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Mediation - Management bei Umweltkonflikten?

Mediation - Management bei Umweltkonflikten

von Horst Zilleßen Zur Regelung von Umweltkonflikten wird heute häufig Mediation eingesetzt. Das Verfahren nützt Erkenntnisse der Konflikt- und der Partizipationsforschung sowie der Entscheidungstheorie und führt in einem systematischen und von einem Konfliktmanager gesteuerten Prozess die Konfliktparteien zu einer gemeinsamen Konfliktregelung. Am Beispiel des Konflikts um den Ausbau der Tauernbahn im Gasteinertal wird dargestellt, wie ein Mediationsverfahren abläuft.

Mediation in Environmental Conflicts

Mediaton has become a frequently applied procedure to settle environment-related conflicts. It considers the findings of conflict and participation research and includes basic aspects of the theory of decisionmaking. A mediator moderates the systematically conducted procedure and guides the conflicting parties in reaching a joint settlement of a conflict. The extension of the Tauern railway track in the Gastein valley in Austria will be taken as an example to illustrate a mediation procedure.

Benedikt Lang, der Bürgermeister von Bad Hofgastein, ist sicher kein politischer Revolutionär, aber er ist doch bereit, nicht nur politischen Widerstand zu leisten: "Wenn die ÖBB so bauen, wie bisher geplant, werden wir mit 500 Leuten die Bahngleise blockieren". Er spricht damit den umweltpolitischen Konflikt an, der gegenwärtig das weltberühmte Gasteinertal in Aufruhr versetzt: Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) planen den Ausbau der Bahnstrecke durch das Gasteinertal.

Mit ihrer Verordnung Nr. 370 aus dem Jahr 1989 hat die österreichische Bundesregierung die Bahnstrecke Salzburg - Schwarzach/St. Veit - Villach - Staatsgrenze zur Hochleistungsstrecke erklärt. Darüber hinaus hat sie sich auch im EU-Beitrittsvertrag verpflichtet, die sogenannte Tauernbahn auch im Bereich der Nordrampe, d. h. im Zufahrtsbereich zum Tauerntunnel, durch das Gasteinertal als Hochleistungsstrecke für den Personen- und insbesondere den Güterverkehr über die Alpen auszubauen. Konkret folgt daraus, dass die bisher noch eingleisigen Abschnitte der Tauernbahn im Gasteinertal zweigleisig ausgelegt werden müssen und dass dadurch die Kapazität der Bahnstrecke, auf der zz. etwa 95 bis 100 Züge pro Tag verkehren, auf bis zu 240 Züge pro Tag ansteigen würde.

Was im Hinblick auf die Entlastung der Brennerstrecke und die größere Nutzung der Schiene für den Güterverkehr umweltpolitisch vernünftig erscheint, eignet sich aus der Perspektive der besonders betroffenen Gemeinden Badgastein und Bad Hofgastein als Grundlage für ein Horrorszenario: in 10 Jahren könnten dann im 6-Minuten-Takt die Züge durch das enge Tal donnern; sie würden den Menschen nicht nur ihre Ruhe, sondern dem gesamten Tal die wirtschaftliche Grundlage rauben - den Tourismus.

Die hier sich zeigende Konfliktkonstellation kann als typisch für die Umweltpolitik bezeichnet werden: Ob Eisenbahn- oder Autobahntrasse, ob Transrapid- oder Flughafenbau, ob Emssperrwerk oder Windenergieparks - wo immer solche infrastrukturellen Maßnahmen geplant werden, stoßen sie auf widerstreitende Interessen, von denen niemand mit letzter Autorität sagen kann, dass das eine weniger gut begründbar wäre als das andere. Die Politik hat das in der Vergangenheit zwar oft versucht, aber die Autorität war eher angemaßt als zuerkannt, weil nicht nachvollziehbar war, dass die betroffenen Interessen wirklich fair abgewogen worden sind.

Als Kaiser Franz-Joseph im Jahr 1906 die Bahnlinie durch das Gasteinertal "allerhöchstselbst huldvollst eröffnet" hatte, wie es noch heute auf einer Tafel am Bahnhof Badgastein zu lesen ist, besaßen seine Untertanen, auch wenn sie mit dem Bahnbau nicht übereinstimmten, keine Möglichkeit, dagegen Widerstand zu leisten. Die Deutsche Bahn AG kann unter Anwendung des Eisenbahnrechts weitgehend noch heute bauen wie zu Kaisers Zeiten und tut es auch. Die Rechtssituation, in der die ÖBB sich befinden, ist der deutschen durchaus vergleichbar, aber sie haben erkannt, dass es politisch unklug und den eigenen langfristigen Interessen abträglich wäre, den traditionellen Weg hoheitlicher Entscheidungen weiterzugehen. Sie haben, wie auch das zuständige Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (BMWV) in Wien, zugestimmt, dass in einem Media- tionsverfahren unter Beteiligung von Vertretern aller Betroffenen eine einvernehmliche Regelung des Konflikts gesucht wird. Auf der Basis einer Anhörung am 9. März 1999 haben diese Vertreter einstimmig beschlossen, die Mediatoren Thomas Flucher, Biberist (Schweiz), und Horst Zilleßen, Oldenburg, mit der Durchführung dieses Verfahrens zu beauftragen.

Was ist Mediation?

Der Idee der Mediation liegen drei wesentliche Erkenntnisse der Konfliktforschung zugrunde:

Konflikte sind alltägliche, unvermeidliche und immer wiederkehrende Ergebnisse menschlicher Aktivitäten und spiegeln tatsächliche oder scheinbare Unvereinbar- keiten von individuellen und gruppenspezifischen Werten, Interessen und Zielen wider. Die individuelle wie die gesellschaftliche Entwicklung beruht auf der offenen Austragung von Konflikten. Wo sie unterbleibt oder unterdrückt wird, werden Entwick- lungschancen vertan und die sozialen Beziehungen beeinträchtigt oder gar zerstört. Die von einem Konflikt betroffenen oder an ihm beteiligten Personengruppen wissen selbst am besten, welche Interessen befriedigt werden müssen, damit eine Konfliktregelung für sie zustimmungsfähig werden kann.

So sicher einerseits die produktive Kraft von Konflikten ist, so schwierig ist es andererseits für die an einem Konflikt Beteiligten, im Eifer der Auseinandersetzungen sich nicht in ein fruchtloses Gegeneinander von Positionen zu verrennen. Mit der Länge und Intensität der Auseinandersetzungen wächst die Gefahr, dass man sich auf die Durchsetzung der eigenen Position versteift, anstatt nach einer vernünftigen Konfliktregelung auf der Basis wechselseitiger Interessen zu suchen. Es ist offensichtlich: Bei konkreten Konflikten denken die Beteiligten zuerst an den eigenen Vorteil und nicht an die Erweiterung der Vorteile für alle Beteiligten.

Hier setzt die Idee der Mediation an, wie sie vor allem in den USA entwickelt worden ist. Das englische Wort "mediation" bedeutet Vermittlung, und der Mediator ist letztlich der Vermittler und Konfliktmittler, der in Verhandlungen mit den Konfliktparteien eine gemeinsame Konfliktregelung zu erreichen versucht.

Ausgangspunkt der Vermittlertätigkeit ist die Tatsache, dass die einem Konflikt zugrunde liegenden Interessen selten so einlinig und eindeutig sind, dass das mögliche Ergebnis nur eine Ja- oder Nein-Entscheidung sein kann, wie es etwa bei dem Für und Wider des Schwangerschaftsabbruchs der Fall ist. Bei umweltpolitischen Konflikten spielen in der Regel neben vielfältigen inhaltlichen sowohl verfahrensbezogene als auch psychologische Interessen eine Rolle. Es geht sicher einerseits vorrangig um den konkreten Streitgegenstand, z.B. die Bahntrasse, aber auch darum, ob die Konfliktparteien das Entscheidungsverfahren als nachvollziehbar und fair in der Abwägung der unterschiedlichen Interessen empfinden und ob sie sich selbst angemessen behandelt fühlen.

Bei der Austragung von Konflikten verfügt der Mediator als nicht betroffener Dritter über einen entscheidenden Vorteil gegenüber den direkt betroffenen Konfliktparteien: Er kann die Konfliktaustragung in ihren inhaltlichen, prozeduralen und psychologischen Aspekten so steuern, dass die unterschiedlichen Interessen aller Parteien abgedeckt, einseitige Benachteiligungen vermieden und eine für alle akzeptable oder zumindest hinnehmbare Regelung gesucht wird.

Die Frage 'Was ist Mediation?' kann also wie folgt beantwortet werden: Mediation ist eine strukturierte und systematische Form der Konfliktregelung, durch die ein professioneller Konfliktmanager, der Mediator, die von einem Konflikt Betroffenen und an einer einvernehmlichen Lösung Interessierten dabei unterstützt, zu einem gemeinsam verantworteten fall- und problemspezifischen Ergebnis zu gelangen. Es geht dabei nicht vorrangig um einen Kompromiß, sondern um neue, kreative Problemlösungen.

Für den Umweltbereich muss - im Unterschied zur Familien-, Schul- und Wirt- schaftsmediation - hinzugefügt werden, dass hier Mediation als Entscheidungsvorbereitung zu verstehen ist; die Letztverantwortung der politisch oder administrativ Zuständigen kann und soll durch Mediation nicht aufgehoben werden, weil anderenfalls die politische bzw. administrative Kontrolle ins Leere laufen würde. Man kann an dieser Stelle einwenden, wie es denn um die Verbindlichkeit des Mediationsergebnisses bestellt ist, wenn die letzte Entscheidung doch bei Politik oder Verwaltung verleibt. Die Antwort darauf lautet, dass sich die Verbindlichkeit aus dem im Verfahren entstandenen Konsens herleitet, an dessen Zustandekommen die Vertreter von Politik oder Verwaltung als Konfliktparteien ja beteiligt gewesen sind. Sie werden keinem Ergebnis zustimmen, das sie für nicht umsetzungsfähig halten.

Als wesentliche Voraussetzungen für Mediation müssen angesehen werden: die freiwillige Bereitschaft aller relevanten Konfliktparteien zur Teilnahme am Verfahren; die Akzeptanz des Mediators bzw. der Mediatoren bei allen Konfliktparteien; die Offenheit des Ergebnisses, d. h. das Fehlen von Vorentscheidungen seitens der politisch oder administrativ Zuständigen, die das Ergebnis präjudizieren; die Vertraulichkeit bzw. Nicht-Öffentlichkeit der Verhandlungen. Letzteres bedeutet nicht, dass der Öffentlichkeit Informationen über Verlauf und Ergebnisse der Verhandlungen vorenthalten werden sollen, sondern nur, dass diese selbst unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden, um eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, in welcher die Beteiligten im vollen Sinne des Wortes einander verstehen können.

Mediation als politische Innovation

Mediation ist kein Passepartout, der die Tür zur Lösung aller Konflikte öffnet. Wo es aber, wie in der Umweltpolitik, um Verteilungskonflikte, um das Abwägen der Vor- und Nachteile von Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen geht, stellt Mediation aus vier Gründen eine politische Innovation dar:

  • Mediation nimmt die Erkenntnis der Entscheidungstheorie auf, nach welcher mit zunehmender Komplexität des Entscheidungsgegenstandes und der Entscheidungsbedingungen das Ergebnis der Entscheidung an Eindeutigkeit verliert - es ist nicht mehr aus sich selbst heraus verständlich, nicht mehr selbstverständlich. Im Mediationsverfahren wird berücksichtigt, dass das, was sachlich oder inhaltlich richtig ist, sich nicht mehr unbedingt aus der Sache selbst ergibt, sondern aus einem Bewertungsprozeß, in den neben sachlichen Daten und Fakten auch subjektive Problemsichten, Wertungen und Interessen eingehen müssen.
  • An diesem Bewertungsprozeß, das zeigt die Partizipationsforschung, müssen die Entscheidungsbetroffenen beteiligt werden. Erst durch Beteiligung wird eine sachlich richtige Entscheidung auch "sozial richtig", d. h. nachvollziehbar und vollzugsfähig. Wenn also die Mediation davon ausgeht, dass eine Problemlösung wie im Fall der Tauernbahn nicht "von oben" vorgegeben, sondern von den Betroffenen gemeinsam erarbeitet wird, dann zahlt sich dies in doppelter Hinsicht aus: Entscheidungstheoretisch gesehen verbessert sie den Entscheidungs-Input durch das Wissen und die Problemsichten, die Phantasie und die Ideen der Betroffenen; politisch betrachtet macht sie die Betroffenen zu Beteiligten an der Problemlösung, anstatt sie in Form von politischem und juristischem Widerstand zu einem Teil des Problems werden zu lassen.
  • Dieser Ansatz der Mediation folgt auch aus den Ergebnissen der Konfliktforschung. Ein Konflikt (lat.: confligere = zusammenstoßen, in Kampf oder Streit geraten) kann niemals nur auf der sachlichen Ebene geregelt werden; in Konflikten geht es immer auch um Emotionen, Interessen und Beziehungen von Menschen. Der strukturierte Ablauf des Mediationsverfahrens gibt ihnen Raum und trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Konflikte nur dann tragfähigen Regelungen zugeführt werden können, wenn alle Konfliktebenen angemessen berücksichtigt werden.
  • Letzteres ist im traditionellen politischen Entscheidungsprozeß in der Regel nicht der Fall; da wird in einem eher einseitigen, hierarchischen Verfahren entschieden, dass eine Hochleistungsstrecke gebaut werden soll. Die Betroffenen, z. B. im Gasteinertal, erreicht nur diese Information; sie erfahren wenig oder nichts über die rechtlichen und politischen Verpflichtungen der Republik Österreich, über die Erwartungen und Hoffnungen der ÖBB, über die Einsichten und Problemsichten der für die Planung Verantwortlichen, und sie fühlen sich selbst nicht ernst genommen mit ihren eigenen Problemen, Interessen und Ängsten. Die Mediation bietet hier einen neuen Ansatz, fußend auf den Ergebnissen der Kommunikationsforschung: Informationen sind Botschaften, die nicht nur sachliche Inhalte vermitteln, sondern stets auch Gefühle und Erwartungen, weshalb sie nicht nur sachliche Reaktionen auslösen, sondern auch emotionale und affektive. Obwohl wir das wissen, ist es im konkreten Fall nicht evident, was mit einer Botschaft transportiert wird. Es bedarf dazu eines Prozesses der Entschlüsselung, der Decodierung. Er setzt direkte Kommunikation von Sender und Empfänger der Botschaft voraus und in vielen Fällen, wie bei komplexen umweltpolitischen Entscheidungen, die Beteiligung eines erfahrenen Konfliktmanagers, eines Mediators, der den Beteiligten dabei hilft, ihre Botschaften für die Adressaten verstehbar zu machen, sie zu entschlüsseln.

Ablauf eines Mediationsverfahrens

Wie die aus verschiedenen Forschungsbereichen stammenden theoretischen Grundlagen der Mediation in der Praxis umgesetzt werden, soll anhand des im April 1999 angelaufenen Mediationsverfahrens im Gasteinertal dargestellt werden. Vorausgeschickt werden muß der Hinweis, dass es zwar ein allgemeines Konzept für die Strukturierung von Mediationsverfahren gibt, dass aber jedes Verfahren unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten geplant werden und zudem offen sein muß für Anpassungen, die sich aus dem Ablauf als notwendig ergeben.

Um das zu ermöglichen, was als das wesentliche Kennzeichen der Mediation angesehen werden muß, nämlich eine auf Verständigung ausgerichtete Interaktion der Konfliktparteien, sollte die Zahl der Akteure im Verfahren nicht größer als 25 sein. Dies gewährleistet, dass die Beteiligten sich wirklich kennen und verstehen lernen denn verstehen ist die Vorausetzung dafür, Verständnis für die jeweils unterschiedlichen Interessen entwickeln zu können.

Das "Mediationsforum Gasteinertal" als das zentrale Gremium dieses Verfahrens bleibt erfreulicherweise unterhalb der maximalen Größenordnung. Neben den Bürgermeistern der Gemeinden Badgastein, Bad Hofgastein und Dorfgastein sitzen im Forum der Leiter der Planungsabteilung der ÖBB, ein Vertreter der Landesumweltanwaltschaft (LUA), Vertreter von zwei Bürgerinitiativen, ein Vertreter des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) sowie je ein Vertreter des Kur- und Tourismusverbands von Badgastein und Bad Hofgastein. Hinzu kommt noch je ein Vertreter des BMWV, des Amtes der Landesregierung Salzburg und der Wirtschaftskammer Salzburg.

Wir haben das Verfahren in drei Phasen aufgeteilt und diesen jeweils besondere Ziele zugeordnet. In der Phase der Vorbereitung sind zunächst intensive Vorgespräche mit allen Konfliktparteien geführt worden, die sich auf folgende Punkte konzentrieren: Zu beteiligende Personen und Gruppen, Analyse der Sachlage und der Entwicklung des Konflikts sowie Abklärung eines geeigneten Verfahrensablaufs. Die Ergebnisse dieser Gespräche bieten nicht nur notwendige Hintergrundinformationen für die Einschätzung, wie die Konfliktsituation durch die Beteiligten gesehen wird und wie die Konfliktlinien verlaufen, sondern erlauben vor allem eine umfassende Konfliktanalyse. Deren wesentliche Erkenntnisse sind den Teilnehmern auf der ersten Sitzung des Mediationsforums am 19. Mai 1999 mitgeteilt worden. Die Vorgespräche dienten auch dazu, die für den Verfahrensablauf wichtigen Fragen der Organisation (z. B. Vorbereitung, Ort, Dauer der Sitzungen bis hin zu den praktischen Problemen der Versorgung der Teilnehmer mit Getränken etc. während der Sitzungen) zu klären. In dieser ersten Phase wurde auch eine "Geschäftsordnung" entworfen, die die Spielregeln für den Umgang miteinander wie auch mit der Presse und der allgemeinen Öffentlichkeit festlegt. Sie ist auf der genannten Sitzung verabschiedet worden und stellt einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Problemlösung dar, insofern sie den Konsens darüber zeigt, dass und wie die Beteiligten diesen Weg miteinander gehen wollen. Das Ziel der Vorbereitungsphase, die Bereitschaft für eine kooperative Problembearbeitung zu schaffen, ist damit erreicht.

Wie weit diese Bereitschaft trägt, muß die entscheidende zweite Phase der Durchführung erweisen. Sie wird damit beginnen, dass die Beteiligten auf der Basis der Konfliktanalyse die Probleme benennen, die es zu behandeln gilt. In dem Maße, in dem die Problembeschreibung von den Beteiligten einvernehmlich erfolgt, schafft sie einen Konsens darüber, was im Verfahren konkret erreicht werden soll. Damit wäre auch das erste Ziel dieser Phase erreicht, die wechselseitige Anerkennung der unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten.

Wenn die Beteiligten sich über die Problembenennung einig sind, steht im nächsten Verfahrensschritt die kreative Ideensuche an, die - ungeachtet der Frage der Machbarkeit - aufzeigen soll, was die Betroffenen aus ihrer jeweiligen Interessenlage heraus sich als eine ideale Problemlösung vorstellen. Dies ist deshalb notwendig, weil üblicherweise - so auch im vorliegenden Fall - die Beteiligten konkrete Vorschläge in der Tasche haben, auf die sie sich festgelegt haben und die sie als Manifestation ihrer besonderen Interessen verstehen, von denen sie nicht abrücken wollen. In Badgastein sind es drei Tunnelvarianten, die neben den Planungen der ÖBB zunächst einmal vom Tisch genommen werden müssen, um den Blick auf das Problem neu zu öffnen und das Spektrum dessen zu erweitern, was von den Beteiligten als rationale Problemlösungen angesehen werden kann. Dies ist mit dem Ziel "Erweiterung der Handlungskapazitäten" beschrieben. (In Bad Hofgastein ist die Situation etwas anders; hier stehen vier Planungsvarianten zur Diskussion, die gemeinsam bewertet werden sollen, um eine konsensuale Entscheidung zu erreichen.)

Wenn eine kreative Ideensuche gelungen ist, müssen die dabei entstandenen Vorschläge operationalisiert, d. h. auf ihre Machbarkeit hin überprüft werden. Das setzt einerseits voraus, dass die Beteiligten sich auf die Kriterien einigen, nach welchen die als realisierbar erkannten Vorschläge zu bewerten sind, was im vorliegenden Fall durch einen Arbeitskreis vorbereitet werden soll. Andererseits müssen auch bahntechnische und geologische, verkehrstechnische, ökonomische und ökologische Fragen - ebenfalls vorbereitet durch Arbeitsgruppen - geklärt werden. Die gemeinsame Bestimmung von Bewertungs- und Machbarkeitskriterien soll die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten aller Beteiligten erweitern und so eine gemeinsame Problemlösung ermöglichen.

Der Weg zu einer konsensualen Lösung ist dann frei, wenn es gelingt, dass das Forum sich auf objektive Kriterien verständigt, nach welchen die als realisierbar erkannten Trassenvarianten bewertet werden sollen. Dies wird hier voraussichtlich - wie in anderen Verfahren auch - zu einer Paketlösung führen, die sehr unterschiedliche Interessen des Lärmschutzes, der Wirtschaftlichkeit, der Verkehrsführung im Gasteinertal, des Umwelt- und Denkmalschutzes, der Kompensation für mit dem Bahnbau verbundene Wertminderungen von Grundstücken und vieles andere zusammenbindet. Das Ergebnis wird in einem Schriftstück festgehalten, das alle Beteiligten unterzeichnen und das dann als Grundlage für die vorgesehenen Maßnahmen im Gasteinertal dienen wird. Das Ergebnis dieses Verfahrens wird - so hoffen wir - eine langfristige Kooperationsbereitschaft aller Konfliktparteien begründen, denn es werden auch dann weitere Konflikte und Probleme zu regeln sein, wenn so gebaut werden wird, wie das Mediationsforum es empfohlen hat.

Der Autor

Dr. Prof. Dr. Horst Zilleßen lehrt Umweltpolitik/Umweltplanung am Institut für Öffentliche Planung des Fachbereichs 3 Sozialwissenschaften. Nach dem Studium der Politikwissenschaft an der Universität Köln war Zilleßen u.a. Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, bevor er 1980 zum Präsidenten der Universität Oldenburg gewählt wurde. In seiner anschließenden Lehrtätigkeit (seit 1986) befasste sich der Wissenschaftler, der sich in den 70er Jahren aktiv in der Umweltschutzbewegung betätigt hatte, schwerpunktmäßig mit Umweltpolitik. Er leitet das von ihm gegründete An-Institut MEDIATOR (Zentrum für Umweltkonfliktforschung und –management).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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