Theorie der Geschichtswissenschaft
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Theorie der Geschichtswissenschaft
"Ich sehe das, was Du nicht siehst". Zu den theoretischen Grundlagen geschichtswissenschaftlicher Arbeit
Nach wie vor glauben Historiker an die prinzipielle Objektivität und Rationalität ihrer wissenschaftlichen Arbeit sowie daran, daß Geschichtsschreibung einen unlösbaren Bezug zu einer real existenten Vergangenheit aufweist. Da das beides bislang nicht befriedigend belegt werden konnte, wird hier der Versuch gemacht, auf Grundlage aktueller wissenschaftssoziologischer und radikalkonstruktivistischer Theorien das Problem der Genese historischer Erkenntnis neu zu fassen. Ich gehe davon aus, daß - sofern nicht die Unterscheidung zwischen Gegenwart und Vergangenheit selbst schon eine Konstruktion ist - zur Vergangenheit hin eine undurchdringliche Wand besteht, und daß Historiker ausschließlich in der und für die Gegenwart operieren. Das lenkt den Blick auf soziale Prozesse, auf die Frage, was Historiker tun. Geprägt durch Dispositionen: Diskurse (M. Foucault), Denkstile (L. Fleck) und Habitus (P. Bourdieu), generieren sie in alltäglichen sozialen Praktiken historische Erkenntnis und implementieren sie in mühevoller strategische Arbeit als "geschehene Geschichte" in den Diskussionszusammenhänge der Wissenschaft wie der Öffentlichkeit. Geschichtsschreibung ist demnach keine Konstruktion, die Vergangenheit abbildet, sondern eine Konstruktion, die der Gegenwart entspringt und diese abbildet - in der Form "Geschichte".
Wichtigste Publikation:
Etzemüller, Thomas: "Ich sehe das, was Du nicht siehst“. Zu den theoretischen Grundlagen geschichtswissenschaftlicher Arbeit, in: Eckel, Jan / Etzemüller, Thomas (Hg.): Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2007, S. 27-68