Hinweis: Im Text erwähnte Grafiken sind am Textende zu finden. Für Ansicht in hoher Auflösung bitte auf Grafik klicken. (Alle Grafiken von: Garvin Breyer und Alexander Bartholomä)
- Erfassung hochauflösender Side-Scan-Sonardaten mit Ground-Truthing mittels Shipek-Greifer für die Evaluierung mehrerer Klassifikationsalgorithmen
Nach Durchsicht und Analyse der vorhandenen Datensätze wurde ersichtlich, dass zusätzliche hydroakustische Vermessungen sowie Greiferproben erforderlich sind, um die Algorithmen zur automatischen Klassifizierung des Meeresbodens in geeigneter Weise zu bewerten. Diese Erhebungen und Probenahmen wurden an speziell ausgewählten Standorten innerhalb verschiedener Naturschutzgebiete (NSGs) in der Deutschen Bucht durchgeführt. Von April 2022 bis August 2022 wurden hochauflösende Side-Scan-Sonar (SSS)-Daten in einem Gebiet im NSG Borkum Riffgrund (BRG) und in zwei Gebieten im NSG Sylter Außenriff (SOR) erhoben (Abb. 1). Für jedes kartierte Gebiet wurden vor Ort 20-30 Greiferproben genommen und später im Labor analysiert.
Das Untersuchungsgebiet BRG ist durch eine breite Übergangszone zwischen offenen Bereichen mit mobilen Sandschichten und Bereichen mit zunehmender Blockdichte in östlicher Richtung gekennzeichnet. Der aktivste Bereich des Sedimentumsatzes befindet sich an der westlichen Grenze des geogenen Riffs (Abb. 5).Diese Übergangszonen mit hohen Mobilitätsraten sind für die Lebensraumdynamik sehr wichtige Abschnitte. Im Gegensatz zum BRG bestehen die Untersuchungsgebiete im NSG SOR aus heterogeneren kleinräumigen Mustern von Weich- und Hartsubstraten (Abb. 3). Die kleinräumigen Veränderungen und die hohe räumliche Komplexität machen diese Gebiete besonders geeignet für das Testen von Algorithmen. Die gewonnenen Datensätze bilden daher die Grundlage für die Optimierung der hydroakustischen Klassifizierungsalgorithmen. Alle Datensätze werden in naher Zukunft in der PANGAEA-Datenbank veröffentlicht.
- Erfolgreiche Entwicklung und Bewertung mehrerer maschineller Lernalgorithmen
Die automatische Berechnung von Sedimentkarten aus hydroakustischen Daten ist sowohl für Habitat- und Sedimentkartierungen als auch für Monitoring-Aufgaben von großer Bedeutung. Hierfür gibt es in der aktuellen Literatur mehrere Verfahren, die bisher jedoch ohne Konsens über besonders geeignete Methoden koexistieren. Ziel dieses Teilprojektes war es daher, Empfehlungen für die automatische Klassifikation von hydroakustischen Daten zu entwickeln. Sogenannte Random Forests (RFs), Support Vector Machines (SVMs) und Convolutional Neural Networks (CNNs) wurden eingesetzt, um Rückstreudaten von SSS an zwei Untersuchungsstandorten im Sylter Außenriff zu klassifizieren.
Bereits etablierte Merkmale wie statistische Kenngrößen und Texturen sowie neue, aus Weyl-Koeffizienten abgeleitete Parameter wurden für Bildausschnitte unterschiedlicher Größen (32 px, 16 px, 8 px) und Quantisierungsstufen (8-bit, 6-bit) berechnet. Die Merkmale wurden dann in den Algorithmen des maschinellen Lernens verwendet; siehe Abb. 3 für einen schematischen Arbeitsablauf der Gesamtmethodik. Große Bildausschnitte von 32 px Größe und die kombinierte Verwendung verschiedener Merkmalsgruppen führten zu den besten Klassifizierungsergebnissen.
Der Grad der Quantisierung hatte wenig bis gar keinen Einfluss auf die Ergebnisse. Daher empfehlen wir die Verwendung einer 6-Bit-Quantisierung, um die erforderliche Rechenzeit zu minimieren. Außerdem generierten CNNs und SVMs visuell ansprechendere Sedimentkarten als RFs, obwohl sie eine geringere numerische Gesamtgenauigkeit erzielten. Insbesondere in Übergangszonen mit unterschiedlichen Sedimenten zeigten SVMs und CNNs bessere Ergebnisse und gelangten zu einer robusteren Klassifizierung der Daten.
Basierend auf diesen Ergebnissen empfehlen wir die Berechnung von Bildausschnitten mit einer Größe von 32 px und einer 6-Bit-Quantisierung für das Training der maschinellen Lernalgorithmen. Für die Klassifizierung selbst können die Bildausschnitte entweder direkt in Neuronalen Netzen oder zur Berechnung der bereits erwähnten Merkmale (GLCM, Weyl-Koeffizienten) verwendet werden, die dann als Eingangsdaten in die Support Vector Machines eingehen.
- Automatische Klassifizierung der Untersuchungsgebiete im Sylter Außenriff basierend auf den Erkenntnissen aus 2)
Basierend auf den in Punkt 2 erarbeiteten Empfehlungen wurden für die im NSG SOR gelegenen Untersuchungsflächen Sedimentklassifikationskarten berechnet (Abb. 4). Die Klassifikationskarten weisen einen hohen Detaillierungsgrad auf und minimieren gleichzeitig das Restrauschen. Allerdings stellen Übergangsbereiche, wie z. B. in der Mitte des Untersuchungsgebiets SOR NW, eine Herausforderung für die Algorithmen dar. Außerdem scheint die Klassifizierung in einigen Bereichen "instabil" zu sein: Wo im Idealfall ein größeres Gebiet als derselbe Sedimenttyp klassifiziert worden wäre, zeigt die Klassifizierungskarte sehr kleinräumige Bereiche mit unterschiedlichen Sedimenten.
Diese Einschränkungen könnten möglicherweise durch eine Erhöhung der Anzahl der Datenpunkte (d. h. durch mehr Ground-Truthing) behoben werden, so dass den Algorithmen eine größere Menge an Informationen zur Verfügung steht, mit denen sie trainiert werden können. Alternativ dazu könnten die Algorithmen selbst weiter verbessert werden, z. B. durch Optimierung der Architektur des neuronalen Netzes. Die Beantwortung dieser Fragen könnte im Rahmen einer zweiten Phase von CREATE erfolgen.
Laufende Arbeiten:
- Untersuchung der Sedimentdynamik im NSG Borkum Riffgrund
Während einer Fahrt im April 2022 wurde ein Gebiet von mehr als 30 km² Größe im NSG BRG hochauflösend mit einem SSS-System kartiert. Das gleiche Gebiet soll im Jahr 2023 mit zusätzlichen Greiferproben für eine verbesserte Klassifizierung erneut kartiert werden. Bei der manuellen Prüfung der bereits vorhandenen Mosaike lassen sich in bestimmten Bereichen Veränderungen im Sediment feststellen, die durch Veränderungen in der "Verzahnung" der Hell-Dunkel-Übergänge in den Graustufenwerten sichtbar werden. Abb. 5A (unten links) zeigt, dass innerhalb eines Jahres eine Verschmälerung der Grate stattgefunden hat, während etwas weiter östlich in Abb. 5B (unten rechts) eine allgemeine Kontrastverringerung in den Graustufen zu erkennen ist. Letzteres führt zu einer allgemeinen Glättung des Oberflächenreliefs. Mit den zusätzlichen hydroakustischen Daten und Greiferproben sollen die Mosaike jährlich klassifiziert werden und auf dieser Grundlage eine automatische Analyse der Veränderungen erfolgen. Diese Erkenntnisse können dann genutzt werden, um die Sedimentdynamik (und damit die Lebensraumdynamik) in den Naturschutzgebieten der Deutschen Bucht besser zu bewerten und zu verstehen.
- Implementierung einer Klassifizierungssoftware mit einer interaktiven Benutzeroberfläche
Die entwickelte Software wird es den Nutzer*innen von hydroakustischen Daten ermöglichen, ihre eigenen Klassifikationskarten zu berechnen. Dazu können die Nutzer*innen per Mausklick zwischen verschiedenen Datentypen und verschiedenen Algorithmen wählen. Filteralgorithmen sowie Vorverarbeitungswerkzeuge wie Merkmalsextraktion und Merkmalsselektion helfen, die Datensätze zu homogenisieren. Die Software speichert außerdem automatisch Protokolldateien und kann trainierte KI-Modelle auf exportieren, was die Konnektivität zwischen Forschern, Interessengruppen und/oder Behörden erheblich verbessern könnte. Ein Screenshot des aktuellen Stands der Software ist in Abb. 6 zu sehen.