Familiengeschichte visuell erfassbar gemacht

"Teetied mit Opa"

Mein Urgroßvater hat das Konzentrationslager nur um ein paar Tage überlebt. Das wusste ich. Aber lange wusste ich nichts Genaueres.

In den letzten Jahren aber habe ich seine Geschichte recherchiert – und meine Recherche und die Erkenntnisse daraus in dieser Graphic Novel verarbeitet. Es begann 2017 bei einer Lehrkräftefortbildung; seit gut 20 Jahren unterrichte ich an einem Oldenburger Gymnasium Französisch, Spanisch und evangelische Religion. Damals erfuhr ich von einer Schullektüre über den U-Boot-Bunker-Valentin bei Bremen, die eine Romanistin und Historikerin mit einem Überlebenden der beim Bau eingesetzten Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge verfasst hatte.

Ich fragte mich, ob auch mein Urgroßvater dort gewesen sein könnte und begann zu recherchieren. Verwandte aus den Niederlanden hatten dies schon länger getan, und ich kontaktierte sie. Noch im selben Jahr entdeckte ich ein erstes Foto meines Urgroßvaters in der Ausstellung der Baracke Wilhelmine und im Bunker Valentin. Ich recherchierte in Archiven in Aurich, Oldenburg, Osnabrück, wo viele der Familienakten inzwischen eingesehen werden dürfen.

Schon ziemlich früh wusste ich, dass ich eine Bildergeschichte machen wollte. Zum einen habe ich ein Faible dafür und als Lehrerin einen Bezug dazu, zum anderen hatte ich das Bedürfnis, einen nicht unbedeutenden Teil der Familiengeschichte auch visuell erfassbar zu machen.

2018 erzählte mir eine Referendarin von den eindrucksvollen Uni-Seminaren zum Thema Bildergeschichten. Ich hatte schon mehr als ein Jahrzehnt zuvor an der Universität eine Zusatzqualifikation für das Fach Kunst erwerben wollen, aber damals wegen mangelnder Kapazitäten eine Absage erhalten. Nun schrieb ich die Dozentin Natascha Kaßner an, und als sie mich zu einem Treffen einlud, nahm ich mein großes Buch mit, in dem ich bereits seit einem Jahr Seiten mit je vier bis sechs Bildern gefüllt hatte.

Dass ich dann als Gasthörerin am Kurs teilnehmen durfte, war für mich eine herausragende Erfahrung. Dort mit all den jungen begabten Studierenden sitzen zu dürfen und dem Kursverlauf zu folgen mit zeichnerischen Übungen, kunstgeschichtlichen Inhalten und Denkanstößen, das hat mich sehr motiviert, mit dieser Geschichte weiterzumachen. Im folgenden Semester belegte ich bei Frau Kaßner noch einen Zeichenkurs und erbrachte auch dort die Prüfungsleistung. Ihre vielen Anleitungen und guten Tipps haben einen großen Anteil daran, dass ich den Mut und die Ausdauer hatte, das Buch fertigzustellen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Insgesamt habe ich vier Jahre lang an dem Projekt gearbeitet (und dafür meine Arbeitszeit reduziert), circa 200 Bleistift- in Fineliner-Zeichnungen übertragen und aquarelliert, mich für die Sprechblasen in ein spezielles Grafikprogramm eingearbeitet – und freue mich nun darüber, dass die Geschichte meines Urgroßvaters nun sogar als Buch erschienen ist! Die Graphic Novel findet sich unter dem Titel „Een Koppke Tee in dunkler Zeit“ im Buchhandel. “

Marina Zander

 

Dieser Text ist im April 2021 zuerst in der Hochschulzeitung UNI-INFO erschienen.

Redaktion: Deike Stolz

(Stand: 19.01.2024)  | 
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