Geschlechterverhältnisse und Biologie
Geschlechterverhältnisse und Biologie
Leitung: Prof. Dr. K. Smilla Ebeling
Die Forschungsarbeiten dienten der systematischen Untersuchung der Rolle von Geschlecht in der Biologie. Sie ermöglichten es, in zwei miteinander verbundenen Richtungen zu analysieren: Gefragt wurde zum einen nach den Einschreibungen der Geschlechterverhältnisse in die Biologie. Geschlecht strukturiert die Biologie als Studien- und Berufsfeld, deren Netzwerke und soziale Welten, die Ausgestaltung fachspezifischer Habitusformen und auch die Paradigmen, erkenntnistheoretischen Positionen, Themen- und Methodenauswahl und Konstitution von Forschungsobjekten. Zum anderen wird der Blick auf die Rolle der Biologie innerhalb der Konstitution der historisch und kulturell gebundenen Geschlechterverhältnisse auf der individuellen, strukturellen und symbolischen Ebene gerichtet. Die naturwissenschaftlichen Aussagen über Geschlecht und Sexualität haben eine große Definitionsmacht und dienen der Begründung und Legitimation der Geschlechterverhältnisse. Untersucht wurden:
1. Das Sexualverhalten der Tiere als Legitimationsbasis menschlicher Sexualität
Dieses Forschungsprojekt thematisierte Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen, alltagsweltlichen Annahmen über Geschlechter, Sexualitäten und Fortpflanzung und naturwissenschaftlicher Forschung über diese Gegenstandsbereiche. Untersucht wurde einerseits, welche Diskurse über Geschlechter und Sexualitäten in die biologische Forschung und Theoriebildung einfließen und andererseits, wie biologische Theorien und Forschungsergebnisse ihrerseits wiederum das gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtern, Sexualitäten und Geschlechterverhältnissen formieren und als Legitimationsbasis und Orientierungsgröße normativer und symbolischer Art für die Bewertung "angemessener" menschlicher Verhaltensweisen und Identitäten dienen. Die Studie basierte auf leitfadengestützten Interviews mit 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die an der Produktion von Diskursen über Geschlechter, Sexualitäten und Geschlechterverhältnisse beteiligt sind. Das Projekt stellte eine universitätsübergreifende Kooperation mit der Universität Hamburg (Institut für Soziologie) dar.
2. Konstruktion von Geschlecht in der Zoologie
Aus einer kulturhistorischen Perspektive wurde in diesem Projekt die Konstruktion von Geschlecht im Tierreich analysiert. Dabei ging es um die Entwicklung des Verständnisses von biologischen Grundlagenbegriffen aus dem Bereich der Sexualität und Fortpflanzung - wie etwa Geschlecht, Fortpflanzung, Kopulation, Vermehrung und Sexualität. Fokussiert wurden die in der Biologie seit dem 17. Jahrhundert beschriebenen, aber wenig prominenten Phänomene, die vom bipolaren Geschlechterkonzept abweichen, wie zum Beispiel Hermaphroditen, eingeschlechtliche Fortpflanzungsformen, reine Weibchenarten, Intersexualität und gleichgeschlechtliches Sexualverhalten. Geprüft wird die zentrale These, dass eine heteronormative Perspektive in der Biologie dazu führt, vom bipolaren Geschlechterkonzept abweichende Phänomene an die Zweigeschlechtlichkeit anzupassen. Ein weiteres Ziel war es, Konstruktionsprozesse der Zweigeschlechtlichkeit im Tierreich sichtbar zu machen, in die gesellschaftliche und kulturelle Vorstellungen von Geschlecht einfließen.
Zentrale Publikationen:
Ebeling, Kirsten Smilla (2006): Heteronormativität in der Zoologie. In: Fritzsche, Bettina/Hackmann, Kristina; Hänsch, Ulrike/Hartmann, Jutta; Klesse, Christian/Wagenknecht, Peter (Hg.): Heteronormativität. Empirische Studien zu Heterosexualität als gesellschaftlichem Machtverhältnis, Wiesbaden
Ebeling, Kirsten Smilla (2006): The Construction of Sexual Dimorphism and Heterosexuality in the Animal Kingdom. In: Bird, Sharon/Bystydzienski, Jill M. (Hg.): Removing Barriers: Women in Academic Science, Engineering, Technology and Mathematics, Indiana
Ebeling, Kirsten Smilla (2002): Die Fortpflanzung der Geschlechterverhältnisse. Das metaphorische Feld der Parthenogenese in der Evolutionsbiologie, Talheim