redox-inaktiven und redox-aktiven Mono- und Multischichten aus kleinen organischen und metallorganischen Molekülen, ionischen Flüssigkeiten sowie Filmen aus Makromolekülen wie Polymeren, Proteinen oder DNA-Strängen gesammelt.

Modelle von biologischen Zellmembranen sind für uns ein wichtiger Forschungsgegenstand. Lipide und membranassoziierte Proteine haben eine anisotrope Orientierung mit einer deutlich erkennbaren Schichtstruktur, die in Abbildung 4a dargestellt ist. Da Lipide und Proteine IR-Licht bei unterschiedlichen Frequenzen absorbieren (z. B. CH-Valenzschwingungen in Acylketten oder C=O-Valenzschwingungen in Lipiden und Proteinen), ist eine gleichzeitige Analyse für jede Molekülsorte in der Membran auf der Goldoberfläche möglich. So kann ein supramolekularer Aufbau einer Modellmembran, wie in Abbildung 4a dargestellt, mit einer submolekularen Auflösung untersucht werden (Abbildung 4b).

Abbildung 4: a) Schematische Struktur einer Mehrkomponenten-Lipiddoppelschicht mit einem interagierenden Protein; b) schematisches IR-Spektrum, das die Absorptionsbanden verschiedener Molekülfragmente in der supramolekularen Lipid-Protein-Anordnung als Strichspektrum zeigt.

Orientierungsanalyse in geordneten Adsorbatschichten

Interessanterweise können sich die relativen Intensitäten der IR-Absorptionsmoden in einem anisotropen Film deutlich von denen in einer Bulk-Phase gemessenen Spektren unterscheiden. Abbildung 5 zeigt den Vergleich eines IR-Transmissionsspektrum von Lipidvesikeln in D2O (zufällige Orientierung der Moleküle, isotrop) und einer auf der Goldoberfläche adsorbierten Lipiddoppelschicht (geordnete Orientierung, anisotrop).

Abbildung 5. a) IR-Transmissionsspektrum im Bereich der CH-Streckungsmoden von DMPC-Vesikeln in D2O und b) PM-IRRA-Spektrum der DMPC-Doppelschicht auf einer Au-Oberfläche.

DMPC ist ein Phospholipoidmolekül mit zwei gesättigten Myristoylketten (C14). Ein DMPC-Molekül enthält 24 CH2- und zwei CH3-Gruppen. Sowohl Methylen- als auch Methylgruppen haben vergleichbare Extinktionskoeffizienten. Wie erwartet weisen die CH2-Streckungsmoden in DMPC-Vesikeln eine deutlich höhere Intensität auf als die Anregung der CH3-Valenzschwingungen. In der Doppelschicht zeigen die Absorptionen der CH3- und CH2-Gruppen jedoch vergleichbare Intensitäten.

Diese spektralen Veränderungen sind auf die Oberflächenauswahlregel von IRRAS zurückzuführen und werden zur Bestimmung der durchschnittlichen Ausrichtung verschiedener Molekülfragmente (z. B. Kohlenwasserstoffketten) in anisotropen Filmen verwendet. Die integrale Intensität eines bestimmten IR-Absorptionsmodus ist durch Gleichung 1 gegeben:

Gleichung (1)

wobei Gamma die Oberflächenkonzentration der adsorbierten Spezies, µ der Übergangsdipolvektor einer bestimmten Mode, E der Vektor des elektrischen Feldes der elektromagnetischen Strahlung und theta der Winkel zwischen diesen beiden Vektoren ist.

Um den theta-Winkel zu bestimmen, müssen also folgende Schritte durchgeführt werden:

1) Bestimmung der integralen Intensität einer bestimmten IR-Absorptionsmode. Bei überlappenden Moden: Peakformanalyse der IR-Absorptionsmoden (Bestimmung der zweiten Ableitung: Anzahl der IR-Absorptionsmoden, Peakanpassung mit Gauß- und Lorenzfunktionen)

2) Kenntnis der Orientierung des Übergangsdipolvektors in einer bestimmten IR-Schwingung

3) Der Vektor des elektrischen Feldes steht bei PM IRRAS senkrecht auf der Oberfläche.

Die Abschwächung der Intensitäten der CH2-Streckungsmoden in der DMPC-Doppelschicht hängt also mit der wohldefinierten Ausrichtung der Myristoylketten in der Membran zusammen. Abbildung 6 veranschaulicht diese Situation und zeigt beispielhafte Orientierungen einer Kohlenwasserstoffkette eines amphiphilen Moleküls, das an einer festen Oberfläche adsorbiert ist.

Abbildung 6 zeigt, dass der Winkel theta der durchschnittlichen Orientierung des Übergangsdipolmomentvektors bezüglich der Oberflächennormalen entspricht. Wenn diese beiden Vektoren senkrecht zueinander stehen, sinkt die integrale Intensität dieser IR-Absorptionsbande auf Null. Eine Kippung der Kohlenwasserstoffkette führt dagegen zu einem allmählichen Anstieg der Intensität dieser Bande, bis ein Maximalwert für die parallele Ausrichtung der beiden Vektoren erreicht wird.

Beachten Sie, dass der theta-Winkel nicht direkt aus dem PM IRRA-Spektrum bestimmt werden kann. Es ist ein Referenzsystem erforderlich. Als Referenzsystem dient ein Spektrum von zufällig orientierten Molekülen in einem Film mit einer bestimmten Dicke. Dieses Spektrum kann aus dem Transmissionsspektrum des untersuchten Moleküls in Lösung, z. B. einer Lösung von Lipidvesikeln, erhalten werden. In einem isotropen (zufällig orientierten) Film ist der durchschnittliche theta-Winkel zwischen den beiden Vektoren gleich 53,54 ° (magischer Winkel). Bei Kenntnis der integralen Intensitäten der IR-Absorptionsmoden aus PM-IRRAS-Experimenten und für den zufällig orientierten Film kann der theta-Winkel aus Gleichung (2) berechnet werden,

 

(Gleichung 2)

Anwendung von PM IRRAS

PM IRRAS wird für die qualitative und quantitative Analyse eingesetzt. Es ermöglicht die Identifizierung von Molekülen, die an der Grenzfläche vorliegen sowie die Identifizierung von Produkten aus elektrochemischen Reaktionen. Die selektive Verstärkung der IR-Absorptionsmodi bildet die Grundlage für die quantitative Analyse der Ausrichtung verschiedener funktioneller Gruppen in anisotropen Filmen. Wir haben fundierte Erfahrung in Studien zu 

  • den Strukturen von asymmetrischen Lipidmembranen von Säugetieren und Mikroben
  • den Konformationsänderungen, die mit Lipid-Protein-Wechselwirkungen einhergehen
  • den potentialbedingte Veränderungen der Konformation und Stabilität von DNA-Doppelhelixes, ihren Wechselwirkungen mit kleinen zwitterionischen Molekülen und Enzymen
  • der elektrische Doppelschicht von ionischen Flüssigkeiten
  • den potentialbedingten Veränderungen in Monoschichten aus redoxaktiven Metalltensiden mit gleichrichtenden Eigenschaften
  • Struktur, Konformation und Zusammensetzung von redoxaktiven Polymerfilmen
  • der potentialabhängige Fehlfaltung von Proteinfilmen
  • der Korrosion von Leichtmetallen wie Magnesium oder Aluminium.
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