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Uwe Meves

 

4. Juni 1999   153/99

Die unzähligen Briefe der Brüder Grimm

Oldenburg. Die Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm führten mit einem ungemein großen Personenkreis einen außergewöhnlich umfangreichen Briefwechsel, der eine kultur-historische und wissenschaftsgeschichtliche Quelle ersten Ranges darstellt. Ein 1995 in Oldenburg konstituiertes Herausgeberkollegium, dem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedener Fächer aus dem In- und Ausland angehören, bereitet unter der Leitung des Germanisten Prof. Dr. Uwe Meves eine kritische Edition dieses Briefwechsels in Einzelbänden vor, die auf ca. 30 Bände angelegt ist. Meves, der am Fachbereich Literatur- und Sprachwissenschaften der Universität Oldenburg Ältere deutsche Sprache und Literatur lehrt, berichtet über das Projekt in der jüngsten Ausgabe des Oldenburger Universitätsforschungsmagazins EINBLICKE (Uwe Meves, Die unzähligen Briefe der Brüder Grimm, EINBLICKE Nr. 29;
Internet: https://uol.de/presse/einblicke/29/meves.htm).

Jacob und Wilhelm Grimms Bekanntheitsgrad ist aufs engste verbunden mit ihrer erstmals 1812 erschienenen Märchensammlung. In der Wissenschaftsgeschichte sind ihre Namen in besonderer Weise mit der Entstehung und Konstituierung der Fachdisziplin Deutsche Philologie verknüpft. Jacob Grimms "Deutsche Grammatik" (1819 ff.) - eine Grammatik aller germanischen Sprachen - bildete einen Meilenstein der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft. Und das von den Brüdern begründete "Deutsche Wörterbuch" sollte sich zu einem Jahrhundertwerk deutscher Sprache entwickeln: der erste Band erschien 1854, abgeschlossen wurde das 33 Bände zählende Werk erst 1971.

Schon zu ihrer Zeit waren die Brüder Grimm als ausgewiesene Gelehrte und engagierte Bürger gleichermaßen bekannt. 1837 unterzeichneten sie zusammen mit fünf weiteren Göttinger Professoren eine Protestschrift gegen die Aufhebung des hannoverschen Staatsgrundgesetzes durch Ernst August II. Die sieben Professoren wurden entlassen, Jacob Grimm und zwei weitere Unterzeichner zudem des Landes verwiesen.

Am 19. Mai 1848 wählten die Wahlmänner des Wahlbezirks Essen-Mühlheim den 63jährigen Jacob Grimm als Nachfolger Ernst Moritz Arndts zu ihrem Abgeordneten in der Frankfurter Nationalversammlung. Sie wählten damit einen "Stern erster Größe" - wie die Kölnische Zeitung am selben Tag formulierte -, einen hochberühmten Gelehrten, einen aufrechten Patrioten und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. In seinem Dankschreiben an den Wahlkommissar bekannte Jacob Grimm seine politische Überzeugung: "Ich bin für ein freies, einiges Vaterland unter einem mächtigen König ...“ Während sich Jacob Grimm 1848 noch "gegen alle republikanischen Gelüste" erklärte, scheint er sich am Ende seines Lebens radikaleren politischen Vorstellungen geöffnet zu haben. Wenige Jahre vor seinem Tod schrieb der über 70jährige an den Historiker Waitz: "Wie oft muß einem das traurige Schicksal unsers Vaterlandes in den Sinn kommen und auf das Herz fallen und das Leben verbittern. Es ist an gar keine Rettung zu denken, wenn sie nicht durch große Gefahren und Umwälzungen herbeigeführt wird ... Es kann nur durch rücksichtslose Gewalt geholfen werden. Je älter ich werde, desto demokratischer gesinnt bin ich. Säße ich nochmals in einer Nationalversammlung, ich würde viel mehr mit Uhland, Schoder stimmen, denn die Verfassung in das Geleise der bestehenden Verhältnisse zu zwängen, kann zu keinem Heil führen... "

Der zitierte Brief verdeutlicht zugleich, welch wichtige Quelle Briefe für die Forschung darstellen. Das gilt insbesondere für eine Zeit, in der ein beträchtlicher Teil des wissenschaftlichen Meinungsaustauschs und der fachlichen Diskussion in Briefwechseln stattfand. Das Grimmsche Lebenswerk insgesamt entstand im engen Arbeitskontakt und Gedankenaustausch mit zahlreichen bedeutenden Gelehrten (wie Georg Friedrich Benecke und Karl Lachmann), mit berühmten Persönlichkeiten des literarischen und öffentlichen Lebens, mit heute mehr oder weniger bekannten Zeitgenossen. Das gewaltige Ausmaß des Grimmschen Briefwechsels - es ist mit mindestens 30.000 Briefen zu rechn

(Stand: 19.01.2024)  | 
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