Morphodynamik
Teilprojekt 1: Natur- und Kulturwissenschaften Holozän
Morphodynamische Gleichgewichte
Kontakt: Hanz Dieter Niemeyer
Tel.:+49-(0)4932-916-141
Dr. Heiko Westphal. Tel.: +49-(0)4932-916-210 heiko.westphal[at]nlwkn-ny.niedersachsen.de
Flächenbilanzen am Jadebusen
Auf Basis der Historischen Karten Nr. 9 und 10 der niedersächsischen Küste sowie HOMEIER (1969) ist eine zusammenfassende Karte zu den seit dem 12. Jahrhundert durchgeführten Eindeichungen und Landverlusten erstellt worden. Durch die Einbeziehung einer Karte von BEHRE (1999) sind weitergehende Verdichtungen und Erweiterungen der Informationen im Bereich zwischen Jadebusen und Unterweser für die Regionen Butjadingen und Stadland erfolgt (Abb. 1). Die Gegenüberstellung von Landverlusten und -gewinnen im zeitlichen Verlauf zeigt folgendes Bild: Die Phase der größten Landverluste war im 14. und 15. Jahrhundert mit knapp 300 km² insgesamt. Vor allem im Zeitraum 1500-1650 wurde hingegen großflächig Land zurück gewonnen: knapp 150 km². Ab 1750 nehmen die Landverluste stark ab, wohingegen die Landgewinne vom 17. bis ins 20. Jahrhundert konstant bei etwa 20 km² pro Jahrhundert verbleiben. Insgesamt sind seit dem 12. Jahrhundert 473 km² Landflächen verloren gegangen. Dem stehen rund 254 km² Landgewinne gegenüber, in der Summe besteht für die Region also ein Landverlust von ungefähr 220 km².
Morphodynamische Gleichgewichte
Seit mehreren Jahrzehnten sind die morphodynamischen Gleichgewichtsbedingungen von Küstengebieten mit Gezeiten wie dem deutschen Wattenmeer Objekt zahlreicher Untersuchungen, wie beispielsweise die von O’BRIEN (1971); WALTHER (1934,1972); RENGER (1976); DIECKMANN (1985); NIEMEYER ET AL. (1995). Es werden Bezüge zwischen Systemelementen wie Mündungsquerschnitt einer Rinne oder Gezeitenfläche mit hydrodynamischen Randbedingungen wie Tidevolumen hergestellt, die einen Gleichgewichtszustand quantifizieren. Diese dynamischen Gleichgewichtszustände beharren in einem stabilen System, indem sich dessen charakteristische Elemente den äußeren Kräften permanent anpassen. Beispielsweise können sich durch die Vergrößerung eines Watteinzugsgebiets infolge einer schweren Sturmflut, bei welcher größere Landflächen an das Meer verloren gehen, vorübergehend Ungleichgewichte einstellen, weil die Größe des Tidebeckens im Vergleich zum Tidevolumen zu klein ist. Zur Wiederherstellung des morphodynamischen Gleichgewichts erfolgt dann eine Anpassung des Beckenvolumens durch Sedimentation (NIEMEYER 1983). In Untersuchungen zu morphodynamischen Gleichgewichten werden die Zusammenhänge unterschiedlicher Parameter einer Küstenregion wie der Durchflussquerschnitt eines Priels und das Tidevolumen eines Watteinzugsgebietes über eine Anpassungsfunktion erfasst. Dieser ermöglicht es, für bestimmte Küstenabschnitte zu beurteilen, ob sie sich in einem Gleichgewichtszustand befinden oder nicht. Für den Küstenschutz ist diese Kenntnis von großer Bedeutung, falls beispielsweise zum Erreichen eines Gleichgewichtszustands von den Prielen noch eine wesentliche vertikale und laterale Erosion und somit eine Gefährdung der angrenzenden Wattflächen zu erwarten ist. Im Rahmen des Projekts WADE, das an der Forschungsstelle Küste (FSK) vorgenommen wurde (NIEMEYER ET AL. 1995), sind für die Tidebecken und deren Teileinzugsgebiete des ostfriesischen Wattenmeeres sowie für die Dithmarscher Bucht Anpassungsfunktionen für morphodynamische Gleichgewichtsbedingungen erarbeitet worden (Abb. 2). Ob diese Gleichgewichte auch im Jadebusen Gültigkeit besitzen, wird im Rahmen dieses Projektes erforscht. Zunächst werden auf Basis der Topographischen Wattkarten der FSK von 1969 und 1999 die Berechnungen zu zwei Zeitpunkten verglichen. Weiterhin wird versucht ähnliche Berechnungen anhand älterer Karten mit geringerer Informationsdichte analog zum Vorgehen von NIEMEYER (1995) für die Nutzung der Historischen Karten von HOMEIER (1962) auszuführen. Somit ist eine langfristige Beurteilung eventueller Verlagerungen der Gleichgewichtszustände möglich. Es kann auch eine Aussage darüber getroffen werden, ob sich das aktuelle System in einem vorübergehenden Gleichgewicht befindet oder nicht.
Referenzen:
BEHRE, KARL-ERNST (1999): Die Veränderung der niedersächsischen Küstenlinien in den letzten 3000 Jahren und ihre Ursachen, In: Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet (26), 9-33. DIECKMANN, REINHARD (1985): Geomorphologie, Stabilitäts- und Langzeitverhalten von Watteinzugsgebieten der Deutschen Bucht, In: Mitteilungen des Franzius-Instituts für Wasserbau und Küsteningenieurwesen der Universität Hannover, Heft 60, 133-361. HOMEIER, HANS (1962): Historisches Kartenwerk 1: 50.000 der niedersächsischen Küste, Jahresberichte Forschungsstelle Norderney, 1961, Band XIII. HOMEIER, HANS (1969): Der Gestaltwandel der ostfriesischen Küste im Laufe der Jahrhunderte. Ein Jahrtausend ostriesischer Deichgeschichte, S. 2-75, In: Ohling, Jannes (Hrsg.): Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 2, 678 S. HOMEIER, HANS (1972): Niedersächsische Küste, Historische Karte 1:50.000, Nr. 9, Niedersächsische Wasserwirtschaftsverwaltung (Hrsg.), Norderney. HOMEIER, HANS (1974): Niedersächsische Küste, Historische Karte 1:50.000, Nr. 10, Niedersächsische Wasserwirtschaftsverwaltung (Hrsg.), Norderney. NIEMERYER, HANZ DIETER (1983): Über den Seegang an einer inselgeschützten Wattküste, 264 S. NIEMEYER, HANZ DIETER, ROLAND GOLDENBOGEN, ERNST SCHROEDER UND HANS KUNZ (1995): Untersuchungen zur Morphodynamik des Wattenmeeres im Forschungsvorhaben WADE, In: Die Küste (57), 65-94. O'BRIEN, M.P. (1971): Notes on tidal inlets on sandy shores, Hydraulic Engineering Laboratory, College of Engineering, University of California, Berkeley, 51 S.
RENGER, EBERHARD (1976): Quantitative Analyse der Morphologie von Watteinzugsgebieten und Tidebecken, In: Mittelungen des Franzius-Instituts für Wasserbau und Küsteningenieurwesen der Universität Hannover (43), 1-160. WALTER, FRIEDRICH (1934): Die Gezeiten und Meeresströmungen im Norderneyer Seegat, Berlin. WALTER, FRIEDRICH (1972): Zusammenhänge zwischen der Größe der ostfriesischen Seegaten mit ihren Wattgebieten sowie den Gezeiten und Strömungen, In: Jber. Forschungsstelle Küste (23), 7-32.