Politische Bildung/Politikdidaktik

Wilkommen auf der Seite der Abteilung für politische Bildung und Politikdidaktik

 

 

AKTUELLES

We are doomed! Politische Bildung in der Postapokalypse

Hier zum vollständigen Flyer.

Politische Bildung verschreibt sich unverbrüchlich dem Optimismus. Die eigene Praxis scheint nur mit einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft sinnvoll. Szenariotechniken, Simulations- und Planspiele richten sich deshalb an Utopien und eben nicht an Dystopien aus. Schließlich will niemand den Untergang herbeireden oder gar planen (Neupert-Doppler, 2023). Der Blick in die Vergangenheit lehrt offenbar außerdem, dass sich in noch so aussichtslosen Situationen offenbar immer wieder Auswege fanden. Also: Keep on hoping! Aber gilt das noch für die Gegenwart? Daran darf gezweifelt werden. Denn am Beginn des 3.  Jahrtausends verbreitet sich der Eindruck, dass die Zukunft diesmal wirklich auf dem Spiel steht. Die Gegenwart wird als multiple Krise, als Metakrise oder geradezu neues Zeitalter beschrieben (Anthropozän, Kapitalozän, Plantagozän, „Chthuluzän“ (Haraway, 2018) oder anderes -ozän). Dabei sind es nicht Irrpfade oder außergewöhnliche äußere Ereignisse, die die gegenwärtige Situation herbeigeführt haben. Vielmehr ist es die eigene, „imperiale Lebensweise“ (Brand & Wissen, 2017), die eine „Kollapsologie“ (Servigne & Stevens, 2020) nährt. [...]

Wenn in der Postapokalypse die „Zukunftstauglichkeit liberal-demokratischer Politik“ brüchig wird und wir eine „Demokratiedämmerung“ (Selk, 2023) erleben – wie verschieben sich dann demokratietheoretische Fragestellungen? Geht es noch um die Legitimierung von politischen Entscheidungen oder bereits um die Frage, in welcher Form Gemeinschaften sich überhaupt noch demokratisch artikulieren können? 

Welche Orientierungspunkte ergeben sich für eine postapokalyptische Gesellschaftsanalyse, die sich an einer „Sociology of Futurelessness“ (Tutton, 2023) orientiert? 

Wie könnten bisherige Konzepte und Grundbegriffe politischer Bildung in einer postapokalyptischen Situation überdacht oder gar ersetzt werden? Welche neuen Orientierungen werden relevant (z. B. „Anpassung“ (Staab, 2022), „Resilienz“ (Schröder, 2024))?

Ermöglichen und beschleunigen die klassischen auf- und erklärenden Formate der politischen Bildung nicht das, was sie verhindern wollen? Werden sie sogar zu einer tragischen Praxis?

Ist die Rede von Krisen und insbesondere die Figur der Lösungssuche überhaupt noch sinnvoll? Wie mit dem Ab(-)grund umgehen? 

Steht die Orientierung an Möglichkeitsräumen mit ihren Planspielen und Simulationsszenarien am Ende im Dienst eines imperialen Reflexions- und Modalisierungsregimes (vgl. dazu Soltro, 2022), das die Postapokalypse stabilisiert? 

Wie kann politische Bildung jenseits eines problemlösenden Lernens konzeptualisiert werden (etwa in Formen eines „Edgeworkings“ (Hentschel, 2023))?

Die Tagung wird als Präsenzveranstaltung durchgeführt. Geplant ist eine Publikation mit den wichtigsten Ergebnissen der Tagung. Für Vortragsvorschläge zu den genannten oder auch weiteren Fragen erbitten wir ein Abstract (ca. 2.500 Zeichen inkl. Literaturangaben und Leerzeichen) bis spätestens zum 01.06.2024 an: postapokalypse2024@uni-oldenburg.de.

 

Prof. Dr. Tonio Oeftering im Interview zur Diskusion um ein mögliches AfD Verbotsverfahren

In dem Interview mit dem Radiosender Radio Nordseewelle äußert sich Prof. Dr. Oeftering zu der Debatte rund um ein mögliches Parteiverbotsverfahren gegen die AfD. Dabei argumentiert er, dass eine Partei, die auf die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung zielt, nicht Teil der politischen Mitte werden darf. Ein Verbot stellt jedoch ein komplexes Verfahren dar, welches antidemokratische Kräfte zu ihrem Vorteil nutzen könnten. Zum Abschluss fordert er die Gesellschaft zur klaren Haltung auf und plädiert für die Stärkung der Politischen Bildung, um sich dem wachsenden Rechtspopulismus entgegen stellen zu können.

Im folgenden kann das vollständige Interview angehört werden.

Erscheinung des Beitrags "Demokratie-Lernen und/oder Politik-Lernen!? Eine fachdidaktische Debatte"

im Sammelband "Demokratiebildung in der Schule Kontroversen um das Bildungsziel Demokratie"

Mit den Debatten über die Krise der Demokratie ist auch die Aufgabe der Schulen, die Demokratiebildung der jungen Generation zu fördern, wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Wie kann Demokratiebildung in der Schule gestaltet werden? Wie sieht eine gelingende Demokratiebildung aus? Welche Kompetenzen und Inhalte sind dabei zu vermitteln? Dieser Fragen nehmen sich Autor:innen verschiedener Fächer und Disziplinen an. Damit gibt der Band einen Einblick in unterschiedliche Perspektiven auf Demokratiebildung und lädt zur Diskussion über geeignete Ansätze des Demokratielernens ein. 

Neuveröffendlichung

Musik, Sound und Politik als Handlungsfeld politischer und musikalischer Bildung

Während sich einzelne Stimmen in der Musikpädagogik bereits seit einiger Zeit mit Fragen nach Politik und dem Politischen in der Musik auseinandersetzen, lässt sich inzwischen auch in der Politischen Bildung ein verstärktes Interesse an Musik und Sound beobachten. Bislang mangelt es allerdings an einem nachhaltigen Dialog zwischen den beiden Disziplinen. Vor diesem Hintergrund bündelt dieser Band Überlegungen zu der Frage, inwiefern sich Ansätze der Musikpädagogik, Sound Studies und der Politischen Bildung in Bezug auf den an Bedeutung gewinnenden Nexus zwischen Musik, Sound und Politik gegenseitig bereichern können.

Dunkel, M.; Oeftering, T. (Hrsg.): Musik, Sound und Politik als Handlungsfeld politischer und musikalischer Bildung . Münster (Waxmann) 2023.

Neuerscheinung

Rezension zu: Gantschow, A./Meyer-Heidemann, C. (Hg.): Bürgerbildung und Freiheitsordnung. Politische Bildung als republikorientierte Praxis. Frankfurt, 2023.  In: Gesellschaft-wirtschaft-Politik (GWP),  H. 3/2023, S. 387.
https://www.budrich-journals.de/index.php/gwp

"Für Demokratie einstehen"

Anlässlich des Tags der Deutschen Einheit spricht Prof. Dr. Tonio Oeftering im Interview über Demokratie als Lebensform und wann sich Hochschulen gesellschaftspolitisch positionieren sollten:
https://uol.de/aktuelles/artikel  /fuer-demokratie-einstehen-8379

 

Prof. Dr. Tonio Oeftering übergibt Projektabschlussbericht an Wissenschaftsminister Mohrs

Am 25. August 2023 hat Prof. Dr. Tonio Oeftering im Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) in Hannover Minister Falko Mohrs den Abschlussbericht des Projekts "Wissenschaftliche Evaluation der Landeszentrale für politische Bildung Niedersachsen" übergeben. Das Projekt wurde vom MWK gefördert und im Zeitraum Oktober 2022 bis August 2023 maßgeblich von Dr. Antje Gansewig und Prof. Dr. Tonio Oeftering durchgeführt.


Foto: Leon Schmalstieg

 

 

 

 

 

Prof. Dr. Tonio Oeftering im Beirat des Insituts für die Didaktik der Demokratie (IDD)

Im Juli 2023 ist Prof. Dr. Tonio Oeftering in den Beirat des Insituts für die Didaktik der Demokratie (IDD) an der Leibniz Universität Hannover berufen worden.

https://www.idd.uni-hannover.de/de/ (Homepage)

 

 

Veröffentlichung des Sammelbandes "Angegriffene Demokratien - Perspektiven der Politischen Bildung"

Welche Anforderungen, Aufforderungen und Gültigkeit bringt die Diagnose der „angegriffenen Demokratie(n)“ für die Politische Bildung mit sich? Diese Frage bearbeitet der Band anhand von normativen, empirischen und konzeptionellen Beiträgen.

Neuerscheinung im Jahrbuch für Pädagogik 2022: 30 Jahre und kein Ende der Geschichte (S. 139–148)

Dr. Sven Rößler. Zur Verdrängung der Moderne als Epoche. Oder: Warum (nicht nur) die Fachdidaktik der Politischen Bildung die Einsichten ihrer klassischen Lektüren am Ende doch immer wieder einholen

Ausgehend vom exemplarischen Rezeptionsschicksal der „epochalen Schlüsselprobleme“ Klafkis wird die Annahme des Verlustes eines Epochenbegriffs innerhalb hegemonialer (fach-)didaktischer Diskurse in der Spätmoderne entfaltet. Einer genuin fachdidaktischen Theoriebildung käme dabei die Aufgabe zu, und zwar in der Vergegenwärtigung längst in den klassischen Schriften der Disziplin formulierter Einsichten, Geschichtslosigkeit überhaupt als selbst epochal wirkmächtigen Imperativ ansichtig werden zu lassen und so auch Politischer Bildung als bloß einer Didaktik in der Moderne dazu zu verhelfen, als eine Didaktik der Moderne ihrem Bildungsbeitrag letztlich gerecht zu werden.

Based on the exemplary reception fate of Klafki’s “epochal key Problems”, the assumption of the loss of a concept of epoch within hegemonic didactic discourses in late modern times will be developed. A genuinely didactic theory formation would have the task, namely in the visualisation of insights long formulated in the classical writings of the discipline, of making historicity visible as an imperative that is itself epochally effective, and thus also helping political education as merely a didactics in the modern age to ultimately do justice to its educational contribution as a didactics of the modern age.

Veröffentlichung des Sammelbandes "Pendelbewegungen"

In dem Sammelband „Pendelbewegungen. Erkundungen im Spannungsfeld musikalischer und politischer Bildung” befassen sich die Autoren mit dem Verhältnis der beiden Disziplinen. Das Verhältnis zwischen Musik und Politik ist in der Sache wie in den damit befassten Disziplinen so grundlegend wie spannungsreich: Immerzu gab und gibt es Versuche der wechselseitigen Vereinnahmung, aber auch der Verdrängung. Die Funktionalisierung von Musik für politische Zwecke oder die Behauptung eines apolitischen l’art pour l’art sind nur die hervorstechendsten Beispiele. Im hier unternommenen transdisziplinären Austausch wird nun in Frage gestellt, ob bereits das bloße Aufdecken solcher Verflechtungen bildsam ist oder sich nicht vielmehr auch andere relevante Perspektiven aus der je eigenen Logik ergeben. Inwiefern sind beispielsweise die von Musikpädagog:innen postulierten Zielsetzungen anschlussfähig an die Diskurse innerhalb der Politischen Bildung und vice versa? Der ergebnisoffene Austausch kann dazu dienen, das je eigene Selbstverständnis zu konturieren. Bei den in diesem Band versammelten Erkundungen schwingt das Pendel mal mehr in das Gebiet der einen, mal mehr in das der anderen Fachdidaktik hinein. Weiter Informationen über den Sammelban finden sie hier.

Veröffentlichung des Sammelbandes "Standortbestimmung Politische Bildung"

 

Seit kurzem ist der neue Sammelband "Standortbestimmung Politische Bildung", herausgegeben von Steve Kenner und Tonio Oeftering, im Wochenschau Verlag erschienen. Der Sammelband baut auf den Diskussionsbeiträgen und Vorträgen der DVPB-Herbsttagung 2020 auf und beschäftigt sich mit zahlreichen aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen, gegenwärtigen zivilgesellschaftlichen Tendenzen sowie dem Mythos eines vermeintlichen Neutralitätsgebotes für die Politische Bildung.

Neue Institutsleitung

Am 13.10.2021 hat der Institutsrat eine neue Institutsleitung gewählt. Zur Direktorin des Instituts für Sozialwissenschaften ist Prof. Dr. Jannika Mattes gewählt worden. Die Position des stellvertretenden Direktors bekleidet Prof. Dr. Tonio Oeftering.

Prof. Dr. Tonio Oeftering zu Gast im Podcast "Wer wählt wie warum? Eine Kreuzchen-Analyse"

In dieser Ausgabe des hr2-kultur-Podcasts Der Tag vom 13.09.2021 geht es um die vielfältigen Faktoren, die Einfluss auf die Wahlentscheidung haben. Prof. Dr. Tonio Oeftering steuert angesichts der demnächst anstehenden Bundestagswahl einen politikdidaktischen Beitrag über die Rolle, Wirkung und den Einfluss von Emotionen in der politischen Bildung bei.

Call for Papers – anlässlich der Herbsttagung der DVPB vom 25.-27. November 2021 an der Friedrich Schiller Universität Jena

Stellungnahme des Arbeitskreises Außerschulische politische Jugendbildung und politische Erwachsenenbildung (AJEB) der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE)

Politische Bildung in „Corona-Zeiten“ und danach – Probleme und Perspektiven.

Die „Corona-Krise“ hat auch die Arbeit der außerschulischen politischen Jugendbildung/ politischen Erwachsenenbildung erheblich beeinflusst. Welche Folgen dies für die Gegenwart hat und welche für die Zukunft ihrer Arbeit zu erwarten sind, war Gegenstand einer Online-Konferenz, die der Arbeitskreis Außerschulische politische Jugendbildung und politische Erwachsenenbildung (AJEB) der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE) am 18. März 2021 ausgerichtet hat. Diese Stellungnahme fasst die wichtigsten Ergebnisse und Forderungen der Konferenz zusammen.

Folgen für das System der politischen Bildung

Das System der außerschulischen politischen Bildung war schon immer durch die prekäre Beschäftigungssituation vieler Bildner*innen geprägt. So vielfältig das System in Deutschland ist, so fragil ist es auch geworden. Viele Freiberufler*innen hat die Corona-Pandemie in eine existenzbedrohende Situation gebracht. Ob und wie sie nach der Pandemie weiterarbeiten können, ist ungewiss. Es droht, dass viel Expertise verloren geht. Hinzu kommt die Befürchtung, dass eine generelle Mittelkürzung zur Abfederung der durch Corona entstandenen wirtschaftlichen Schäden zu erwarten ist. Offen ist also, welche Art Fördermittel der außerschulischen politischen Bildung für die spätere Arbeit (in Präsenz) überhaupt noch zur Verfügung stehen werden.

Die Institutionen der politischen Bildung verfügen über unterschiedliche Ressourcen, mit der sie der Corona-Pandemie begegnen, z. B. für die Umstellung der Bildungsangebote auf digitale Veranstaltungen. Hier sind die „großen“ Einrichtungen wie z. B. Akademien mit einem starken Träger im Rücken im Vorteil gegenüber den kleinen, vor Ort arbeitenden Einrichtungen. Jene können „sichtbarer“ für ihre Teilnehmer*innen und Adressat*innen bleiben und somit besser die Kontinuität ihrer Arbeit sichern, während die kleinen Einrichtungen dazu oft nicht die personellen, technischen und finanziellen Ressourcen haben. Hinzu kommt, dass Tagungshäuser mit Personal und laufenden Kosten wegen ausgebliebener Einnahmen nicht mehr aufrechterhalten bleiben können und geschlossen werden müssen. Nach der Pandemie könnte das System der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung erheblich „ausgedünnt“ und weniger vielfältig sein als davor. Das wäre ein großer Verlust für die Demokratie und die politische Kultur. 

Folgen für die Gestaltung und die Inhalte der politischen Bildung

Die Konferenzteilnehmer*innen beobachten, dass der politischen Bildung wieder eine Feuerwehrfunktion zugeschrieben wird. Die Nachfrage nach bestimmten Angeboten steigt, z. B. sollen Antworten gegeben werden, wie mit Corona-Leugner*innen und Verschwörungserzähler*innen umgegangen werden kann. Damit werden aber keine langfristigen Strukturen gesichert, auch wenn an diesem Beispiel deutlich wird, wie notwendig und relevant politische Bildung ist.

Die digitalen Angebote ermöglichen grundsätzlich, die Arbeit politischer Bildung aufrechtzuerhalten und zuweilen sogar den Adressat*innenkreis bspw. aufgrund wegfallender Entfernungen zum Veranstaltungsort zu vergrößern. Hier liegen also auch Potentiale. Aber es muss auch danach gefragt werden, welche Gruppen durch die Etablierung digitaler Angebote gerade nicht erreicht und somit exkludiert werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass durch die ausschließlich digitalen Angebote die durch die Pandemie bereits verschärfte soziale Ungleichheit weiter vergrößert wird.

Online-Veranstaltungen bringen zwar quantitativ mehr Reichweite, aber damit sind auch die Pädagog*innen „weiter weg“ von ihren Adressat*innen. Eine echte Begegnung von Menschen, getragen von Interaktion, Emotion und Empathie, kann im Digitalen nicht ermöglicht werden. Bei allen Chancen, die sich durch digitale Formate bieten, muss die außerschulische politische Bildung für alle ihre Zielgruppen Angebote schaffen können. Dafür bieten die digitalen Möglichkeiten nur wenige didaktische Spielräume und Variationen. Somit kann „Digitales“ in der politischen Bildung grundsätzlich nur ein Zusatz und kein Ersatz sein.

Die „Corona-Krise“ selbst kann als eine Lerngelegenheit gesehen werden, denn durch die Pandemie ist der Bedarf, sich etwa mit Verschwörungserzählungen und dem Verständnis von Wissenschaft auseinanderzusetzen, ebenso gestiegen wie die Notwendigkeit, Wissenschaftsverständnis und Medienkompetenz zu fördern. Es sind aber auch grundlegende politische Fragestellungen, die sich im Rahmen der Pandemie stellen und die von der politischen Bildung aufgegriffen werden müssen. Etwa die Fragen, wer unter diesen Umständen mit welcher Legitimation und unter Einhaltung welcher Verfahren die allgemein verbindlichen Entscheidungen fällt, wie das sensible Verhältnis von Freiheit und Sicherheit austariert wird usw.

Die Forderungen:

Insgesamt stellt sich die Frage, ob politische Bildung in der „Post-Corona-Zeit“ und dem zu erwartenden, mit ihr verbundenen Strukturwandel einen ausreichend großen Raum bieten kann, um die kollektiven (gleichzeitig vielfältigen) Erfahrungen der globalen Pandemie zu be- und zu verarbeiten. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein politischer Diskurs in der Gesellschaft ist (z. B. Gewährleistung von Freiheit oder Rettung von Leben, Legitimität von Verfahren) und in welchem Maße sich Solidarisierungs- oder Entsolidarisierungstendenzen abzeichnen. Eine starke außerschulische politische Bildung wird deshalb auch nach der Pandemie unerlässlich bleiben. Hieraus folgt:

- Es muss mehr und verstärkte Lobbyarbeit von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Bildungsinstitutionen, aber auch von politischen Akteur*innen, die sich in Bildungsfragen engagieren, für die außerschulische politische Bildung geben.

- Es müssen nicht nur vorhandene Strukturen erhalten bleiben, sondern grundsätzlich sichere Beschäftigungsverhältnisse für Bildner*innen, gerade für „Soloselbständige“, geschaffen werden.

- Das System der außerschulischen politischen Jugendbildung/ politischen Erwachsenenbildung muss trotz zu erwartender allgemeiner Sparzwänge gestärkt werden.

- Trotz durchaus positiver Erfahrung mit digitalen Bildungsangeboten bleiben auch in Zukunft Präsenzformate zentral. Unmittelbare Begegnungen in Bildungseinrichtungen und Tagungshäusern sind und bleiben für eine wirkungsvolle politische Bildung grundlegend.

- Es ist mehr Forschung erforderlich. Denn gerade jetzt ist ungewiss, wie sich unter den gegebenen Umständen Strukturen verändern und, wie und unter welchen Bedingungen gute politische Bildung gelingt.

- Es muss politischer und gesellschaftlicher Konsens sein, dass die „Corona-Krise“ gezeigt hat, wie unverzichtbar und „systemrelevant“ außerschulische politische Jugendbildung und politische Erwachsenenbildung sind.

Für den Arbeitskreis Außerschulische politische Jugendbildung und politische Erwachsenenbildung (AJEB): Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer, Prof. Dr. Tonio Oeftering und Dr. Julia Oppermann/ 03.05.2021

Neuerscheinung

Im Sammelband „Positionen der politischen Bildung 3. Interviews zur außerschulischen Jugend- und zur Erwachsenenbildung“ wird u. a. der Frage nachgegangen, welchen Herausforderungen sich die gegenwärtige politische Jugend- und Erwachsenenbildung stellen muss.

Neue Reihenherausgabe

Prof. Dr. Tonio Oeftering ist seit Januar 2021 Mitherausgeber der Reihe „Erinnern und Lernen. Texte zur Menschenrechtspädagogik“ im LIT Verlag

www.lit-verlag.de/publikationen/reihen/erinnern-und-lernen.-texte-zur-menschenrechtspaedagogik/

Neuerscheinungen

Mit „Politische Bildung meets Kulturelle Bildung“ ist nun der fünfte Band der Reihe „Votum. Beiträge zur politischen Bildung und Politikwissenschaft“ erschienen.

Der Band "Hannah Arendt – Lektüren zur politischen Bildung" ist aus der Zusammenarbeit von Prof. Dr. Dirk Lange, Prof. Dr. Waltraud Meints-Stender und Prof. Dr. Tonio Oeftering entstanden.

„Eine positive Demokratiegeschichte“

Politische Bildung fristet oft ein Nischendasein. Dabei bietet gerade die Wiedervereinigung eine gute Gelegenheit, die Errungenschaften der Demokratie aufzuzeigen, sagt der Politikdidaktiker Tonio Oeftering anlässlich des 3. Oktober.

Herr Prof. Dr. Oeftering, wir feiern in Deutschland in diesen Tagen 30 Jahre Wiedervereinigung. Warum ist es wichtig, dass dieses Thema in den Mittelpunkt der politischen Bildung rückt?

Die Wiedervereinigung ist ein positiver Identifikationspunkt in unserem kollektiven Gedächtnis. Denn die friedliche Revolution ist eine der großen Errungenschaften nach dem zweiten Weltkrieg. Natürlich soll dies nicht den negativen Fixpunkt des Nationalsozialismus verdrängen – die Erfahrungen der NS-Zeit sind zentral für die deutsche Geschichte. Aber die Wiedervereinigung ist eine positive Demokratiegeschichte, die zeigt, was möglich ist, wenn Menschen friedlich für ihre Freiheit und ihre Rechte auf die Straße gehen. Im Politikunterricht an Schulen oder in der außerschulischen politischen Bildung ist die Wiedervereinigung zudem Lernanlass für einen praktischen Systemvergleich. Was für eine Diktatur war die DDR eigentlich? Welches sind die Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaats, die es in der DDR nicht gab? Das sind Themen, die wir zu diesem Anlass aufgreifen können.

Laut des kürzlich veröffentlichten Jahresberichts zum Stand der Deutschen Einheit ist die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland in den neuen Ländern nach wie vor geringer als in den alten Bundesländern. Woran kann das liegen?

Die Gründe für diese Unterschiede sind vielschichtig. Es mag daran liegen, dass sich die politischen Kulturen in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich entwickelt haben. Hinzu kommt, dass sich die Lebensverhältnisse in beiden Teilen Deutschlands zwar angeglichen haben, aber trotzdem noch unterscheiden und beispielsweise Ostdeutsche in der Leitung von Unternehmen oder in führenden politischen Positionen unterrepräsentiert sind. Gerade im Osten fühlen sich manche nach wie vor als Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse, deren vorangegangene Lebenserfahrungen entwertet wurden. Das hat Enttäuschungen produziert, die nicht in gute Bahnen gelenkt wurden. Da fühlen sich viele abgehängt.

Offenbar mangelt es laut Bericht gerade im Osten auch an Vertrauen in die Politik…

Es gibt ja auch durchaus Anlass zur Kritik. Politikerinnen und Politker sind in der Verantwortung, die Menschen nicht zu vergessen und eine Politik zu machen, die vertrauenswürdig ist – gerade, weil sich viele abgehängt fühlen. Hinzu kommt: Kräfte wie die AfD oder rechte Bewegungen versuchen gezielt, das Vertrauen in die Demokratie zu erschüttern und etwa unsere Regierung als diktatorisch zu brandmarken. Dabei geht die Wortwahl, wie „Altparteien“ oder „Lügenpresse“, auf nationalsozialistische Sprechweisen zurück. Die Demokratie, wie wir sie in den Jahren der Wiedervereinigung errungen haben, wird in Misskredit gebracht durch Leute, die eine bewusste Strategie haben. Doch wie agieren diese Gruppen? Wie sprechen sie und was sind die eigentlichen Interessen? Aufgabe der politischen Bildung ist, dies zu betrachten und die Vorzüge der Demokratie aufzuzeigen.

Ist denn vieles von dem, was wir gegenwärtig erleben, auch auf mangelnde Bildung zurückzuführen?

Ja, die politische Bildung ist oft stark defizitär – in Ost- und Westdeutschland. Aber gerade im Osten gibt es wenig Wissen, etwa über den Rechtsstaat. Und die DDR-Diktatur wird oft verharmlost. Das grundlegende Problem ist, dass politische Bildung ein Nischendasein fristet. Das ist skandalös vor dem Hintergrund der rechtspopulistischen und demokratiefeindlichen Entwicklungen in der Gesellschaft. In den Schulen ist Politikunterricht nur minimal in den Stundentafeln vertreten, wie Untersuchungen der Universität Bielefeld im „Ranking Politische Bildung“ regelmäßig zeigen. Zudem ist Politik eines der Fächer, die am häufigsten fachfremd unterrichtet werden. Und in der außerschulischen Bildung sieht es nicht besser aus – viele Angebote gibt es nicht mehr, weil die Einrichtungen um ihre Existenz kämpfen. Für eine gute politische Bildung ist aber eine verlässliche und langfristig angelegte Struktur nötig. Hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Denn die Erwartung an den Politikunterricht ist ja, dass er junge Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern macht, die informierte Entscheidungen treffen können.

Was müsste hier anders werden?

Der Unterricht sollte nicht nur mehr Stunden umfassen, sondern es ist auch wichtig, dass es eine gute und fundierte Ausbildung von Lehrern gibt. Das betrifft nicht nur die Politiklehrer selbst, sondern eigentlich alle Lehrerinnen und Lehrer – gerade, wenn es um demokratische Werte und Einstellungen geht. Meiner Meinung nach ist es eine Aufgabe der gesamten Schule, Demokratie zu lehren. Wir brauchen also guten Fachunterricht, und gleichzeitig ist die Schule als Institution gefragt. Das Jubiläum der deutschen Einheit zeigt, wie dringlich dies ist. Wir brauchen politische Bildung, um die Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung im Bewusstsein zu behalten und uns gleichzeitig den Herausforderungen aus den bislang nicht erledigten Aufgaben der Wiedervereinigung stellen zu können.

Interview: Constanze Böttcher

Quelle: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: uol.de/aktuelles/artikel/eine-positive-demokratiegeschichte-4454

Neuerscheinung

Mit „Protest und Partizipation“ ist nun der vierte Band der Reihe „Votum. Beiträge zur politischen Bildung und Politikwissenschaft“ erschienen. Dieser Sammelband entstand als Dokumentation der Münsteraner Sektionstagung 2017 der DVPW-Sektion Politikwissenschaft und Politische Bildung, durch die Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andrea Szukala (Münster) und Prof. Dr. Tonio Oeftering (Oldenburg).

(Stand: 05.03.2024)  | 
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