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6. September 2017 301/17 Forschung
Studie: Migrantinnen und Migranten an Schulen gelten als „Mängelwesen mit Förderbedarf“
Universitäten Oldenburg und Bremen stellen Ergebnisse in Berlin vor / Stiftung Mercator ist Förderer des Projekts
Oldenburg. Ist die Schule in der Migrationsgesellschaft angekommen? Wie werden Lehrerinnen und Lehrer heutzutage in Deutschland dafür ausgebildet? Diesen Fragen widmet sich eine Studie der Universitäten Oldenburg und Bremen. Die Migrations- und Bildungsforscherinnen und -forscher haben dafür die Grundlagen der Lehrerbildung bundesweit geprüft. Der Fokus liegt dabei auf den Bundesländern Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Ein zentrales Ergebnis des Autorenteams: Die heute ausgebildete Generation von Lehrerinnen und Lehrern wird nur unzureichend für diesen Bereich qualifiziert. Die Studie wird gefördert von der Stiftung Mercator. Heute haben die Autorinnen und Autoren Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu und Dr. Anna Aleksandra Wojciechowicz (Universität Bremen) sowie Prof. Dr. Paul Mecheril und Saphira Shure (Universität Oldenburg) sie der Öffentlichkeit in Berlin vorgestellt.
„In den meisten Bundesländern berücksichtigen die Studienpläne und Curricula Themen wie Heterogenität, interkulturelle Bildung und Migration“, sagt die Bremer Expertin für interkulturelle Bildung Karakaşoğlu. Doch eine angemessene Bildung, die der migrationsgesellschaftlichen Realität Deutschlands entspreche, sei noch nicht systematisch in der Lehrerbildung verankert. „Damit ist die bundesdeutsche Lehrerbildung inhaltlich nicht in der Migrationsgesellschaft angekommen“, ergänzt der Oldenburger Migrationspädagoge Mecheril. Je höher die Schulform wie beispielsweise Gymnasien, desto mehr nehme die Relevanz des Themas in der Lehrerbildung ab.
Ein weiteres Ergebnis der Forschenden: Lehrerinnen und Lehrer werden in ihrer Aus- und Fortbildung durchgängig als Personen ohne Migrationshintergrund adressiert, die den Umgang mit den migrationsgesellschaftlich „Anderen“ zu lernen haben. Das „Andere“ – die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund – würden wiederum zum Problem gemacht und implizit, zuweilen auch explizit, als Mängelwesen adressiert. Das Thema werde auf die Notwendigkeit der Förderung dieser Gruppe reduziert.
„Migration betrifft alle“, so das Autorenteam. Pädagogisches Können in der Migrationsgesellschaft stelle daher kein besonderes Können für den Umgang mit einer speziellen Gruppe dar. „Eine solche Perspektive, in der ‚Spezialwissen‘ über und die spezielle ‚Behandlung‘ von Schülerinnen und Schülern ‚mit Migrationshintergrund‘ vermittelt wird, gilt es zu überwinden“, fordern sie als Konsequenz aus den Ergebnissen der Studie. Stattdessen müsse in der Lehrerbildung Wissen vermittelt werden, wie Migrationsphänomene und globale Migrationsverhältnisse entstehen und wie sie für alle relevant sind. Genau dies müsse man als Querschnittaufgabe in der Aus- und Fortbildung institutionell verankern.
„Die Studie macht deutlich, dass eine neue Haltung gefragt ist. Im Umgang mit sprachlicher und kultureller Vielfalt stehen nicht nur Unterrichtskonzepte und Materialien auf dem Prüfstand“, sagt Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator. „Hinterfragen muss man auch die Einstellungen und Haltungen von Lehrkräften zur Migration in Geschichte und Gegenwart“, erklärt er. Deshalb sei es von zentraler Bedeutung, dass Lehrkräfte in ihrer Ausbildung und in der Fortbildung lernen: Wie können wir Benachteiligung und Diskriminierung in der Schule nicht nur vermeiden, sondern alle Kinder und Jugendliche bestmöglich fördern?
Die Ergebnisse der einjährigen Studie basieren auf einer qualitativen Analyse curricularer Vorgaben und bildungspolitischer Dokumente in der Lehrerbildung in Deutschland – in Studium, Referendariat und Fortbildungsbereich. Einen besonderen Fokus legt das Projekt auf die vier Bundesländer Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Einen bundesweiten Einblick in migrationsgesellschaftliche Themen in der Lehrerbildung ermöglicht dabei unter anderem die Analyse von Texten der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE). Ergänzt wird dies über eine Analyse von Modulbeschreibungen, die in der universitären Lehre der Lehrerbildung das zugrundeliegende Curriculum bilden.
Die Stiftung Mercator ist eine private, unabhängige Stiftung. Sie strebt mit ihrer Arbeit eine Gesellschaft an, die sich durch Weltoffenheit, Solidarität und Chancengleichheit auszeichnet. Dabei konzentriert sie sich darauf, Europa zu stärken, den Bildungserfolg benachteiligter Kinder und Jugendlicher insbesondere mit Migrationshintergrund zu erhöhen, Qualität und Wirkung kultureller Bildung zu verbessern, Klimaschutz voranzutreiben und Wissenschaft zu fördern. Die Stiftung Mercator steht für die Verbindung von wissenschaftlicher Expertise und praktischer Projekterfahrung. Als eine führende Stiftung in Deutschland ist sie national wie international tätig. Dem Ruhrgebiet, der Heimat der Stifterfamilie und dem Sitz der Stiftung, fühlt sie sich besonders verpflichtet.
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