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Heribert Cypionka

6. September 2017   302/17    Forschung

Riesenbakterium mit multipler Identität

Forscher aus Berlin und Oldenburg finden genomische Vielfalt in größtem Süßwasserbakterium

Oldenburg. „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ Diese von dem deutschen Philosophen Richard David Precht aufgeworfene Frage gewinnt beim größten bekannten Süßwasserbakterium Achromatium oxaliferum eine biologische Dimension, wie ein Forscherteam aus Berlin und Oldenburg herausgefunden hat. Demnach enthält es eine Vielzahl verschiedener Genome und nicht etwa – wie bislang in Bakterien gefunden – höchstens identische Kopien eines einzigen Chromosoms mit den genetischen Informationen. Ihre Erkenntnisse publizieren die Wissenschaftler des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Berlin in der heute erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift „Nature Communications“.

„Normalerweise tragen Bakterien als die einfachsten Lebewesen ihre genetischen Informationen auf einem einzigen Chromosom“, so der Paläomikrobiologe und Co-Autor Prof. Dr. Heribert Cypionka vom ICBM. „Als Ausnahmen sind etwa bestimmte große Schwefelbakterien bekannt, bei deren Chromosomen es sich um identische Kopien handeln soll.“ Diese Annahme überprüfte das Forscherteam um Cypionka anhand des Süßwasserbakteriums Achromatium oxaliferum, das im brandenburgischen Stechlinsee in den oberen Schichten des Sediments zu finden ist. Einzelne Zellen dieses Bakteriums sind so groß wie kleine Sandkörner, so dass sie sich vor schwarzem Hintergrund mit bloßem Auge als helle Punkte erkennen lassen. Diese Bakterien sind nicht nur angefüllt mit kleinsten Kalkkristallen und Schwefeltropfen, sondern enthalten auch bis zu 300 DNA-Spots, Ansammlungen von Erbgut, die mit Farbstoffen unter dem Fluoreszenz-Mikroskop sichtbar werden.

Die Wissenschaftler konnten mithilfe der sogenannten Metagenomik und Einzel-Zell-Genomanalysen zeigen, dass diese DNA-Spots nicht etwa identische Erbgut-Kopien enthalten, sondern dass in verschiedenen Bereichen einzelner Zelle jeweils andere Gene auftreten. Einzelne Bakterien, die von ihrer äußeren Form her eine Zelle bilden und sich auch so teilen, beherbergen demnach eine genetische Vielfalt, wie sie für eine ganze Population erwartbar wäre und bilden einen „bakteriellen Superorganismus“. Möglicherweise können „springende Gene“, sogenannte Transposons, von denen eine große Anzahl in den Zellen gefunden wurde, dieses Phänomen erklären.

Danny Ionescu, Mina Bizic-Ionescu, Nicola De Maio, Heribert Cypionka, Hans-Peter Grossart (2017): Community-like genome in single cells of the sulfur bacterium Achromatium oxaliferum. Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-017-00342-9

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Zelle des Bakteriums Achromatium oxaliferum unter dem Mikroskop. Man erkennt große Calciumkristalle, Schwefeltröpfchen sowie grün fluoreszierende DNA-Spots. Foto: Heribert Cypionka / Universität Oldenburg

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Kontakt

Prof. Dr. Heribert Cypionka, Tel.: 0441/798-5360, E-Mail:

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