Pressemitteilungen

15. August 2013   309/13   Forschung

Hörimplantate: Auf dem Weg zur individuell zugeschnittenen Therapie
Oldenburger Wissenschaftler erforschen Taubheitsgene

Oldenburg. Elektronische Innenohrprothesen, so genannte Cochlearimplantate, sind eine große Hoffnung für Gehörlose und hochgradig schwerhörige Menschen. Sie führen allerdings nicht in jedem Fall zum Erfolg. Eine bessere Abschätzung ihres Nutzens versprechen Forschungen, die die Arbeitsgruppe Neurogenetik an der Universität Oldenburg unter Leitung von Prof. Dr. Hans Gerd Nothwang jetzt veröffentlicht hat. Unter dem Titel „Time-dependent gene expression analysis of the developing superior olivary complex“ (Zeitabhängige Genexpressionsanalyse der Entwicklung des oberen Olivenomplexes) sind ihre Forschungsergebnisse jetzt im renommierten Journal of Biological Chemistry erschienen.
Der Verlust des Taubheitsgens Cacnad bringt nicht nur die Funktion des Innenohrs zum Erliegen, sondern beeinträchtigt auch die zentralnervöse Verarbeitung von akustischer Information erheblich – das konnten die Oldenburger WissenschaftlerInnen bereits vor einem Jahr nachweisen. Einen solchen Defekt können Hörhilfen noch nicht kompensieren. „Ob Störungen der zentralnervösen Hörbahn durch Taubheitsgene häufiger vorkommen als bislang angenommen, ist eine klinisch sehr relevante Frage. Um sie zu beantworten, haben wir zunächst das genetische Programm eines für die Hörbahn wichtigen Gehirnbereichs untersucht. Dieses haben wir dann mit dem des Innenohrs verglichen“, erläutert Nothwang.
Dabei arbeiteten die WissenschaftlerInnen mit Prof. Dr. Olaf Bininda-Emonds zusammen, der als Hochschullehrer für Molekulare Systematik an der Universität Oldenburg Erfahrung mit der Auswertung großer Datenmengen hat. Mit seiner Unterstützung konnten die Hörforscher eine wichtige Klasse von Genen identifizieren, die die Expression von Genen ermöglichen und beeinflussen.
Die Analysen ergaben, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem genetischen Programm des Innenohrs und der Hörbahn besteht. „Besonders wichtig ist dabei der Befund, dass zahlreiche Gene, die mit Taubheit im Innenohr assoziiert sind, auch in der Hörbahn stark exprimiert sind und dort wahrscheinlich eine wichtige Funktion wahrnehmen“, erklärt Nothwang. Statistische Analysen, die die Hörforscher mit Hilfe der Arbeitsgruppe „Computerorientierte theoretische Physik“ von Prof. Dr. Alexander Hartmann durchführten, ergaben, dass Taubheitsgene in der Hörbahn im Vergleich zum Gesamthirn eine statistisch signifikant erhöhte Genexpression zeigten.
„Diese Ergebnisse stützen unsere Hypothese, dass Taubheitsgene auch für den zentralnervösen Hörprozess eine äußerst wichtige Funktion erfüllen“, so Nothwang. Von einem vertieften Einblick in die Funktionen von Taubheitsgenen verspricht sich Nothwang daher einen besseren Einsatz von Hörhilfen. Technologische Fortschritte in der humangenetischen Diagnose würden es in absehbarer Zeit ermöglichen, für Patienten mit Hörstörung die jeweils zugrunde liegende genetische Mutation zu identifizieren. In Verbindung mit Daten zur Funktion der einzelnen Gene könne dann abgeschätzt werden, welche Defizite in der Hörbahn vorlägen. Dies stelle einen wichtigen Schritt zu einer individuell zugeschnittenen Therapie dar, so der Wissenschaftler.
„Im Graduiertenkolleg ‚Molekulare Basis sensorischer Biologie’ sowie im Exzellenzcluster Hearing4all werden wir daher verstärkt unsere Untersuchungen zur Funktion von Taubheitsgenen in der Hörbahn fortsetzen“, betont Nothwang. Diese Untersuchungen seien eine ideale Ergänzung zu weiteren Projekten des Oldenburger Exzellenzclusters Hearing4all, bei denen es unter anderem um die Fortentwicklung von zentralnervösen Implantaten geht.

Heike Ehmann, Heiner Hartwich, Christian Salzig, Nadja Hartmann, Mathieu Clement-Ziza, Kathy Ushakov, Karen B. Avraham, Olaf R. P. Bininda-Emonds, Alexander K. Hartmann, Patrick Lang, Eckhard Friauf und Hans Gerd Nothwang: „Time-dependent gene expression analysis of the developing superior olivary complex“, in: J. Biol. Chem. jbc.M113.490508. First Published on July 26, 2013, doi:10.1074/jbc.M113.490508

ⓘ www.jbc.org/content/early/2013/07/26/jbc.M113.490508.full.pdf+html?sid=973143a0-a78e-42c2-ad09-29c79c111e4d
 
ⓚ Kontakt:
Prof. Dr. Hans Gerd Nothwang, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, Tel.: 0441/798-3932, E-Mail: hans.g.nothwang(Klammeraffe)uni-oldenburg.de
 
Presse & Kommunikation (Stand: 01.10.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page