Programm

Programm

HIER finden Sie die Programmübersicht der 1. Sommerakademie Niederdeutsch.

Lehreinheiten, Übungen und Workshops

Im Folgenden finden Sie ausführliche Informationen zu den einzelnen Lehreinheiten, Übungen und Workshops.

Montag, 05. September 2022

Sprachpraxis I, II, III (Frank Fokken, UOL)

Zeiten: Montag, 05. September, 09:30–11:00 Uhr; Dienstag, 06. September, 09:00–10:30 Uhr; Mittwoch, 07. September, 09:00–10:30 Uhr

Titel: Sprachpraktische Einführung in das ostfriesische Niederdeutsch I–III

Dozent: Frank Fokken, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Diese Übung wendet sich an Teilnehmer*innen, die einen ersten Einblick in das ostfriesische Niederdeutsch und in die Arbeitsweise und Inhalte der Sprachkurse für Anfänger*innen und Fortgeschrittene an der Universität Oldenburg bekommen möchten. Es werden keinerlei aktive oder passive Sprachkenntnisse im Niederdeutschen vorausgesetzt, sie sind aber durchaus willkommen.

Der Schwerpunkt der Übungen liegt in den Bereichen Verstehen und Sprechen. Anhand von leicht verständlichen kurzen Texten und verschiedenen Hörbeispielen wird ein erster einfacher Wortschatz aufgebaut und es werden grammatische Grundkenntnisse vermittelt und grundlegende Satzmuster vorgestellt, die in verschiedenen Sprechübungen gefestigt werden. Dabei werden elementare Themenbereiche wie „Die Vorstellung der eigenen Person“, „Die Familie“ oder „Die Beschreibung von Personen“ im Fokus stehen. Bei dieser sprachpraktischen Einführung in das ostfriesische Niederdeutsch werden verschiedene Methoden der Fremdsprachvermittlung vorgestellt und angewendet.

Die immersiv verwendete Unterrichtssprache ist das ostfriesische Niederdeutsch.

Literatur:
Arbatzat, Hartmut (2016). Platt – dat Lehrbook. Hamburg: Quickborn.
Hiestermann, Heike/Konen-Witzel, Katrin (2021). Snacken – Proten – Kören. Hamburg: Quickborn.
Knabe, Herma/Nath, Cornelia (2014). Nu man to! En Spraaklehrbook in 12 Lessen. Aurich: Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH.
Lücht, Wilko (2016). Ostfriesische Grammatik. Aurich: Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH.

Niederdeutsch heute (Marina Frank, Doreen Brandt, UOL)

Zeit: Montag, 05. September, 11:30–12:15 Uhr

Titel: Niederdeutsch heute: Status & Gebrauch – Kultur – Wissenschaft

Dozentinnen: Marina Frank, Prof. Dr. Doreen Brandt, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Zur Einführung und Einstimmung auf das geplante Lehrprogramm der Sommerakademie gibt diese Lehreinheit einen knappen Überblick zur Situation des Niederdeutschen in der Gegenwart. Dabei werden drei Aspekte berücksichtigt. Der erste betrifft die Frage nach Status und Gebrauch des Niederdeutschen in der Gegenwart: Wer spricht oder versteht heute Niederdeutsch, in welchen kommunikativen Situationen und in welchen Medien wird die Sprache gebraucht? Wo kann man mit Niederdeutsch in Berührung kommen und wo kann man die Sprache erlernen? Der zweite Aspekt ist eng damit verknüpft und betrifft die Produktivität der Sprache im kulturellen Bereich, etwa in Literatur und Musik, Theater und Hörspiel. Der dritte Aspekt schließlich zielt auf die niederdeutsche Sprache als Gegenstand in Forschung und Lehre in der norddeutschen Wissenschaftslandschaft ab.

Geschichte und Statuswandel des Niederdeutschen (Andreas Bieberstedt, Rostock)

Zeit: Montag, 05. September, 13:45–15:15 Uhr

Titel: Grundzüge einer Geschichte und des Statuswandels des Niederdeutschen

Dozent: Prof. Dr. Andreas Bieberstedt, Universität Rostock

Zusammenfassung:

Anschließend an die Einführung in das Neuniederdeutsche skizziert diese Lehreinheit die Grundzüge einer niederdeutschen Sprachgeschichte von ihren Anfängen um 800 nach Christus bis in das 20. Jahrhundert. Die strukturelle und funktionale Entwicklung des Niederdeutschen vom Altniederdeutschen, über das Mittelniederdeutsche bis zum Neuniederdeutschen der Gegenwart werden hierbei unter dem Aspekt einer historischen Mehrsprachigkeitssituation in Norddeutschland behandelt, die sich in einem permanenten Wandelprozess befindet und bei der Niederdeutsch und Hochdeutsch als Kontaktsprachen und Konkurrenten auftreten (für die alt- und mittelniederdeutsche Phase ist zudem das Lateinische als weiterer sprachlicher Mitspieler zu berücksichtigen). Sichtbar wird ein mehrfacher Statuswechsel des Niederdeutschen, der von Willy Sanders (1982) plakativ mit den Begriffen „Sachsensprache“, „Hansesprache“ und „Plattdeutsch“ beschrieben wurde. In der Lehreinheit sollen wesentliche Aspekte dieses Statuswechsels anhand ausgewählter Materialien und Texte diskutiert werden. Zugleich soll der mit diesem Statuswechsel zusammenhängende historische Bewertungswandel des Niederdeutschen betrachtet werden, vor allem auf der Basis zeitgenössischer metalinguistischer Äußerungen.

Dienstag, 06. September 2022

Sprachvariation (Michael Elmentaler, Kiel)

Zeit: Dienstag, 06. September, 10:45–12:15 Uhr

Titel: Sprachvariation

Dozent: Prof. Dr. Michael Elmentaler, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Zusammenfassung:

Variabilität ist eine grundlegende Eigenschaft von Sprache. Schon das geschriebene Standarddeutsch ist nicht frei von Variation (z.B. in der Lexik: Fleischer/Schlachter/Metzger, in der Morphosyntax: ich habe/bin gesessen, in der Aussprache: Käse/Kese), umso mehr gilt dies für das gesprochene Hochdeutsch und in noch stärkerem Maße für eine schwach standardisierte Sprache wie das Niederdeutsche mit seinen zahlreichen Dialekten. Um dessen sprachliche Strukturen angemessen beschreiben zu können, ist daher eine Klärung des Variationsbegriffs erforderlich. In dem Vortrag wird grundsätzlich zwischen zwei Arten von Variation unterschieden.

Ein erster Variationstyp kann als „externe Variation“ bezeichnet werden. Er bezieht sich nach Mattheier (1984, 772) auf eine „Kategorisierung der sprachlichen Variabilität nach der sozio-kommunikativen Funktion der Sprache“. Mit Variation ist hier in einem soziolinguistischen Verständnis ein Wechsel sprachlicher Formen gemeint, der mit außersprachlichen Bedingungsfaktoren in Zusammenhang steht. Zu diesen externen Faktoren gehören neben dem Faktor Raum (regionale Variation) auch Parameter wie Situation (bzw. im Schriftlichen: Textsorte), Bildungsgrad der Sprecher*innen oder Adressatenkreis. In einem zweiten Sinne bezeichnet Variation das Auftreten mehrerer alternativer Varianten für eine Variable innerhalb eines Gesprächs oder eines Textes. Dieser Variationstyp wird als „interne Variation“ bezeichnet, da sie nicht durch externe Faktoren gesteuert wird, sondern durch innersprachliche Kontextbedingungen (lautliche Umgebung, Satzzusammenhang usw.). Interne Variation kann aber auch kontextunabhängig auftreten, als „freie“, nicht erkennbar motivierte Variation.

In dem Vortrag werden die verschiedenen Formen der Variation an Beispielen aus dem gesprochenen und geschriebenen Niederdeutsch illustriert. Dabei soll zugleich auch ein Blick darauf geworfen werden, a) welche Funktionen den einzelnen Varianten jeweils zukommen, b) wie die Niederdeutschsprechenden selbst das Vorkommen von Varianten beurteilen (gibt es „gute“ und „schlechte“ Variation im Niederdeutschen?), c) ob im zeitlichen Verlauf eine Abnahme oder Zunahme von Variation zu beobachten ist und d) wie im Zuge der angestrebten Didaktisierung und Standardisierung des Niederdeutschen mit Variation umzugehen ist.

Phonetik/Phonologie (Jörg Peters, UOL)

Zeit: Dienstag, 06. September, 13:45–15:15 Uhr

Titel: Erkundung eines niederdeutschen Lautsystems ‒ Eine praktische Einführung in die dialektologische Feldforschung im westlichen Ostfriesland

Dozent: Prof. Dr. Jörg Peters, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

In diesem Workshop sollen praxisnahe Erfahrungen in niederdeutscher Feldforschung im Bereich der segmentalen Phonetik und Phonologie gewonnen werden. Ausgangspunkt bilden aktuelle Tonaufnahmen der Wenkersätze in der Gemeinde Krummhörn an der Westküste der ostfriesischen Halbinsel. Diese Aufnahmen sollen hinsichtlich phonologischer Leitvariablen im Bereich des Vokalismus und Konsonantismus ausgewertet werden. Ziel ist (i) die dialektologische Verortung der Tonaufnahmen im ostfriesischen Sprachraum; als Quellen hierfür dienen historische Wenkerkarten und die ostfriesische Grammatik von Lücht (2016); und (ii) eine Beurteilung des Dialektalitätsniveaus der Sprachproben; als Vergleichsmaterial dienen originale Wenkerbögen aus dem Gebiet der Gemeinde Krummhörn, die historische Ortsgrammatik zu Greetsiel von Hobbing (1879) und die Beschreibung des Lautsystems des Ortsdialekts von Campen durch Reershemius (2004).

Der Workshop setzt lediglich Grundkenntnisse der Phonetik und Phonologie voraus, wie sie in den ersten Semestern des Studiums der Germanistik und angrenzender Philologien erworben werden.

Literatur:
Hobbing, Johann (1879). Die Laute der Mundart von Greetsiel in Ostfriesland. Mit Einleitung: Zur Charakteristik der Mundart. Ein lautphysiologischer Versuch. Emden.
Lücht, Wilko (2016). Ostfriesische Grammatik. Aurich: Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH.
Reershemius, Gertrud (2004). Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Stuttgart: Steiner.

Warksteden I, II: Praat (Heike Schoormann, Marina Rohloff, UOL)

Zeiten: Dienstag, 06. September, 15:30–17:00 Uhr; Donnerstag, 08. September, 15:30–17:00 Uhr

Titel: Praat

Dozentinnen: Heike Schoormann, Marina Rohloff, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

In diesem Workshop wird in das auf die phonetische Untersuchung gesprochener Sprache spezialisierte Analyseprogramm Praat eingeführt. Neben grundlegenden ersten Schritten und einem Kennenlernen der Bedienoberfläche wollen wir anhand einiger Beispiele in diesem Programm arbeiten und einige weiterführende Funktionen vorstellen. Der genaue Inhalt wird an die Teilnehmenden des Workshops angepasst (Vorwissen im Bereich der akustischen Phonetik, Erkenntnisinteresse in Bezug auf eigene Studien), könnte aber nach Möglichkeit die folgenden Dinge umfassen: Analyseeinstellungen & -ebenen, Segmentierung und Annotationsebenen, Einbinden von Skripten, Vocal Toolkit, PSOLA.

Sie haben die Möglichkeit, zwischen diesem und dem Workshop REDE zu wählen. Wenn Sie am Praat-Workshop teilnehmen möchten, bitten wir um eine Kontaktaufnahme zur Abklärung Ihrer Vorkenntnisse und eventueller Programmwünsche. Damit der Workshop konkreter an Kenntnisstände und Vorstellungen der Teilnehmenden angepasst werden kann, schicken Sie uns einfach bis zum 25.07.2022 eine E-Mail an: , oder .

Warksteden I, II: Regionalsprache.de (REDE) (Marina Frank, UOL)

Zeiten: Dienstag, 06. September, 15:30–17:00 Uhr; Donnerstag, 08. September, 15:30–17:00 Uhr

Titel: Recherche und Sprachkartographie mit dem REDE SprachGIS 

Dozentin: Marina Frank, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Das REDE SprachGIS ist ein forschungszentriertes sprachgeographisches Informationssystem zu den modernen Regionalsprachen des Deutschen, das im Rahmen des Projekts Regionalsprache.de entwickelt wurde und kontinuierlich weiter ausgebaut wird. Einerseits kann das SprachGIS als Datenpool mit unzähligen Recherchemöglichkeiten genutzt werden, andererseits ist die Erstellung eigener Karten möglich.

Im ersten Teil des Workshops werden wir zunächst die Hintergründe des Projekts Regionalsprache.de besprechen. Dann werden wir verschiedene Recherchemöglichkeiten kennen lernen. Das REDE SprachGIS enthält Karten aus Sprachatlanten, Tonaufnahmen aus verschiedenen Forschungsprojekten, Literaturangaben u. v. m. Im zweiten Teil des Workshops werden wir dann eigene Karten erstellen. Einerseits werden wir die Zeichenwerkzeuge im REDE SprachGIS kennen lernen, andererseits (eigene) Sprachdaten visualisieren.

Sie haben die Möglichkeit, zwischen diesem und dem Workshop Praat zu wählen. Wenn Sie am REDE-Workshop teilnehmen möchten, bitten wir um eine Kontaktaufnahme zur Abklärung Ihrer Vorkenntnisse und eventueller Programmwünsche. Damit der Workshop konkreter an Kenntnisstände und Vorstellungen der Teilnehmenden angepasst werden kann, schicken Sie uns einfach bis zum 25.07.2022 eine E-Mail an:  oder .

Mittwoch, 07. September 2022

Literatur I: Mnd. Literatur (Doreen Brandt, UOL)

Zeit: Mittwoch, 07. September, 10:45–12:15 Uhr

Titel: Reynke de vos (Lübeck 1498) und die mittelniederdeutsche Literatur

Dozentin: Prof. Dr. Doreen Brandt, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Die Lehreinheit gibt in einem ersten Schritt einen Überblick über die mittelniederdeutsche literarische Produktion von ihrem Beginn im 13. Jahrhundert bis zu ihrem Ausklang im 16. und 17. Jahrhundert und thematisiert dabei auch Status und Bewertung dieses Teils volkssprachiger Schriftlichkeit im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit seitens der germanistischen Forschung und der Literaturgeschichtsschreibung (Übersetzungsliteratur, Hanseliteratur etc.). Mit dem mittelniederdeutschen Tierepos „Reynke de vos“, das 1498 in der Lübecker Mohnkopf-Offizin gedruckt wurde, lernen die Teilnehmenden in einem zweiten Schritt nicht nur einen der wichtigsten Vertreter der europäischen Tierepik kennen, sondern gewinnen auch Einblicke in das Repertoire der norddeutschen Drucker um und nach 1500.

Literatur II: 18. Jh. (Doreen Brandt, UOL)

Zeit: Mittwoch, 07. September, 13:45–15:15 Uhr

Titel: Mit dem Fuchs vor Augen. Der „Reynke de vos” und die niederdeutsche Literatur der ‚Zwischenzeit‘ (ca. 1650–1800)

Dozentin: Prof. Dr. Doreen Brandt, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Im 16. Jahrhundert war das Tierepos „Reynke de vos“ auf dem frühneuzeitlichen Buchmarkt geradezu omnipräsent. Und auch im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Fuchsdichtung immer wieder gedruckt und die ältere mittelniederdeutsche Literatur auf diese Weise präsent gehalten. Das ist umso bemerkenswerter, als das Hochdeutsche spätestens in der Mitte des 17. Jahrhunderts die niederdeutsche Sprache in allen Domänen der schriftsprachlichen Kommunikation abgelöst hatte. Dieser Prozess betraf auch die Literatur, aber eben nicht in Gänze. Inwiefern das Niederdeutsche auch in der sogenannten Zwischenzeit von ca. 1650 bis 1800 literarisch produktiv und präsent blieb und welche Rolle dabei der mittelniederdeutschen Literatur und hier insbesondere dem „Reynke de vos“ zukam, das soll in der Lehreinheit thematisiert und diskutiert werden.

Donnerstag, 08. September 2022

Perzeptionslinguistik (Yvonne Hettler, Hamburg)

Zeit: Donnerstag, 08. September, 09:00–10:30 Uhr

Titel: Einführung in die Wahrnehmungsdialektologie

Dozentin: Dr. Yvonne Hettler, Universität Hamburg

Zusammenfassung:

Die norddeutsche Umgangssprache ist geprägt von niederdeutschen Varianten, wie z.B. dem velaren /a:/, deren Perzeption und Bewertung im Rahmen der Wahrnehmungsdialektologie untersucht wird. So zeigt sich in Studien u.a., dass Sprecher*innen annehmen, „reines“ Standarddeutsch zu sprechen und sich nicht bewusst sind, welche norddeutschen Varianten sie verwenden. Die Beschäftigung mit der Wahrnehmung von Varianten und Varietäten und dem (subjektiven) Wissen über sie ermöglicht es also u.a., Sprachkonzeptualisierungen zu erkennen, die auch das Sprachhandeln von Individuen bestimmen können.

In der Lehreinheit werden wir uns einen Überblick über die Entwicklung des noch relativ jungen Forschungszweiges verschaffen und uns konkret mit Methoden und Inhalten der Wahrnehmungsdialektologie beschäftigen. Zentral ist hierbei die Salienzforschung, die sich mit den unterschiedlichen Graden an Aufmerksamkeit, die Hörer*innen sprachlichen Merkmalen entgegenbringen, befasst und u.a. untersucht, welche Varianten (z.B. auch im Rahmen von Dialektimitationen) welche Bewertungen und welche regionalen Konzepte auslösen. Die Auffälligkeit von sprachlichen Phänomenen hängt mit einer Vielzahl von Parametern zusammen: Neben merkmalsinhärenten Faktoren, wie z.B. dem phonetischen Abstand zur Standardsprache, ist sie in starkem Maße hörerindividuell und wird auch vom Sprach- und Normbewusstsein und den Spracherfahrungen von Hörer*innen bestimmt. In der Lehreinheit sollen das Konzept der Salienz sowie aktuelle Befunde zur Perzeption niederdeutscher Varianten thematisiert werden, wobei ein Ziel darin besteht, das Gehör der Teilnehmenden für die Wahrnehmung norddeutscher Varianten zu sensibilisieren.

Als Vorbereitung empfiehlt sich die Lektüre von Auer (2014).

Auer, Peter: Anmerkungen zum Salienzbegriff in der Soziolinguistik. In: Linguistik online 66, 4/14 (2014), S. 7-20.

Graphematik/Standardisierung (Franziska Buchmann, UOL)

Zeit: Donnerstag, 08. September, 10:45–12:15 Uhr

Titel: Das Schriftsystem des Niederdeutschen und seine Standardisierung

Dozentin: Dr. Franziska Buchmann, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Das Schriftsystem des Niederdeutschen ist bislang wenig erforscht: Aus graphematischer Perspektive ist es aber durchaus gewinnbringend die phonologischen, silbischen, morphologischen und syntak­tischen Schreibprinzipien des Niederdeutschen zu untersuchen und zu analysieren, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Aufgrund der soziolinguistischen Besonderheiten des Nieder­deutschen im 20./21. Jahrhundert und der sehr guten Forschungslage zum Hochdeutschen bietet es sich an, die Erkenntnisse zum Hochdeutschen als Untersuchungsfolie zu benutzen.

Zusätzlich muss man beachten, dass das Niederdeutsche anders als das Hochdeutsche keine überregionale geschriebene Standardsprache aufweist. Man muss also die verschiedenen regionalen Varietäten untersuchen oder sich entscheiden, mit welcher Varietät man in der Untersuchung anfängt.

Zur phonographischen Analyse gehört einerseits das Inventar der genutzten Buchstaben und andererseits die Korrespondenz zwischen den Graphemen und den Phonemen. Die silbischen Schreibungen umfassen die Vokalschreibungen sowie die Schreibungen von Silbenrändern: Dehnungs-h, Doppelvokalschreibungen, Silbengelenke. Die morphologischen Schreibungen umfassen alle Schreibprinzipien, die innerhalb eines Wort- oder Flexionsparadigmas von einer Wortform auf eine andere Wortform vererbt werden und in diesem Zusammenhang muss mindestens die sogenannte Stammkonstanz und die Affixkonstanz unterschieden werden. Zu den syntaktischen Schreibprinzipien gehören die Groß- und Kleinschreibung sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung.

Befasst man sich mit der Verschriftlichung des Niederdeutschen aus Sicht der Produktion, stellen sich Fragen der Standardisierung: In unterschiedlichen Kontexten, vor allem aber im Bildungs­bereich, wird immer wieder nach dem Umgang mit den Varianten des Niederdeutschen gefragt. Zum einen soll in den zu schreibenden Texten sich die Vielfalt der gesprochenen regionalen Varianten widerspiegeln, zum anderen soll und kann aus praktischen Gründen ein Text nicht immer in alle regionalen Varietäten übersetzt werden. Außerdem möchte niemand eine regionale Varietät zur Leitvarietät erheben. Die Frage ist also auch, wie geht man mit der nicht vorhandenen Standardisierung um, die eben auch dazu führt, dass es keine Bildungssprache Niederdeutsch gibt.

Niederdeutschdidaktik I: Sprache (Franziska Buchmann, UOL)

Zeit: Donnerstag, 08. September, 13:45–15:15 Uhr

Titel: Niederdeutsch als Fremdsprache

Dozentin: Dr. Franziska Buchmann, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Es ist kein Geheimnis, dass das Niederdeutsche eine eingeschränkte Vitalität aufweist. Es wird in aller Regel nicht mehr als Erstsprache oder als zweite Erstsprache in den Familien an die Nachkommen weitergegeben; vielmehr gewinnt die Vermittlung der Sprache in Bildungseinrichtungen an Bedeutung. Niedersachsen setzt in diesem Zusammenhang seit Jahren auf ein Angebot in den Schulen: entweder durch Unterricht oder durch Arbeitsgemeinschaften, und zwar mit sehr unterschiedlichen Konzepten der Umsetzung. Von Sprachbegegnung im Deutschunterricht über Plattdeutsch-Projekttage und Theater-AGs bis hin zum Immersionsunterricht ist alles zu finden. Ein verbindliches, kontinuierliches Angebot von der Kita bis zur Universität fehlt in Niedersachsen leider immer noch.

Ein Curriculum für ein Fach Niederdeutsch muss den Anforderungen an einen modernen Fremdsprachen­unterricht entsprechen: Es muss den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen sowie die Kompetenzbereiche Sprechen, Hör- und Hörsehverstehen, Lesen, Schreiben und Sprachmittlung mit konkreten (sprachlichen) Inhalten füllen. Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn Erkenntnisse aus dem Fremdspracherwerb in das Curriculum integriert würden. Leider blieben bisher beobachtende Studien beispielsweise zum Aufbau einer Interlanguage der Schüler*innen aus; auch Interventionsstudien, die den Effekt einer Lehreinheit nachweisen könnten, lassen sich nicht finden; und wir wissen auch nicht, welche bewussten oder unbewussten Strategien Lernende nutzen, um eine konkrete Aufgabenstellung zu bearbeiten. Dem entgegen kennen wir aber viele Erfahrungs­berichte aus der Praxis, aus denen die Faktoren für einen gelingenden Zweitspracherwerb, nämlich Motivation, Gelegenheit und Fähigkeit, für die besondere Situation des Niederdeutschen abgeleitet werden können.

Die Lehreinheit bietet einen Überblick über die verschiedenen Themenfelder.

Freitag, 09. September 2022

Literatur III: 19. Jh. (Nikos Saul, UOL)

Zeit: Freitag, 09. September, 09:00–10:30 Uhr

Titel: Der Deutsch-Französische Krieg in niederdeutschen Gedichten der 1870er

Dozent: Nikos Saul, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Zusammenfassung:

Mit dem Deutsch-Französischen Krieg erlebte die niederdeutsche Literatur eine Politisierung und Bezogenheit auf aktuelle politische Geschehnisse zuvor ungekannten Ausmaßes. Viele niederdeutsche Lyriksammlungen der folgenden Jahre enthielten Gedichte, die den Krieg zum Thema hatten. Auch monothematische Sammlungen mit Titeln wie Uns‘ Krieg mit den Franzos 1870-71 erschienen. Im Bereich der Prosa gelangten vor allem Schilderungen von Fronterlebnissen auf den Markt. Ihren quantitativen Höhepunkt erreichte diese niederdeutsche Kriegsliteratur 1871 und 1872, danach ist – bis zum Ersten Weltkrieg – eine erneute Hinwendung zu Themen zu erkennen, die weniger oder gar nicht solche des politischen Feldes sind.

Anhand einiger Gedichte, die beispielhaft für die Haupttendenzen der niederdeutschen Kriegsgedichtproduktion dieser Zeit stehen, geht die Lehreinheit der Darstellung des Deutsch-Französischen Kriegs in der niederdeutschen Lyrik nach. Welche Haltungen nehmen die Texte zum Krieg ein und wie vermitteln sie diese dem Publikum? Welche Figuren tauchen auf: einfache Soldaten oder hohe Politiker? Und welche Folgen für die Kämpfenden und die Zivilbevölkerung werden benannt? Angesichts eines Nationalismus, der in den Folgejahren in niederdeutschen Kontexten einflussreich werden sollte und das Niederdeutsche als Idealtypus des Deutschen bestimmte, ist ebenfalls nach der Darstellung eines angenommenen niederdeutschen Raums und seiner Bevölkerung angesichts des Krieges zu fragen.

Anders als niederdeutsche Kriegsgedichte des Ersten Weltkriegs sind die des Deutsch-Französischen Kriegs bisher kaum erforscht. Die Lehreinheit soll dazu beitragen, dass sie stärker in den Blick der Forschung geraten.

Literatur IV: 20./21. Jh. (Robert Langhanke, Flensburg)

Zeit: Freitag, 09. September, 10:45–12:15 Uhr

Titel: Ausbauliteratur und Nischenkultur. Zum Werdegang niederdeutscher Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts im Spiegel ausgewählter Texte und Konzepte

Dozent: Robert Langhanke, Europa-Universität Flensburg

Zusammenfassung:

Nach einer rückblickend betrachtet fulminanten Entwicklung einer erneuerten niederdeutschen Literatursprachlichkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Einzeltexte scheinbar mühelos in die nationale und internationale Hochkultur vordrangen und dort kulturhistorisch bleibende Spuren hinterließen, präsentiert sich auch noch das Textaufkommen des frühen 20. Jahrhunderts zwar sprachlandschaftsbezogener, aber fortgesetzt selbstbewusst und von der Idee einer alternativen niederdeutschen Literatur- und Kultursprache begleitet. Diese Vorstellungen lassen sich über das Jahrhundert hinweg bis in das Jahr 2022 nicht erhalten und sind einem immer kleinräumiger agierenden Literaturbetrieb gewichen, dessen Hauptmerkmal sowohl textliche als auch personelle und rezeptionelle Übersichtlichkeit geworden ist. Auf die weitreichenden Ideen einer sogenannten niederdeutschen Bewegung folgte die Nische einer niederdeutschen Szene, die sich in jeder Sprachraumregion anders entwickelte und präsentiert. Regionale niederdeutsche Literaturen bestimmen das Feld bei gleichzeitiger Überdachung durch vergleichbare Konzepte. Dass die aus dem 19. Jahrhundert stammende Idee niederdeutscher Literatur aber fortgesetzt lebendig ist, liegt an der ungebrochenen Fähigkeit einzelner Autorinnen und Autoren zur literarischen und sprachlichen Innovation, zum poetischen Wagnis in niederdeutscher Sprache, dem es nachzuspüren gilt und das einem vorschnell ausgesprochenen Provinzialitätsverdacht entgegensteht.

Angebote zur Ordnung neuerer niederdeutscher Literatur haben im frühen 20. Jahrhundert Stammler (1920) und Borchling (1927), in jüngerer Zeit Bichel, Meier und Eiben-von Hertell im Handbuch Cordes/Möhn (1983) und jüngst Möhn/Goltz (2016) gemacht. Eine gültige Definition dieser Literatur nach irritierenden Beanspruchungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts ist Schuppenhauer (1969, 1972), Bichel (1974), Haas (1983) und Schröder (2004) ein Anliegen. Ob „[n]iederdeutsche Literatur […] Literatur wie jede andere [ist], nur eben in niederdeutscher Sprachform“, wie Schuppenhauer (1972, 33) formuliert, bleibt aber ebenso wie die Versuche zur literarhistorischen Traditionsbildung Ausgangspunkt einer offenen Diskussion, die auf der Sommerschule aufgegriffen wird.

Primär haben Dichterinnen und Dichter das Verständnis einer modernen oder angemessenen niederdeutschen Literatursprache über ihre Texte vermittelt. Der Leserschaft bietet sich ein unerwartet heterogenes Feld, das weder allein über konservative Klischeeausprägungen humoristisch, kleinbürgerlich oder primär dorfbezogen angelegter Text zu sichern noch ausschließlich über experimentelle und sprachschöpfende Textformen angemessen zu erfassen ist. Waltrud Bruhns Lyrik repräsentiert den Gegenstand ebenso wie Rudolf Kinaus Kurzprosa. Vielmehr gilt es, die Spannungen eines Literaturbetriebs zu beleuchten, der sich zwar noch selbst trägt, zugleich aber dem niederdeutschen Sprachverlust proportional ebenso ausgesetzt ist wie die alltagssprachliche Situation in Norddeutschland.

Von welchen Produzenten und Rezipienten ist also auszugehen, wo existieren welche niederdeutschsprachigen Literaturformen, und welche Lebens- und Sprachwelt gestalten Texte der aufgerufenen Strecke für welche Diskurse? Konkrete Textbeispiele und Thesen zur neueren niederdeutschen Literaturentwicklung regen zur Diskussion an. Die Lehreinheit versucht einen pointierten Überblick zu den angeführten Entwicklungen und Konzeptionen und lädt über einzelne Texte zur näheren Literaturerfahrung ein.

Niederdeutschdidaktik II: Literatur (Ulrike Stern, Greifswald)

Zeit: Freitag, 09. September, 13:45–15:15 Uhr

Titel: Niederdeutscher Sprach- und Literaturunterricht in der Sekundarstufe I mit Fritz Reuters Verserzählung „Kein Hüsung“ (1857)

Dozentin: Ulrike Stern, Universität Greifswald

Zusammenfassung:

Ausgehend vom Rahmenplan Niederdeutsch für die Sekundarstufe I und die gymnasiale Oberstufe in Mecklenburg-Vorpommern wird im Seminar eine im Aufbau befindliche Lehrerhandreichung zu einem der wichtigsten Werke der ostniederdeutschen Literatur vorgestellt: Fritz Reuters „Kein Hüsung“. Die 1857 erschienene, dreizehn Kapitel umfassende Verserzählung wurde zuletzt in der Spielzeit 2016/17 von der Fritz-Reuter-Bühne Schwerin, der niederdeutschen Sparte des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin, in einer gekürzten Theaterfassung auf die Bühne gebracht, die in Zusammenarbeit mit dem Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2020 als Hörspiel aufgenommen wurde. Dieses Audiomaterial steht allen Interessierten kostenlos zur Verfügung und stellt neben dem Textbuch der Inszenierung einen wichtigen Baustein bei der schulischen Vermittlung des Werkes da, das auch über den Niederdeutschunterricht hinaus Anknüpfungspunkte zum Beispiel im Geschichts-, Religions- oder Philosophieunterricht bietet. Das Kompetenzzentrum für Niederdeutschdidaktik der Universität Greifswald entwickelt die entsprechende Lehrerhandreichung mit themen- und textbezogenem Zugang. Bei Letzterem stehen vier ausgewählte Kapitel im Fokus der Beschäftigung: „De Not“, „De Hass“, „De Muurd“ und „Dat Enn“. In der Seminarsitzung wird ein Überblick über die möglichen Abläufe und Aufgaben für diese Kapitel gegeben, bevor ausgewählte Ausschnitte einzelner Unterrichtseinheiten gemeinsam ausprobiert und reflektiert werden. Eine vorherige Lektüre der Verserzählung ist nicht notwendig.

Rahmenprogramm

Sonntag, 04. September 2022: Gemeinsames Abendessen

Zeit: Sonntag, 04. September, 19:00 Uhr

Wir treffen uns um 19 Uhr im Ols Brauhaus am Hafen zu einem gemeinsamen Abendessen.

Montag, 05. September 2022: Plattdeutsche Stadtführung

Zeit: Montag, 05. September, 16:00–17:30 Uhr

Die plattdeutsche Stadtführung beginnt in der Innenstadt auf dem Schlossplatz am Haupteingang des Schlosses. HIER finden Sie weitere Informationen zur Stadtführung.

Mittwoch, 07. September 2022: Öffentlicher Abendvortrag

Zeit: Mittwoch, 07. September, 18:00–19:30 Uhr

HIER finden Sie weitere Informationen zum öffentlichen Abendvortrag.

Mittwoch, 07. September 2022: Gemeinsames Abendessen

Zeit: Mittwoch, 07. September, 20:00 Uhr

Nach dem Abendvortrag gehen wir gemeinsam im Restaurant L’Osteria in der Innenstadt essen.

Freitag, 09. September 2022: Gemeinsames Picknick

Zeit: Freitag, 09. September, 18 Uhr

Zum Abschluss der Sommerakademie veranstalten wir ein Picknick im Innenhof.

(Stand: 20.06.2024)  | 
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