Laseroptisches Schwingungsmeßverfahren

Laseroptisches Schwingungsmeßverfahren

Laseroptisches Schwingungsmeßverfahren
(VIB-ESPI) zur Detektion loser Putz- und Malschichten
an historischen Wandmalereien

Zerstörungsfreies diagnostisches Werkzeug für die Denkmalpflege

Historische Wandmalereien sind in ihrem Bestand oft dadurch gefährdet, dass sich die bemalte Putzschicht vom Untergrund ablöst. Bei dem Bemühen um ihren Erhalt und bei der Kontrolle von Reparaturmaßnahmen ist es häufig erforderlich, die Haftung des malereitragenden Putzes auf der darunter liegenden Wand zu kontrollieren. Die Lokalisierung loser Bereiche muss in möglichst schonender Weise erfolgen, um rechtzeitig konservatorische Maßnahmen planen und durchführen zu können. Üblicherweise wird dies vom Restaurator durch vorsichtiges Abklopfen der Wand durchgeführt (Perkussionsmethode), bei der er aus dem Klang auf die Haftung schließt. Dieses Verfahren ist sehr zeit- und arbeitsaufwendig, nicht berührungslos, für das Erreichen höher gelegener Malereien wird ein Gerüst benötigt, es ist kostenintensiv und das Ergebnis ist abhängig vom jeweiligen Restaurator, somit also subjektiv.

Das hier vorgestellte laseroptische System ermöglicht hingegen eine berührungslose und simultane Untersuchung einer Objektfläche im Quadratmeterbereich auch aus großer Entfernung und liefert objektive Ergebnisdaten. Bei diesem Verfahren wird die zu untersuchende Fläche mit Schall aus einem Lautsprecher bestrahlt, mit dem lose Bereiche zu kleinsten Schwingungen angeregt werden, die dann optisch gemessen werden. Die hohe Empfindlichkeit der optischen Meßtechnik erlaubt einen sehr schonenden Umgang mit der historischen Substanz, da bereits Schwingungsamplituden von wenigen millionstel Millimetern nachgewiesen werden können. Ausdehnung, Form und mechanische Kenngrößen der Putzschicht bestimmen die Reaktion lockerer Bereiche auf Schallanregung, so dass während einer Untersuchung die Anregungsfrequenz des Lautsprechers durchgestimmt wird, um sicherzustellen, dass alle relevanten Ablösungen erfasst werden.

Zur Detektion dieser sehr winzigen Amplituden wird ein in seiner Empfindlichkeit entsprechend angepasstes optisches Schwingungs-Meßsystem eingesetzt. Dessen Prinzip beruht auf der Videoholographie, bei der das von dem Untersuchungsobjekt zurückgestreute Licht eines Lasers durch Überlagerung mit einer Bezugslichtwelle als Videohologramm von einer Kamera aufgenommen wird. Die Durchführung der Messung wie auch die Auswertung erfolgt völlig rechnergesteuert. Das Verfahren liefert während der Messung unmittelbar auf einem Monitor die Visualisierung schwingender Putz- oder Malschichten durch deutlich sichtbare pulsierende Helligkeitsänderungen. Für die Auswertung werden die Videobilder jeder untersuchten Frequenz während der Messung mit einem PC aufgenommen und nach Abschluss der Messungen ausgewertet. Die Auswertung liefert für jede Untersuchungsfrequenz eine Karte der als lose detektierten Bereiche, aus denen durch Zusammenfassung ein Gesamtergebnis erstellt wird. In dem Ergebnisbild (siehe Abb. 1), das mit einer Schwarzweißaufnahme der Untersuchungsfläche unterlegt wird, um eine genaue Zuordnung der jeweiligen Bereiche innerhalb der Untersuchungsfläche zu ermöglichen, werden lose Bereiche durch eine entsprechende farbliche Kodierung gekennzeichnet; in dem gezeigten Ergebnisbild sind Bereiche in gelben und roten Farbtönen lose.

Abb. 1: Ergebnisbild der Schwingungsuntersuchung, unterlegt mit einer Schwarzweißaufnahme der Malerei (Größe etwa 110 x 90 cm²). Lose Bereiche sind in gelb-roten Farbtönen dargestellt.

Dieses Ergebnis dient dem Restaurator als Grundlage für seine weitere Arbeit. Bei größeren Untersuchungsflächen muss die Gesamtfläche in mehrere kleinere Felder unterteilt werden, weil die auf einmal untersuchbare Fläche limitiert ist. Sie hängt u.a. maßgeblich von der Laserleistung, der Reflektivität des Untersuchungsfeldes und dem Abstand zwischen Messkopf und Untersuchungsfläche ab. Von der Laserleistung her können mit dem derzeitigen System Flächen von etwa einem bis zu drei Quadratmetern auf einmal untersucht werden.

Die Entwicklung und die grundlegenden Untersuchungen wurden wissenschaftlich von der Hochschule für Bildende Künste Dresden, FG Restaurierung, begleitet und von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) finanziell gefördert. In der derzeitigen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Weiterentwicklung, wird ein Schallrichtstrahler in das System integriert, der eine gezielte Beschallung der jeweils beobachteten Untersuchungsfläche und eine Reduzierung von störendem Schall im Rest des Gebäudes ermöglicht.


Anwendungsbeispiel einer Vor-Ort Messung: Haftung der romanischen Wandmalerei in der Klosterkirche St. Johann, Müstair, Schweiz

Das laseroptische Schwingungsmessverfahren zur Detektion von Putz- und Malschichtablösungen hat sich zwischenzeitlich an einer Vielzahl von historischen Objekten bewährt. Beispielhaft werden hier Ergebnisse einer umfangreichen Messung im Kloster St. Johann (Weltkulturgut der UNESCO) in Müstair, Schweiz gezeigt, die im Jahre 2000 durchgeführt worden ist. Die Untersuchung ist von der Stiftung Pro Kloster St. Johann Müstair finanziert und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich durchgeführt worden.

 
In der Klosterkirche finden sich karolingische und romanische Fresken, wobei die karolingischen Fresken in den Apsiden teilweise von den romanischen überdeckt sind. Große Teile des romanischen Freskos haben sich im Laufe der Jahrhunderte gelöst, Teile sind abgefallen, andere sind zur Sicherung abgenommen worden. Die noch vorhandenen Bereiche dieses Freskos wurden mit dem laseroptischen Schwingungsmessverfahren auf Ablösungen hin untersucht und die Ergebnisse als Ist-Zustand kartiert. Mit einer Wiederholungsmessung soll geklärt werden, ob der Zustand stabil ist, oder ob sich die Ablösungen zwischenzeitlich weiter vergrößert haben. Abb. 2 zeigt einen Teil des verwendeten Messsystem vor der Malerei in der Nordapsis der Klosterkirche.

Abb. 2: Optischer Messkopf auf Stativ vor der Wandmalerei in der Nordapsis der Klosterkirche (links teilweise noch im Bild: der Lautsprecher).
  Die Abb. 3 zeigt das Ergebnis der Untersuchung für eine Fläche von etwa 4x4m². Das Bild ist aus den Ergebnissen mehrerer einzelner Untersuchungsflächen zusammengesetzt worden. Die als lose detektierten Bereiche sind in gelb-roten Farbtönen dargestellt.

Abb. 3: Ergebnis der laseroptischen Schwingungsuntersuchung in der Nordapsis der Klosterkirche St. Johann, Müstair, auf einem Umrissbild der Untersuchungsfläche. Größe des Untersuchungsbereichs etwa 4x4m², Gesamtergebnis ist zusammengesetzt aus den Ergebnissen der einzelnen Untersuchungsfelder. Die aufnahmebedingten geometrischen Verzerrungen der zusammengesetzten Einzelbilder wurden durch K. Zehnder (Institut für Denkmalpflege ETHZ) entzerrt. Plangrundlage für die Darstellung der romanischen Wandmalerei ist eine 1:1 Strichpause von Oskar Emmenegger & Söhne AG.

Kontakt: Dieser Text als PDF-Dokument.

(Stand: 19.01.2024)  | 
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