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Robert Mitschke

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Ringvorlesung mit Em. O. Univ.-Prof. Dr. Peter V. Zima

"Subjektivität, Narzissmus, Ichideal
Für ein dialogisches Modell zwischen Psychoanalyse und Soziologie"

"Es soll gezeigt werden, dass der Narzissmus zwei komplementäre Aspekte hat, die nicht voneinander zu trennen sind: einen produktiven Aspekt, der den Einzelnen mit seiner sozialen Umwelt verbindet und für sein Selbstbewusstsein wesentlich ist, und einen destruktiven oder malignen Aspekt, der den Einzelnen von seiner Umwelt trennt. Während der produktive Narzisst ein Ichideal (Freud, Lacan) vor Augen hat, das häufig vom Anderen, auch dem Andersdenkenden, verkörpert wird und auf den achieved status (Linon, Merton) ausgerichtet ist, kennt der destruktive Narzisst nur sein eigenes „grandioses Ich“ (Kohut), das er als Idealich (Lacan) ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Werte und Normen zu verwirklichen sucht. Er will auch ohne Leistung so von den anderen anerkannt und begehrt werden, wie er als Kleinkind im Spiegelstadium, im „Imaginären“ (Lacan) oder im ascribed status (Linton, Merton), von seiner Mutter anerkannt und begehrt wurde.
Daraus ergeben sich die gegensätzlichen Einstellungen des produktiven und des destruktiven Narzissten zum Anderen (zum Mitmenschen): Während der produktive Narzisst den Anderen dialogisch als Gesprächspartner auffasst, der ihm Hilft, sein gesellschaftliches Ideal als Ichideal zu verwirklichen, betrachtet der destruktive Narzisst den Anderen monologisch als Vorwand (als nützliche Figur) oder als Hindernis auf dem Weg zum geplanten Erfolg.
Dieses psychoanalytische Modell erhält im Übergang von der Moderne zur Postmoderne (nach dem Zweiten Weltkrieg) eine gesellschaftliche und historische Dimension: Der Niedergang der Familie und der väterlichen Autorität sowie der Niedergang kultureller Institutionen wie Religion, Kunst, Politik, Schule begünstigen eine Entwicklung vom sozial sanktionierten Ichideal zum Idealich. Der Einzelne fordert von seiner Umwelt, auch ohne Leistung, d. h. ohne die Verwirklichung sozialer Werte, Ideale und Normen, anerkannt, bewundert und begehrt zu werden. Dies hat eine Vereinsamung der Individuen und ihre Entfremdung voneinander zur Folge."

13.10.2015 18:00 – 20:00

BIS-Saal

DFG-Graduiertenkolleg "Selbst-Bildungen"

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