Russische Moderne: Rozanov
Russische Moderne: Rozanov
Russische Moderne am Beispiel von Vasilij Rozanov
Das seit Mitte der 80er Jahre betriebene Forschungsprojekt „Russische Moderne am Beispiel von Vasilij Rozanov“ mündete in die 2003 veröffentlichte Monographie „An den Grenzen der Moderne. Das Denken und Schreiben von Vasilij Rozanov“ (680 S.). Hier wurde das Schaffen eines russischen Intellektuellen im Kontext zeitgenössischer Kultur analysiert und interpretiert. Insbesondere ging es um den Nachweis des spezifischen Binnenverhältnisses zwischen philosophischem, religiösem und ästhetischem Denken im „Wortschaffen“ (slovotvorčestvo) sowie um die ästhetische Diskurse autonomisierende Abwehr einer Umsetzung in Praxis, wie sie etwa als „Lebenschaffen“ (žiznetvorčestvo) den Futuristen vorschwebte. Gegen die Terrorisierung und Totalisierung der Literatur nach dem Modell des politischen Lebens bei Savinkov (ähnliche später in der Philosophie bei Kojève sowie im Stalinismus) stand eine Lebensform der Standpunktvielfalt (Bachtin: Polyphonie), einer gleichsam biographisch realisierten künstlerischen Prosa. Überdies wurde die im Westen vorherrschende Modernisierung in Gestalt von Differenzierung konterkariert von einem anticartesianischem Synkretismus, der Agape und Sexus gleichsetzte. Dem Todeskult des russischen Totalitarismus (Hansen-Löve) wurde gleichsam im Kontext der Lebensphilosophie vorgebeugt durch eine Apotheose des Lebens. Kein Wunder, dass der in der Sowjetzeit verbotene Rozanov seit den 90er Jahren russischer Kultautor ist.