Mit meiner Dissertation möchte ich der Frage nachgehen, wie queere Künstler_innen[1] of Color[2] in Deutschland Kunst für Dekolonisierung und Queering sowohl des Kunstkontextes als auch von Gesellschaft einsetzen, welche spezifischen künstlerischen Praxen sie nutzen und entwickeln und wie diese wirken. Das Feld des Visuellen hat historisch eine wichtige Rolle gespielt für die Legitimation des Kolonialismus, die Konstruktion von Menschen-“Rassen“, für Praxen von „Othering“ und Bilder des „Anderen“ sowie für das Schaffen von Stereotypen. Daher ist es naheliegend, dass auch Interventionen, Kritik und Subversionen von Machtverhältnissen im Bereich des Visuellen stattfinden. Queers of Color sind strukturell sowohl von Rassismus als auch von Homophobie/Transphobie betroffen, müssen mit Mehrfachdiskriminierung umgehen und bewegen sich in einem Spannungsfeld von weitestgehender Unsichtbarkeit auf der einen Seite und einem großen Interesse an Queers of Color/uns als „Hyper-Unterdrückte“ und damit als handlungsunfähige „Opfer“ auf der anderen Seite.[3] Vor diesem Hintergrund ist mir in meinem Forschungsvorhaben ein Fokus wichtig, der nach Kreativität, nach Strategien des Widerstands und Handlungsspielräumen trotz Marginalität und vielschichtigen Diskriminierungserfahrungen fragt, ohne diese zu romantisieren. Welche Strategien werden aus der Verbindung queeren Begehrens und queerer Performativitäten mit Rassismus-Erfahrungen bzw. antirassistischen Widerstandserfahrungen hervorgebracht? Wie lassen sich über Kunst u.a. heterosexistische und rassistische Normen sichtbar machen und aufbrechen? Ich gehe davon aus, dass Rassismus in Deutschland auf eine spezifische Weise funktioniert, beispielsweise in Form einer Dethematisierung von Rassismus und Kolonialismus. Die damit einhergehenden Konsequenzen für anti-rassistische und queere Strategien sowie Auswirkungen auf künstlerische Produktionen sollen in meiner Arbeit anhand ausgewählter Arbeiten untersucht werden. Theoretisch und methodisch ist die Arbeit im transdisziplinären Feld der visuellen Kulturwissenschaften verortet und nimmt Bezug auf Ansätze aus den Queer Studies, der Postkolonialen Theorie, Critical Race Studies, Feministischer Theorie und der Intermedialitätsforschung. Die Arbeit versteht sich als Beitrag zu einer sich formenden Queer of Color Critique und profitiert stark von wissenschaftlichen, aktivistischen und künstlerischen Arbeiten aus People of Color/Queer of Color Netzwerken.
[1]Der Unterstrich lässt einen symbolischen Raum für die Personen, die weder von der weiblichen noch von der männlichen Form repräsentiert werden und soll im Schriftbild sichtbar machen, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt. Die Schreibweise wird auch als „Gender Gap“ bezeichnet und geht zurück auf Steffen Kitty Hermann. Sie ist bisher vor allem in der Queer Theory verbreitet.Vgl. Steffen Kitty Hermann, Performing the Gap – Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung, in: Arranca!-Ausgabe 28, November 2003. S. 22-26.
[2] People of Color: Der Begriff ist eine Selbstbezeichnung von und für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Der Begriff ist ein politischer Begriff, der versucht, Menschen mit verschiedensten Rassismuserfahrungen zu verbinden, um sich effektiv gegen Rassismus zu wehren. Dabei stehen nicht nur die Verletzungs- und Diskriminierungserfahrungen im Zentrum sondern auch Widerstandserfahrungen. Es geht also nicht um „biologische“ Gemeinsamkeiten wie Hautfarbe, etc. Wichtig an dem Begriff ist auch, dass es sich um eine Selbstbezeichnung handelt, im Gegensatz zu rassistischen und/oder kolonialen Fremdbezeichnungen. Siehe auch: Jasmin Dean, People of Color, in: Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Hg.), Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache : ein kritisches Nachschlagewerk, Münster 2011, S. 597; Kien Nghi Ha, People of Color – Koloniale Ambivalenzen und historische Kämpfe, in: Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysoreka (Hg.), Re /Visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster 2007, S. 31–40.
[3]Jin Haritaworn, Tamsila Taquir, Esra Erdem. Queer-Imperialismus: Eine Intervention in die Debatte über „muslimische Homophobie, in: Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysoreka (Hg.), Re /Visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster 2007, S. 190