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EINBLICKE 22 / Herbst 1995

Weitsicht

Der 5. September 1995 wird voraussichtlich in die Geschichte der Universitäten Oldenburg und Bremen als ein wichtiges Datum eingehen. An diesem Tag stimmte die Landesregierung in Hannover endgültig der Errichtung eines gemeinsamen Wissenschaftskollegs in Delmenhorst zu. Nicht wenige hatten das Projekt, das vor drei Jahren durch die Regierungen beider Länder aus der Taufe gehoben wurde, mehrfach abgeschrieben - zuletzt als es im August auf die Liste der zu überprüfenden Vorhaben gesetzt wurde, um die großen Finanzlöcher des niedersächsischen Haushalts zu stopfen. Was schien näher zu liegen, als ein Projekt zu liquidieren, das sehr viele im Lande gar nicht wünschen? Manche sehen im Wissenschaftszentrum lediglich eine Profilierungsmöglichkeit für die beiden jungen Hochschulen, andere halten es angesichts der hohen Studentenzahlen und gleichzeitigem Stellenabbau für einen unerträglichen Luxus in der Hochschullandschaft.

So scheint es auch. Im Hanse-Wissenschaftszentrum soll jeweils für ein Jahr eine kleine Anzahl Oldenburger und Bremer Spitzenwissenschaftler im interdisziplinären Dialog mit Kollegen aus aller Welt projektorientiert arbeiten - unbelastet von den Aufgaben des auch an den Hochschulen mitunter grauen Alltags, nur ihrer Wissenschaft verpflichtet. Wer wollte da nicht von einem großen Privileg sprechen - zumal in Zeiten knappster Kassen.

Es spricht aber für die Weitsicht der Regierungen von Bremen und Niedersachsen, daß sie sich durch kurzatmige Argumente nicht beirren ließen. Vielmehr folgten sie letztlich einer Studie beider Universitäten, in der überzeugend dargelegt wird, daß Einrichtungen wie das Hanse-Wissenschaftszentrum dazu beitragen werden, nicht nur wissenschaftliches Potential besser zur Entfaltung zu bringen, sondern auch als wichtige Impulsgeber Qualität vor Forschung und Lehre an den Universitäten zu stimulieren.

In Deutschland gibt es bereits drei Einrichtungen dieser Art: das Berliner Wissenschaftskolleg, das Essener Kulturwissenschaftliche Institut und das Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung. Das große Vorbild für alle gemeinsam ist das Institute for Advanced Study in Princeton (USA), an dem viele große Wissenschaftler wie Albert Einstein und Robert Oppenheimer wichtige Jahre ihres Schaffens verbrachten. Eine Einladung des Instituts ist nach wie vor der Traum vieler Forscher. Auch ein Oldenburger Wissenschaftler, der Kunsthistoriker Peter Springer, gehört inzwischen zu diesem ausgewählten Kreis. Er verbrachte die vergangenen zwölf Monate in Princeton.

Das Institut wurde im übrigen vor 65 Jahren - im großen Krisenjahr der Weltwirtschaft 1930 - gegründet, als guter Rat teuer war und viel von der Wissenschaft erwartet wurde. Auch die jetztige Gesellschaft sucht neue Wege zur Bewältigung ihrer tiefen Krise und ist dabei mehr als zuvor auf die Wissenschaft angewiesen.

Ihr

Gerhard Harms

(Stand: 19.01.2024)  | 
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