Pressemitteilungen

13. März 2006   077/06  

HistorikerInnen gegen Vertriebenendenkmal auf Oldenburger Bahnhofsvorplatz
Offener Brief an Kulturausschuss

Oldenburg. In einem offenen Brief wenden sich Oldenburger HistorikerInnen, die zum größten Teil dem Institut für Geschichte der Universität angehören, gegen Pläne, auf dem Bahnhofsvorplatz in Oldenburg ein Vertriebenendenkmal zu errichten. Am Dienstag, 14. März 2006, befasst sich der Kulturausschuss der Stadt mit dem Thema. Der Brief im Wortlaut:

„Den Diskussionsprozess um ein neues Vertriebenendenkmal haben wir als in Oldenburg lebende und arbeitende Historiker bereits im letzten Jahr kritisch begleitet. Im vergangenen Sommer haben wir in Kooperation mit der Stadt eine weithin beachtete öffentliche Vortragsreihe zum Thema mit anschließender Podiumsdiskussion ausgerichtet, die mittlerweile in gedruckter Form von der Stadt dokumentiert ist.
In der Sitzung des Kulturausschusses am kommenden Dienstag soll nun über einen Ort für ein neues Denkmal entschieden werden. Vorgeschlagen wird der Vorplatz des Oldenburger Bahnhofes. Aus unserer Sicht als Historiker ist dieser Ort für ein solches Denkmal alles andere als geeignet.
Wie andere Bahnhöfe in Deutschland auch ist der Oldenburger Bahnhof aufgrund seiner Funktion für die Deportation der Juden eng mit der Geschichte des Holocausts verbunden. Er besitzt in dieser Hinsicht eine wichtige Erinnerungsfunktion. In vielen Städten gibt es entsprechende Gedenkhinweise, so z.B. in Dresden-Neustadt oder in Bielefeld. Auch im benachbarten Ausland wurden Bahnhöfe und Bahnstrecken mit Blick auf die Deportation der jüdischen Bevölkerung zu Gedenkorten erklärt, z.B. in den Niederlanden die Strecke vom Lager Westerbork zur deutschen Grenze und damit auf dem Weg zum Vernichtungslager Ausschwitz.
Mit einem Vertriebenendenkmal am Oldenburger Bahnhof würde die Stadt Oldenburg innerhalb der bundesdeutschen und europäischen Erinnerungslandschaft eine bedenkliche Neuinterpretation des Bahnhofs als Erinnerungsort vornehmen. Die Erinnerung an den Holocaust würde damit von der Erinnerung an die Vertreibung überlagert. Aus historischer Sicht ist daher dringend von einer derartigen Ortswahl abzuraten.“
UnterzeichnerInnen sind: Dr. Heike Düselder, Prof. Dr. Hans Henning Hahn, Prof. Dr. Ernst Hinrichs, Dr. Katharina Hoffmann, Dr. Christoph Reinders-Düselder, Dr. Stephan Scholz, Dr. Joachim Tautz, Dr. Tobias Weger

ⓚ Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Scholz, Institut für Geschichte, Universität Oldenburg, Tel. 0441/798-4681, Fax: -3021, E-Mail: stephan.scholz(Klammeraffe)uni-oldenburg.de
 
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