Über diesen Blog.

Hier schreiben Wissenschaftler*innen der Universität Oldenburg und Gastautor*innen darüber, wie sich Gesellschaften selbst wahrnehmen und thematisieren, sich ihrer jeweiligen Gegenwart vergewissern und dabei in die Zukunft entwerfen.

Wie stehen diese Selbstwahrnehmungen und -entwürfe mit Institutionen, Medien und Techniken zur Gestaltung von Natur, Gesellschaft und Subjektivität in Verbindung? Wie modellieren sie den lebensweltlichen Alltag und halten Menschen zu einem bestimmten Verhalten an? Wie werden diese Interventionen in das Gegebene begründet und legitimiert, aber auch kritisiert, verworfen oder unterlaufen?

Diesen Fragen, deren interdisziplinäre Reflexion eines der zentralen Anliegen des Wissenschaftlichen Zentrums „Genealogie der Gegenwart“ ist, gehen die Blogger aus unterschiedlichen Fachperspektiven und Tätigkeitszusammenhängen mit Blick auf kontrovers verhandelte Themen wie Migration, Ungleichheit, Digitalisierung, Kriminalität, Gesundheit und Ökologie nach.

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Klassismus in der Trump-Ära

von Denise Baumann

von Denise Baumann

Die Vergessenen bleiben auch nach der Wahl vergessen – warum eigentlich?
Man hat es kommen sehen – im Nachhinein. Ex-post sind Analysen immer einfacher. Der Tenor der amerikanischen Medien nach Trumps Wahlsieg: „The nation is divided.“ Eigentlich Anlass, nach den Demarkations- und Konfliktlinien dieser Spaltung zu fahnden und nach Vereinigungsmöglichkeiten zu suchen. Stattdessen erging man sich recht schnell in ritueller Selbstkasteiung und der Identifikation von „bubbles“, in denen man sich, hauptsächlich aber die anderen, gefangen wähnt.

In Woche eins nach Trump war die Spaltung auch schon wieder aus den Narrativen verschwunden. Völker aller Länder, vereinigt euch, gegen Trump! Das ist jetzt das Motto. Einheitliche Fronten gegen Trump national wie international. Der „Women’s March“ ein kolossaler Erfolg in der Demonstration von Einheit. Wenn man davon absieht, dass die Diskussion um die Inklusion bzw. Exklusion von Pro-Life-Organisationen als Partnerorganisationen des Protests eine gewisse Ungeschlossenheit und Ausgrenzungstendenzen offenlegte. Eine interessante Differenzierung auch bei der Berichterstattung über die Inauguration. Im Mittelpunkt des Interesses, weiße Flächen und ungewisse aber auf jeden Fall geringere Zuschauerzahlen als bei Barack Obamas Vereidigung. Dass auf der Grünfläche aber trotzdem Menschen standen, und zwar in einer Anzahl, die als Menge qualifiziert, ging im Zahlenstreit zwischen Pressesprecher Sean Spicer und den Medien unter. Eine ähnliche Ausklammerung erfahren Trump-Unterstützer auch bei der Analyse der Zustimmungswerte des neuen Präsidenten. Trump hat die niedrigste Zustimmung in der Bevölkerung, die ein Präsident je hatte. Irgendwo zwischen 40 und 45 Prozent. Also nicht mal 50 Prozent der AmerikanerInnen. Aber eben doch fast 50 Prozent der AmerikannerInnen. Die Spaltung ist immer noch da, man benennt sie aber nur, thematisiert sie nicht weiter oder fixiert nur eine Seite. Besonders eklatant zeigt sich das in den Unterhaltungsmedien.

Das Gros der amerikanischen Late-Night-Show-Hosts versucht sich seit dem Wahlkampf in einer kollektiven und penetranten Daily-Show-esquen Inszenierung und erinnert in ihrer Auseinandersetzung mit denjenigen, die Trump gewählt haben, an deutsche Kabarettisten. Denen fällt zu AfD-Wählern auch nur ein, dass das Personen mit ganz verabscheuungswürdigen Einstellungen seien. Zu dumm, um aus der Geschichte zu lernen, ewig Gestrige eben. Dementsprechend braucht man sich mit ihnen und ihren Motiven auch nicht näher auseinanderzusetzen. Klingt moralisch überlegen, erklärt aber wenig.

Nicht-Beachtung ist eine Form der Verachtung. „Trump voters“ sind im neuen Einheits-Narrativ die unbelehrbaren und vor allem unbelehrten bigotten, rassistischen und misogynen Demokratieverächter, die sie auch vor der Wahl schon waren. Die „flyover states“ und wer in ihnen aus welchem Grund Trump gewählt hat, interessiert immer noch niemanden so wirklich. Warum auch, jetzt geht es schließlich um Widerstand! Von den klassischen Massenmedien bis hin zu Social Media, überall finden sich Formate, die der neuen US-Regierung den Kampf angesagt haben. Selbst „GQ“ ruft auf YouTube „The Resistance“ aus und der Sport- und Politjournalist Keith Olbermann kann sich immerhin großmütig dazu erbarmen, den Trump-Unterstützern ein Video zu widmen („Still Supporting Donald Trump? This Message Is For You“). Darin verkündet er versöhnlich, dass er die Angesprochenen nicht anschreien wird, ganz so wie ein Vater, der der Ungezogenheit der Kinder nicht mit Wut, aber mit viel didaktisch motiviertem Verständnis begegnet. Was folgt ist dann der plumpe Versuch einer Anbiederung, mit dem Hinweis darauf, dass man sich selbst ja auch schon in Politikern getäuscht habe und Trump-Anhänger jetzt aber doch bitte wirklich einsehen müssten, dass mit ihrer Wahl irgendwas nicht ganz in Ordnung ist. „There is something really, really wrong with him“. „He’s not well“, im eindringlichen Brustton der Betroffenheit und Überzeugung vorgetragen, täuscht ein Verständnis für die Bewohner von „Trump-Land“ vor, das mangels der Auseinandersetzung mit ihnen gar nicht bestehen kann. Trump Befürworter dürften wenig Interesse daran haben, sich Medieninhalte anzusehen, die unter #resistance und #notmypresident ihre Position gegenüber dem demokratisch gewählten Präsidenten und damit auch seinen Wählern sehr deutlich machen. Angesichts der Tatsache, dass einer der größten Kritikpunkte an Trump kurz vor der Wahl seine Weigerung war zu versprechen, das Wahlergebnis, unabhängig vom Ausgang, anzuerkennen, muss die Boykotthaltung der „Wahlverlierer“ Trump-Anhängern wie bittere Ironie vorkommen. Erst hat man ihnen vorhergesagt, dass ihr Kandidat nicht gewinnen kann, nicht gewinnen darf, dann gewinnt er überraschend und alle tun so, als sei die Wahl nicht legitim. Zwischen Wahl und Amtsübernahme wird hauptsächlich ein Bild der Unberechenbarkeit des zukünftigen Amtsinhabers gezeichnet, nur um dann festzustellen, dass er im Großen und Ganzen genau die Dinge umsetzt oder zumindest anordnet, die er im Wahlkampf versprochen hat. Weniger Umweltschutz, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko, Deregulation der Wirtschaft, Immigrationseinschränkungen, Austritt aus Handelsabkommen und deren Neuverhandlung. Innerhalb von gut zwei Wochen hat die neue Regierung so ziemlich alle gültigen Konventionen der Politik auf den Kopf gestellt. Das Verhalten ist sicher nicht „normal“, es ist anders, anders in genau der Weise, die sich die Trump-Wähler erhofft hatten. Es herrscht Aktionismus, der starke Mann macht erstmal, was davon später juristisch oder diplomatisch wieder einkassiert wird, wird sich zeigen. Die Börse hat darauf erstmal positiv reagiert, der Dow Jones stieg zum ersten Mal über 20 000 Punkte. Auch das bestätigt genau das, was Trump-Wähler sich erhofften. Einen ökonomischen Aufwärtstrend, an dem sie vielleicht auch einmal teilhaben können. Die Kluft zu schließen wird also auch schon deshalb schwierig, weil die zwei Seiten aneinander vorbei reden. Die einen sind besorgt um Menschenrechte, Pressefreiheit und demokratische Grundwerte, die anderen sorgen sich um Versicherungsprämien, Steuersätze und Jobs. Dass es möglich ist, Trump nur aus selektiven Gründen zu unterstützen und nicht, weil man die gesamte Breite seiner autokratischen und menschenverachtenden Haltungen teilt, findet als Idee nur langsam Einzug ins kollektive Medienecho.

Das Heucheln von Verständnis für auch-jetzt-noch-Trump-Unterstützer erreicht darum meist nicht mal den Tiefgang von Donald Trumps Vereidigungsrede. Immerhin hat er erneut auf die vergessenen Männer und Frauen aufmerksam gemacht, als deren Präsident er sich versteht. Die Medienresonanz: Er hat nicht die angesprochen, die ihn nicht gewählt haben. Die Vergessenen bleiben also erstmal vergessen, zumindest in der medialen Aufarbeitung der Geschehnisse. Eine Rekonstruktion aus der Sicht der „forgotten men and women“ scheint also angebracht und notwendig.

Demokratische Wahlen leben in der Regel davon, dass einem eine Wahl gelassen wird und diese als legitim gilt. Das kann man von der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2016 nicht behaupten. Im Vorwahlkampf war Donald Trump der exotische Clown, über dessen Kandidatur man sich quoten- und unterhaltungstechnisch freute, dem man aber keine Chancen zurechnete. Alle „Experten“ waren sich einig, er kann nicht der republikanische Präsidentschaftskandidat werden, weil er Politiker-Sein nicht kann. Der Fokus lag auf jedem Faux Pas bezüglich Political Correctness, seinem begrenzten Wortschatz, seinem Kleidungsstil, seiner Frisur, seinen kleinen Händen und seinem Hautton. Klassisches Othering. Andersartigkeit wird negativ aufgeladen und stereotypisiert. Gut für Lacher, aber keine solide Strategie, um jemanden von politischen Ämtern zu exkludieren. Die Witze über Angela Merkels Prinz-Eisenherz-Frisur, ihre Hosenanzüge und Hängemundwinkel haben sie schließlich auch nicht vom Kanzleramt ferngehalten. Mit ihren Frotzeleien machte ein Großteil der amerikanischen Medien jedoch von Anfang an sehr deutlich, dass es für einen Amerikaner eigentlich nur eine richtige Wahl gab, nämlich die von Hillary Clinton. In der Konsequenz verquickte die Häme über das inadäquate Verhalten des Kandidaten Trump diesen umso stärker mit seinen Anhängern. Diese kennen diese Art der Häme nämlich nur zu gut selbst. Die weiße, ungebildete Arbeiterschicht, bevorzugt aus den Südstaaten, und ihr Lebensstil zwischen Truckstop, Talk Radio, McDonalds und Dosenbier, werden gerne als „comic relief“ in Film und Fernsehen genutzt. In ähnlicher Weise wollte das Fernsehen auch Donald Trump nutzen, als Polit-Clown, über dessen Fehltritte man sich lustig machen kann. Bei den Eliten kam das auch so an, beim Rest der Bevölkerung aber ganz anders. Plötzlich war da ein Kandidat, der zwar nicht aus ihrer Mitte stammte, aber der wie sie und für sie sprach, einfach und direkt. Der unterhaltsam und spektakulär Normen unterlief, die von der Meinungs- und Politikelite diktiert wurden. Plötzlich stimmte Fox News Slogan „Fair & Balanced“ irgendwie, nicht weil sich der erzkonservative Sender von sich aus der fairen und ausgewogenen Berichterstattung rühmen könnte, aber weil er im Vergleich zu den restlichen Medien die Andersartigkeit von Donald Trump nicht sofort als generell disqualifizierend abgetan hat. So wie der Kandidat Donald Trump und seine Anhänger war die Berichterstattung dadurch anders im Vergleich zum Mainstream. Gemeinsam anders zu sein kann gemeinschaftsstiftend wirken und war es hier wohl auch.

Abgesehen von den Medien war es aber auch Hillary Clinton selbst, die einen Graben zwischen sich und Trump-Sympathisanten gezogen hat. Potenzielle Trump-Wähler früh in einen „basket of deplorables“ einzusortieren, ist in einem de facto Zwei-Parteien-System, in dem es darum geht, der anderen Seite Wähler abzugraben und „swing votes“ ins eigene Lager zu ziehen, kurzsichtig – und zeugt von einer Abscheu gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung. Comedian Jon Stewart bemerkte nach der Wahl gegenüber CNN: „Republicans, conservatives love America. They just hate like 50 Percent of the people living in it.“ Nach einem Wahlkampf, der zur Wahl des kleineren Übels stilisiert wurde, ist davon auszugehen, dass diese Ressentiments auf beiden Seiten des politischen Spektrums weiter bestehen. Nur dass eine Seite inklusive ihrer Ressentiments medial klar bevorzugt wurde, und es waren nicht die Konservativen.

Dass in diesem dichotomen wir-gegen-die-anderen-Klima auch die Instrumente der quantitativen Politik- und Sozialforschung versagt haben, ist wenig verwunderlich. Umfragen, die den Aspekt der sozialen Erwünschtheit nicht berücksichtigen, sind dazu verdammt, verfälschte Ergebnisse zu liefern. Speziell war in diesem Fall nur, dass nicht die Statistiker und Survey-Designer die Umfrage versaut haben, sondern die Medien. Alle etablierten Kanäle – bis auf Fox News (was nicht einer gewissen Ironie entbehrt) – haben ein klares Schwarz-Weiß-Szenario gezeichnet und potenzielle Trump-Wähler als grenzdebile, geifernde Hinterwäldler dargestellt. Bei jeder Gelegenheit wurde der am lautesten „Lock her up“ schreiende Trump-Anhänger, am besten noch so unattraktiv wie möglich, als pars pro toto-Exemplar gezeigt. Da wundert es nicht, wenn die so stereotypisierte und stigmatisierte Personengruppe anfängt „den Medien“ zu misstrauen und sich alternative Informationskanäle zu suchen. Wenn Trump-Anhänger zu sein per se bedeutet, bigott, dumm oder verrückt zu sein und somit als generell sozial unerwünscht abgestempelt zu werden, ist der Anreiz, Demoskopen aufrichtig im Hinblick auf das eigene Wahlverhalten zu antworten, eher gering. Das daraus resultierende Versagen der Demoskopie vertieft den Riss zwischen Wissenschaft und der breiten Bevölkerung. Die Debatte um Umweltschutz und Klimawandel ist ein gutes Beispiel dafür. Was aus Sicht des gebildeten Meinungsmainsteams unanfechtbar und selbstverständlich ist, beruht letztlich auf einem Sonderwissen, dass in einem Wissenssystem erworben wird, dessen Zugang ökonomisch reguliert und begrenzt wird. Wer Zugang zum universitären Betrieb hatte, ein Zugang, der in den USA nicht zuletzt über finanzielle Mittel geregelt wird, der hat im Studium die nötigen Instrumente an die Hand bekommen, um wissenschaftlich zu recherchieren und Studienergebnisse zu finden, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Wer dazu keine Zeit, Muße oder sonstige Ressourcen hat, kann zumindest aufgrund des Wissens über universitäre Forschung darauf vertrauen, dass die massenmedial vermittelten Daten das Ergebnis unabhängiger Forschung und dadurch vertrauenswürdig sind. Der Rest, dem dieses Know-How fehlt, hat es bei der Klimawandel-Debatte mit einer Black-Box zutun und kann sich letzten Endes nur dafür entscheiden, Autoritäten zu vertrauen. Die Frage ist dann nur, welchen.

In dieser ungleichen Wissensverteilung liegt auch das Missverständnis um den Begriff der Elite begründet. Die Elite, die Trump im Wahlkampf als Feindbild etablierte, ist nicht die ökonomische Elite, der er selbst angehört. Es ist die Meinungs- und Kulturelite, die festlegt oder aus der Perspektive der sich abgehängt Fühlenden festzulegen scheint, was politisch korrekt, kulturell angesagt und eben sozial erwünscht ist. Eine Elite, die unglaublich gut darin ist, die Voreingenommenheit und den Bias bei anderen zu erkennen, aber nicht bei sich selbst. So konnte es sich Meryl Streep in ihrer Rede bei den Golden Globes, die eine Kritik an Donald Trumps Politikstil sein sollte, nicht verkneifen, einen Seitenhieb auf Football und Mixed Martial Arts als kulturell minderwertig im Vergleich zur Filmindustrie einbauen. Madonna fantasierte beim „Women’s March“ von terroristischen Akten bezüglich des Weißen Hauses. Alle lachen über Stephen Bannons Aussehen und Kleidungsstil, Kellyanne Conways Inauguration Outfit wird als lächerliches Nussknackerkostüm abgetan, sie selbst wird als Barbie bezeichnet. Trump weiß nicht, wie lang seine Krawatte maximal sein darf, seine Frau Melanie ist ein fremdgesteuertes, des Englischen kaum mächtiges, zudem aus Osteuropa importiertes Modelweibchen. Die Liste der Schmähungen und ihre offenkundige Oberflächlichkeit offenbaren einen Klassismus, der kulturell motiviert ist und der nicht allein auf die plötzlich mächtig Gewordenen gerichtet ist, sondern vor allem auch auf die, die Trump und Co. mächtig gemacht haben, vermutlich auch, weil sie sich kulturell entmachtet fühlen. Diejenigen, die regelmäßig bei Fast Food-Ketten essen, der NRA angehören, bei Walmart einkaufen, Pro Wrestling schauen, Country-Music hören, NASCAR-Rennen und Monstertruck-Shows lieben. Die weiße Arbeiterschicht und ihr Lebensstil muss als das kulturell andere, von dem man sich abgrenzen kann, herhalten. Typisch amerikanisch, ja, aber irgendwie lächerlich und minderwertig. Es gab – zu Recht – viel Wind um Trumps Nachahmung eines körperlich behinderten Reporters. Daran, dass jede Comedy-Show fiktive Trump-Anhänger als denkschwache Hohlköpfe mit „Make America Great Again“ Baseball Caps stereotypisierte, über deren Uninformiertheit und Naivität man sich amüsieren kann, störte sich hingegen kaum jemand.

Es gibt im Englischen die Humordefinition „Comedy is tragedy plus time“. Im Falle Trump hat das aber niemand beherzigt. Alle fingen schon an zu lachen, bevor die Tragödie einsetzte und es mag genau dieses Lachen gewesen sein, was sie real werden ließ. Jetzt ist die Tragödie da – und trotzdem bleibt das Lachen niemandem im Halse stecken. Man lacht munter weiter. Über Trump und damit auch über seine Wähler. Differenzen lassen sich so nicht überbrücken und Widerstand ist in der Regel effektiver, wenn er seinen Gegner ernst nimmt. Man hat in acht Jahren Obama Administration herzlich wenig von Fox News gelernt. Der Sender hat es geschafft, Diskussionen um dunkelhäutige Weihnachtsmänner und die religiös neutrale Grußformel „Happy Holidays“ als bitterernste Kämpfe um kulturelles Erbe und nationale Identität zu stilisieren. Dagegen wirkt die Reaktion der Medien auf Trump seltsam hin- und hergerissen im Ton der Berichterstattung. Ist die Trump Administration nun der Super-GAU für die westliche Demokratie oder gar der Anfang von deren Ende oder doch eher eine unterhaltsame Show inkompetenter Clowns? Weil man zu sehr damit beschäftigt ist, sich über Rechtschreibfehler und falsch verwendete Anführungszeichen in seinen Tweets lustig zu machen, verpasst man zuweilen die weltpolitisch wichtigeren News-Stories. Das Dilemma der Presse zeigt sich im Versuch des Rolling Stone-Journalisten Matt Taibbi, das Phänomen Trump zu beschreiben. „Insane Clown President“ heißt sein Buch, das in Essays und Kolumnen die Bedingungen und den Aufstieg Trumps nachzeichnet. Der Titel ist eine Anspielung auf die „Insane Clown Posse“, ein Rapp-Duo, das einen eigenen Personen-Kult etabliert hat und eine zahlenmäßig beeindruckende Community, die sogenannten „Juggalos“, um sich vereint. Von den Mainstreammedien als Spinner und Idioten verlacht und von den Behörden teilweise als Gang klassifiziert, versteht sich die Community als familiäre Gemeinschaft. Die Juggalos kommen vornehmlich aus der weißen Arbeiterklasse, gehen in die Zehntausende und treffen sich zu einem jährlichen Festival, genannt „Gathering of the Juggalos“, mit Live Music, Comedy und Pro Wrestling. Die Texte des Duos drehen sich um Anarchie und Gewalt, sie sind alles andere als politisch korrekt und offenbaren eine ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlich etablierten Meinungen, Werten und Normen. Der Song „Miracles“ beschreibt die Welt als Ansammlung großer und kleiner Wunder, in der Wissenschaft als Autorität keinen Platz hat und nur der eigenen subjektiven Erfahrung im Wege steht. „And I don’t wanna talk to a scientist, you motherfuckers are lying and getting me pissed.“ Es wird sich auf die eigene Realität und Lebenswelt berufen, die eben nicht die der kulturellen Eliten ist. Diese Art von Subkultur, in der ein anderer Umgang mit Fakten und Normen gepflegt wird, lässt sich wohl nur als eine Reaktion auf den gesellschaftlichen Ausschluss weiter Teile der amerikanischen Arbeiterklasse verstehen. Wenn Wissenschaft und Politik sowieso nicht im eigenen Interesse und Namen handeln und in Sprache und Habitus eine Ab- und Ausgrenzung aller nicht zur Elite Gehörenden oder an der Elite Orientierten praktizieren, welchen Wert haben sie als Orientierungspunkte des eigenen Handelns und des eigenen Weltverständnisses für die Ausgegrenzten? Dass die so Ausgeschlossenen sich ihre eigene Sphäre samt Wissens- und Normsystemen schaffen, von der wiederum die Eliten ausgeschlossen sind, mag man verständlicherweise nicht mögen, aber man muss es seinerseits verstehen, möchte man die als abgehängt sich selbst Verstehenden nicht weiterhin abhängen.

Trotz aller Befürchtungen und Ängste um die Konsequenzen der Trump-Präsidentschaft bleibt der Drang, sich kulturell zu distinguieren allgegenwärtig. Momentan meint Kulturkampf darum den Kampf der momentan entmachteten Elite, mit den richtigen Einstellungen und den hippen Outfits gegen die lächerlichen Schmuddelkinder ohne Manieren in der Machtzentrale. Kulturkampf kann auch anders aussehen. Man kann um die politische Kultur kämpfen, um den respektvollen Umgang auch mit Anderslebenden und Andersdenkenden. Es wird nötig sein, die Abscheu gegenüber Trump und seinen undemokratischen Tendenzen von der Analyse seiner Wählerschaft und deren Wahlmotiven zu trennen und diese Analyse stärker voranzutreiben. Nur so kann es gelingen, die bestehende Kluft zu überbrücken und eine breite Front gegen Bannons und Trumps anti-demokratischen Bestrebungen zu bilden.

Denis Baumann, Dr. phil., ist Kollegiatin am DFG-Graduiertenkolleg „Selbst-Bildungen“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
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(Stand: 19.01.2024)  | 
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