von Thomas Alkemeyer
Sich als „Bewegung“ inszenierende politische Strömungen sehen sich, sobald sie Staat geworden sind, mit dem Problem konfrontiert, die Dynamik, die sie freigesetzt haben, wieder einhegen zu müssen. Ansonsten droht den ehemaligen „Führern“ der Bewegung und ihrem Apparat die Gefahr, nun selbst von dieser Dynamik mitgerissen und weggespült zu werden. Hitler und die NSDAP beispielsweise hatten dieses Problem zu ‚managen’. Der Röhm-Putsch von 1934, die Abkehr vom völkischen Thingspiel hin zu traditionellen Form des Theaters oder auch die Durchsetzung einem monumentalen, staatstragen Klassizismus in der öffentlich-repräsentativen Szenerie des „Dritten Reiches“ waren Ausdruck und Vollzugsformen dieses Managements. Mit dem Ende der Zeit der Bewegung und des Aufbaus stand nicht mehr die Mobilisierung der Massen auf dem Plan, sondern ihre Integration und Ruhigstellung. Man kann diesen Stimmungswechsel bis ins Detail der Performanzen Hitlers hinein beobachten: Als Verkörperung der „Bewegung“ agiert er in der Pose des gegen die Väter Weimars – das Establishment – rebellierenden Sohnes; er schreit und pöbelt mit sich überschlagender Stimme pubertär, reckt den Oberkörper angriffslustig nach vorn, gestikuliert bedrohlich. Wenig später, als Staatsoberhaupt, gibt er den Vater: die Stimme wird ruhiger, das Verhalten gesetzter, die Haltung statischer. Wer die Rede Trumps nach seiner Wahl beobachtet hat, konnte Ähnliches beobachten: Gerade noch ungezogen pöbelnder Tabubrecher, führt er nun das väterliche Staatsoberhaupt auf – ruhig, einladend, mit wohl dosierten Lippenbewegungen statt aufgerissenem Mundwerk. Ein amerikanischer Arturo Ui.
Thomas Alkemeyer, Dr. phil. habil., ist Professor für Soziologie und Sportsoziologie am Institut für Sportwissenschaft der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Kontakt: thomas.alkemeyer@uni-oldenburg.de