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"Verschuldungsargumente lasse ich nicht gelten"

Michael Daxner über Studiengebühren

Der von 1986 bis 1998 amtierende Präsident der Universität Oldenburg, Prof. Dr. Michael Daxner, ist seit langer Zeit Befürworter eines Hochschulfinanzierungssystems zur Verbesserung der Ausbildungsqualität, das die Beteiligung der Studierenden nicht ausschließt. Als Hochschulexperte ist er ein national und international viel gefragter Berater.

UNI-INFO: Herr Daxner, Sie waren acht Jahre lang Mitglied des österreichischen Universitätskuratoriums, das die Bundesregierung bei der Reform der österreichischen Hochschulen beraten hat. Dazu gehörte die Einführung von Studiengebühren. War dieser Schritt richtig für Österreich?

DAXNER: Ich denke, für Österreich war der Schritt richtig und notwendig und hat sich im Rahmen dessen, was man nach so kurzer Zeit absehen kann, bewährt.

UNI-INFO: Auch wenn man bedenkt, dass zunächst die Studentenzahl um 15 Prozent gesunken ist?

DAXNER: Tatsächlich sind zunächst 15 Prozent der Studierenden aufgrund der Gebühren ausgeschieden. Aber nach drei Semestern war der alte Stand wieder erreicht. Das widerlegt die These von der Abschreckung durch Studiengebühren, die ja im Übrigen nicht sehr hoch sind - gut 360 €.

UNI-INFO: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wollen nun viele Länder - in erster Linie die von der CDU regierten - Studiengebühren einführen. Ist das auch für Deutschland der richtige Schritt?"

DAXNER: Das würde ich so nicht sagen. Ob Studiengebühren richtig oder falsch sind, liegt immer am Gesamtsystem. Negativ empfinde ich das Begehren vieler Finanzminister, sich einfach auf Kosten der Studierenden zu sanieren. Das ist unmoralisch und ich denke auch dumm. Richtig finde ich, dass das Bundesverfassungsgericht die soziale Frage mit den Studiengebühren verkoppelt hat. Das heißt, es wird endlich notgedrungen zu einer Ablösung des BAFöG durch ein vernünftiges System kommen.

UNI-INFO: Dafür haben Sie vor zehn Jahren schon plädiert. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?

DAXNER: Ja, ich fühle mich vor allem dadurch bestätigt, dass parteiübergreifend in ganz vielen Ländern über eine kreditierte Unterstützung der Unterhaltungskosten der Studierenden unabhängig der familiären und sozialen Herkunft nachgedacht wird. Ich habe damals in einem Gutachten für die Bundestagsfraktion der Grünen eine „umgekehrte Rente“ vorgeschlagen. Zuerst kommt das Geld mit dem Vorteil, dass Studierende nicht erwerbstätig sein müssen. Und nachher werden sowohl der Betrag für Unterhaltskosten als auch die Studiengebühren zurückgezahlt - je nach Einkommen. Verschuldungsargumente lasse ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht gelten. Das ist ideologisch und sehr aggressiv gegenüber dem nichtstudierenden Teil der Bevölkerung, der ja erheblich an der Finanzierung der Universitäten durch Steuern beteiligt ist und nicht das Privileg des Studiums genießt.

UNI-INFO: Sind Studiengebühren aus Ihrer Sicht sozial gerecht?

DAXNER: Sie können das sein. Allerdings nur, wenn die Qualität und die Studienbedingungen durch sie unmittelbar - ich betone unmittelbar - verbessert werden. Was nicht geht, ist, dass die Studierenden etwa die Forschungsleistung einer Universität subventionieren und ihre Studienbedingungen schlecht bleiben.

UNI-INFO: Also eine deutliche Festlegung nur für die Lehre.

DAXNER: Ja. Die Länder, die Studiengebühren einführen, sollten den österreichischen Gesetzestext übernehmen. Der lautet schlicht: Die Studienbeiträge verbleiben in den Hochschulen. Ohne irgendeine Relativierung. Und wichtig ist: Die Studierenden müssen bei der Verteilung dieser Gelder mitbestimmen.

UNI-INFO: Das Verteilungsrecht sollte also nicht allein beim Präsidium liegen?

DAXNER: Die Hochschulleitungen müssen wissen, dass die Studierenden mit der Zahlung eines einzigen Euro mehr Rechte erwerben. Das heißt, sie können bestimmte Mindestqualitäten von Leistungen an den Hochschulen einklagen. Das empfinde ich unter den schwierigen Umständen, unter denen wir uns jetzt befinden, als einen Vorteil. Die Hochschulen müssen sich mehr einfallen lassen als bisher.

UNI-INFO: Sind bessere Studienbedingungen und damit auch eine Qualitätssteigerung durch die Gebühren wahrscheinlich?

DAXNER: Wie gesagt, nur dann, wenn die Studiengebühren nicht benutzt werden, um leere Haushaltskassen zu füllen. Wenn das geschehen sollte, bin ich ganz auf der Seite der protestierenden Studierenden. Vernünftig verwandte Studiengebühren können aber selbstverständlich die Qualität steigern - und zwar ganz erheblich. Die Schaffung von Tutorien im großen Stil und die Verbesserung der Lehrmaterialien sind nur zwei Beispiele. Wir brauchen kleine Arbeitsgruppen, genügend Studienmaterial, intensive Beratung und Betreuung. Dafür wird relativ immer weniger ausgegeben. Dieser Trend kann unter studentischer Mitbeteiligung umgekehrt werden.

UNI-INFO: Haben Sie Verständnis für Studierende, die Studiengebühren grundsätzlich ablehnen?

DAXNER: Ich denke, wenn man ohne äußeren Druck eine Abstimmung machen würde, würden etwa 60 bis 70 Prozent aller Studierenden der Einführung zustimmen, wenn die von mir genannten Randbedingungen erfüllt werden. Aber das Wichtigste ist doch was ganz anderes: Selbst noch höhere Studiengebühren als die geplanten machen maximal zehn Prozent der Lebenshaltungskosten der Studierenden während eines Jahres aus.

UNI-INFO: In den Niederlanden und in Großbritannien sind die Studiengebühren seit ihrer Einführung vor mehr als einem Jahrzehnt erheblich erhöht worden

DAXNER: Da unserer System noch auf sehr viele Jahre hinaus ein praktisch rein öffentliches sein wird, denke ich, dass sich Erhöhungen in Grenzen halten werden. Mehr als die Inflationsrate wird es wohl nicht werden.

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Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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