Hochschulzeitung UNI-INFO

Inhalt 2/2011

Kultur

„Mal etwas Eigenes“

Persephonyx-Autor Sven Linker über das studentische Literatur-Magazin, die Persephonyx-Lesung im Januar und sein literarisches Schaffen.

UNI-INFO: Wie sind Sie auf Persephonyx aufmerksam geworden?

LINKER: Von Persephonyx habe ich das allererste Mal vor anderthalb Jahren erfahren. In der Mensa lagen Flyer mit der groben Information aus, dass es sich um ein Projekt für Studierende der Universität Oldenburg handelt, die gerne schreiben. Und dann wollte ich mehr wissen.

UNI-INFO: Was gefällt Ihnen an dem Konzept?

LINKER: Ich finde die Idee, Studierenden die Möglichkeit zur Veröffentlichung ihrer literarischen und künstlerischen Arbeiten zu geben, ausgesprochen gut. Ich selbst habe auch mal ein kleines literarisches Heft herausgegeben, aber dann zu wenig Zeit dafür gehabt. Deswegen war ich froh, dass nun andere Leute etwas Ähnliches auf die Beine gestellt haben. Das Projekt wollte ich auf jeden Fall unterstützen, und da ich nicht die Zeit hatte, daran mitzuarbeiten, habe ich Texte eingeschickt. Mittlerweile bin ich zum dritten Mal dabei.

UNI-INFO: Wovon handelt Ihre Kurzgeschichte im aktuellen Heft?

LINKER: Um es knapp auf den Punkt zu bringen: Die Liebe kommt gewissermaßen als Person zu Besuch. Auf die Idee kam ich mit meinen WG-Mitbewohnern bei einem Kneipenabend. Wir pflegen einen ziemlich rüden Umgangston und haben uns gefragt: Was würde eigentlich passieren, wenn die Liebe an die Tür klopfen würde und wir mit einem „Ey, verzieh dich!“ reagierten? Zurück in meiner WG habe ich dann sofort angefangen zu schreiben. Die Geschichte – und eben die Liebe – haben schnell Gestalt angenommen.

UNI-INFO: Sie haben Ihren Text bei der Persephonyx-Lesung im Januar vorgetragen. Was war das für ein Gefühl?

LINKER: Es hat mir richtig Spaß gemacht! Ich war zwar aufgeregt, weil ich zum ersten Mal etwas Eigenes präsentiert habe, etwas, das nichts mit dem Studium zu tun hat. Aber ich mag es, auf der Bühne zu stehen, vor Publikum zu reden und ein direktes Feedback zu bekommen. Schön war auch zu sehen, was für Menschen hinter den Beiträgen des Hefts stecken. Manche Geschichten haben durch den Vortrag gewaltig gewonnen. Außerdem ist diese Lesung ein guter Schritt, mehr Leute auf Persephonyx aufmerksam zu machen.

UNI-INFO: Wie hat sich Persephonyx in der letzten Zeit entwickelt?

LINKER: Zunächst mal ist das Heft immer dicker geworden, es hat also zunehmend Anklang gefunden. Aber auch die Redaktion ist gewachsen. Außerdem hat sich die Druckqualität enorm verbessert.

UNI-INFO: Sind Sie bei der nächsten Ausgabe wieder mit von der Partie?

LINKER: Wenn ich darf, werde ich wieder etwas einreichen. Es ist für mich ein Ansporn, einen Text noch mal in die Hand zu nehmen, zu überarbeiten, zu kürzen und besser zu strukturieren. Persephonyx gibt mir ein Ziel, auf das ich hinarbeiten kann. Denn es ist etwas ganz anderes, bloß im stillen Kämmerlein zu schreiben, als etwas einzureichen und auch zu wollen, dass es veröffentlicht wird.
Die Fragen stellte Mareike Lange

Auszug aus der Kurzgeschichte „Die Liebe“

Es klopfte.
„Ja, ja, immer mit der Ruhe.“
Karl schlurfte zur Tür und öffnete sie verkatert.
„Was gibt’s?“
Und da stand sie, die Liebe. Wunderschön wie immer.
„Was willst du denn hier?“ fragte Karl genervt.
„Öhm, naja – rein?“
„Und wieso? Wieso jetzt auf einmal?“
„Hey komm, sei mal nicht so verspannt. Wenn die Liebe an deine Tür klopft, machst du dann nicht auf?“
Karl verdrehte die Augen.
„Doch. Offensichtlich. Ist aber keine Antwort auf meine Frage.“
Die Liebe wirkte verletzt.
„Ach – ich dachte, ich schau mal vorbei.“
Wer weiterlesen möchte: Persephonyx wird für 1 Euro am Stand im Mensafoyer und bei CvO Unibuch verkauft. Der Erlös kommt den nächsten Ausgaben des Magazins zugute.

info www.germanistik.uni-oldenburg.de/persephonyx

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„Der Diskurs war nie rational“

Der Oldenburger Historiker Prof. Dr. Thomas Etzemüller ist Autor des 2007 erschienenen Buchs „Ein ewigwährender Untergang. Der apokalyptische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert.“ Anlässlich des Auftritts von Thilo Sarrazin Anfang Januar in Oldenburg sprach UNI-INFO mit dem Historiker über Sarrazins Thesen.

UNI-INFO: Herr Etzemüller, wie beurteilen Sie Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“?

ETZEMÜLLER: Es trägt nicht das Geringste zur Lösung von Problemen bei, weil es einfach Ressentiments aufwärmt, die über 100 Jahre alt sind. Es entwirft ein bewusst einseitiges Bild der aktuellen Situation; jeder Experte, der zu anderen Schlüssen kommt, wird als „Gutmensch“ abqualifiziert, teilweise wird sogar die Literatur eindeutig falsch wiedergegeben. Das Buch hat noch nicht einmal eine Debatte angestoßen, wie immer wieder behauptet wird. Die relevanten Fragen werden schon längst diskutiert. Dieses Buch behindert die Debatte eher, wie die jüngsten Angriffe auf Muslime in Berlin ja offenbar zeigen.

UNI-INFO: Ist Sarrazin also ein Widergänger?

ETZEMÜLLER: Diskurstheoretisch müsste man ihn sogar als „Sprechmaschine“ bezeichnen. Ich habe in einem Forschungsprojekt herausgearbeitet, dass das Sprechen über Bevölkerung seit dem 19. Jahrhundert bestimmten Regeln gehorcht. Die ganzen Versatzstücke, die der ehemalige Finanzsenator bringt, findet man fast wörtlich in allen Texten zur Bevölkerungsfrage im 20. Jahrhundert, etwa in einem Bestseller von 1932, Friedrich Burgdörfers „Volk ohne Jugend“: Wir werden in 300 Jahren ausgestorben sein, die Bevölkerung überaltert, sie wird durch einströmende Ausländer „überfremdet“, die Unterschichten bedrohen das Humankapital. Nichts Neues in dieser Frage also, der Diskurs spricht wie eh und je.

UNI-INFO: Treffen Sarrazins „apokalyptische Prognosen“, unterstützt von Teilen der Medien, offenbar ins Schwarze des Zeitgeists?

ETZEMÜLLER: Sie treffen nicht ins Schwarze des Zeitgeists, sondern nur ins Schwarze bei denen, die an einfachen „Lösungen“ interessiert sind, die Sündenböcke suchen und keine Lust haben, sich mit komplexen Problemen zu beschäftigen, bei denen dicke Bretter gebohrt werden müssen.

UNI-INFO: Was tun, um den öffentlichen Diskurs wieder auf rationale Bahnen zu lenken?

ETZEMÜLLER: Dieser Diskurs war noch nie rational. Wir werden diese Form der Skandalisierung hinnehmen müssen, weil zu viele Leute Geld damit verdienen und sich zu viele davon angesprochen fühlen. Die Politik muss Integration endlich auf eine konstruktive Weise angehen. Sie darf nicht länger nach dem Modell „zuerst strafen, dann sicherheitshalber noch einmal strafen, dann verbieten, und wenn die sich dann nicht integrieren, hat man’s ja gewusst“ verfahren. Glücklicherweise beginnt sich der Ton seit einiger Zeit zu ändern, aber nachdem man Jahrzehnte die Lebenslüge, Deutschland sei kein Einwandererland, gepflegt hat (und durchaus noch pflegt), ist das überfällig. Nur eine Politik, die erfolgreich Integration fördert, wird die Debatte abkühlen können. Ausländerfeinde wird es aber immer geben.

Die Fragen stellten Mareike Lange und Manfred Richter

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Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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