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Wolf-Dieter Scholz

 

29. Juni 2006   240/06   Forschung

Jugendliche sagen Ja zur Familie
Aber Offenheit auch gegenüber anderen Formen der Partnerschaft

Oldenburg. Familie hat Zukunft! Dieses Fazit jedenfalls ziehen die Oldenburger Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Friedrich W. Busch und Prof. Dr. Wolf-Dieter Scholz aus einer empirischen Untersuchung, in deren Rahmen 9000 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren aus Polen, Litauen, Deutschland, Spanien, Chile und Südkorea zu ihren Vorstellung von Familie befragt wurden.
Trotz Geburtenrückgang, steigender Scheidungszahlen, abnehmender Eheschließungen und wachsender Kinderlosigkeit in den sechs Ländern könne keineswegs davon gesprochen werden, dass sich die Familie aus Sicht der jungen Menschen in einer Krise befinde oder dass sie gar ein auslaufendes Modell sei, erklärten die Wissenschaftler. Die große Mehrheit der Jugendlichen in allen untersuchten Ländern zeigten sich zwar aufgeschlossen gegenüber neuen Formen des partnerschaftlichen Zusammenlebens, strebten aber für die eigene Lebensplanung die Ehe und die Gründung einer Familie an.
Nach der Studie wollen 77% der deutschen Befragten zwar zunächst unverheiratet mit einem Partner zusammenleben; 66% von ihnen verstehen das aber als „Ehe auf Probe“. Nur 7% lehnen nichteheliche Lebensgemeinschaften grundsätzlich ab. Trotz der großen Offenheit gegenüber nichtehelichen Formen des Zusammenlebens hat die Ehe für 70% auch in Zukunft eine große Bedeutung. Lediglich 14% halten sie für eine überholte Einrichtung.
Für 90% ist die Liebe das entscheidende Moment für eine Ehe, 73% sehen in ihr die Lebensform, in der sie am ehesten geborgen und sicher sind: Für 62% ist der Kinderwunsch der Auslöser für die Ehe.
Gegenseitigen Respekt und Toleranz, emotionale Treue und die Bereitschaft zum Verzeihen halten 95% aller deutschen Jugendlichen für die Grundlagen einer guten Ehe. Die sexuelle Treue hat mit 83% eine etwas geringere Bedeutung.
Obwohl in den untersuchten Ländern die Zahl der Geburten rückläufig ist, sei es ein Irrtum zu glauben, dass sich in der wachsenden Kinderlosigkeit eine normative Abkehr von der Familie oder eine sinkende Wertschätzung von Kindern ausdrücke, sagten Busch und Scholz. Das Gegenteil sei der Fall. Kinder, Ehe und Familie blieben für die meisten jungen Menschen die ideale Lebensform - auch dann, wenn sie selber keine Kinder wollten oder sich in einer anderen Form des Zusammenlebens befänden.
76% der befragten deutschen Jugendlichen wünschen sich eigene Kinder. Nur knapp 6% sprechen sich ausdrücklich dagegen aus. Dabei entspricht die Vorstellung über die Zahl der Kinder weitgehend der heutigen durchschnittlichen Kinderzahl: ein bis zwei Kinder wünschen sich 71%.
Beim Wunsch nach Kindern spielen auch die Erfahrungen aus der eigenen Kindheit eine wichtige Rolle. 52% haben so gute Erfahrungen mit Geschwistern gemacht, dass sie aus diesem Grund eigene Kinder wünschen. Ehe und Kinder werden aber deutlich entkoppelt. Nur noch 55% sehen hier einen „natürlichen Zusammenhang“, ebenso wenige sehen in Kindern eine Voraussetzung für eine glückliche Ehe.
Auch in den gesellschaftlichen Konfliktfeldern wie Ehescheidung und Abtreibung zeige die große Mehrheit eine eher unaufgeregte und pragmatische Grundhaltung. Für 90% der deutschen Jugendlichen ist die Scheidung die ultima ratio: Gewalt in der Ehe, erloschene Liebe und sexuelle Untreue werden als Scheidungsgründe akzeptiert.
Bei der Frage nach einer Abtreibung zeigt sich ein ähnliches Bild. Nur 13% der deutschen Jugendlichen sind uneingeschränkt dagegen, für 80% wird die Zustimmung zur Abtreibung von einer außergewöhnlichen Notsituation abhängig gemacht. Dazu gehören Krankheiten der Mutter, wirtschaftliche Not und Schwangerschaft Weitere 17% sind grundsätzlich dafür.
59% wünschen sich ein Zusammenleben, in dem beide Partner einen Beruf haben und sich die Arbeiten im Haushalt und in der Betreuung der Kinder teilen. Weitere 26% sind zwar im Grundsatz für eine Erwerbstätigkeit beider Partner, im Falle von Kindern sollte diese aber für die Frau eingeschränkt werden.
Die traditionelle Rollenverteilung, nach der der Mann erwerbstätig ist, die Frau den Haushalt macht und die Kinder betreut, wird nur noch von 5% als wünschenswert genannt. Hier gibt es aber zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den Frauen und den Männern. Das Modell der partnerschaftlich-egalitären Lebensform wird von den jungen Frauen deutlich häufiger genannt. Der Weg vom Pascha zum Partner werde zwar auch bei den Männern von der Mehrheit beschritten, das Ziel sei aber noch nicht erreicht, betonten Busch und Scholz.
Die Ergebnisse aus den anderen Ländern entsprechen nach Auskunft der Wissenschaftler in der Tendenz denen der deutschen Befragung. Das gelte erstaunlicherweise auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, für die sogar von etwa 50 % die rechtliche Gleichstellung mit der Ehe befürwortet werde. Es dominierten in allen Ländern eher liberal-offene als konservativ-geschlossene Vorstellungen über Familie, Partnerschaft, Kinder, Ehescheidung und Abtreibung, betonten die Wissenschaftler. Diese Orientierungen finden sich wiederum ausgeprägter in Deutschland und Spanien als in Polen und Südkorea. Insgesamt seien die Ergebnisse der Studie deutliche Indikatoren für die These, dass sich im Zuge der ökonomischen und technischen Globalisierung auch auf der Ebene normativer Orientierungen Globalisierungseffekte nachweisen ließen.
Die Studie wurde maßgeblich von der EWE Stiftung gefördert.

Publikationen zu der Studie:
Busch, Friedrich W./Scholz, Wolf-Dieter (Hg.):
Familienvorstellungen zwischen Fortschrittlichkeit und Beharrung. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von Ehe- und Familienvorstellungen Jugendlicher im internationalen Vergleich. Schriftenreihe Familie und Gesellschaft, Band 19, Würzburg 2006 (Ergon Verlag)

Scholz, Wolf-Dieter/Busch, Friedrich W./Briedis, Kolja:
Ehe – Familie –Partnerschaft. Wie denken und urteilen Jugendliche über das Zusammenleben der Geschlechter? Eine empirische Untersuchung in der Weser-Ems-Region, Oldenburg 2006 (BIS-Verlag)

ⓚ Kontakt:
Prof. Dr. Friedrich.W. Busch, Tel.: 04402/4409, E-Mail: friedrich.busch(Klammeraffe)uni-oldenburg.de,
Prof. Dr. Wolf-Dieter Scholz, Tel.: 0441/798-2069, Privat: 04456/523, E-Mail: wolf.d.scholz(Klammeraffe)uni-oldenburg.de
 
(Stand: 19.01.2024)  | 
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