Datenbank: „Nachkrieg und Mittelalter. Kinder- und Jugendliteratur (1945–1970)“

Hintergrundinformationen

Die Datenbank entstand im Kontext des Projektes „Nachkrieg und Mittelalter. Kinder- und Jugendliteratur (1945–1970)“, das seit 2022 von der DFG finanziert unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Boyken an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg angesiedelt ist. Ein Forschungsdesiderat, zu dessen Verringerung das Projekt beitragen möchte, ist der fehlende Überblick über mittelaltererzählende Kinder- und Jugendliteratur in den Jahren von 1945 bis 1970. Im Rahmen der Dissertation „Mittelalter in der Kinder- und Jugendliteratur zwischen 1945 und 1970“ (Arbeitstitel) von Sofie Dobbener wird eine Auswahl der Texte, die für diesen Zeitraum festgestellt werden konnten, mit quantitativen und qualitativen Methoden untersucht. 

Auswahl und Gegenstandsbereich der Datenbank

Grundlage der Datenbank ist mittelaltererzählende Kinder- und Jugendliteratur, also in ihrem Handlungszeitraum im Mittelalter (ca. 500–1500 n. Chr.) angesiedelte geschichtserzählende Texte, die Kinder oder Jugendliche adressieren. Der Veröffentlichungszeitraum umfasst die Periode von 1945 bis 1970, wobei auch Texte berücksichtigt wurden, die erstmals vor 1945 publiziert wurden und nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgelegt wurden. 

Während sich die Dissertation ausschließlich auf originäre, genuin deutschsprachige Texte beschränkt, die in der westdeutschen Besatzungszone bzw. der Bundesrepublik Deutschland publiziert wurden, enthält die Datenbank auch Texte, die in der Schweiz oder Österreich erschienen sind. Auch Übersetzungen und sog. ‚Nachdichtungen‘ finden sich in der Datenbank. Für diese Texte bietet die vorliegende Sammlung jedoch nur eine erste Grundlage für weitergehende Recherchen. Die Texte, die in der Sowjetischen Besatzungszone oder der Deutschen Demokratischen Republik publiziert wurden, werden in der Datenbank vollständig ausgeklammert. Eine Quellensammlung dazu findet sich in der Studie von Wiebke Helm (2015). 

Korpusbildung: Wie findet man Texte für ein quantitatives Korpus?

Ein erster Ansatzpunkt bei der Textsuche war die Sichtung einschlägiger Handbücher und Lexika (z. B. Wild 2008; Hopster/Josting/Neuhaus 2005; Doderer 1993). Speziell für dieses Korpus boten sich zudem die Forschungsbeiträge zur geschichtserzählenden Kinder- und Jugendliteratur sowie zur Mittelalterrezeption an (z. B. Schmideler 2012; Grosse/Rautenberg 1989; Schmidt 1989; Promies 1986). Diesen Studien konnten (vereinzelt) Titel für die Datenbank entnommen werden. 

Der Großteil der Titel entstammt einer Recherche von Bibliotheksverzeichnissen und Onlinekatalogen. Durchsucht wurden die Kataloge der Kinder- und Jugendbuchsammlung des Instituts für Jugendbuchforschung der Universität Frankfurt, der Sammlung historischer Kinder- und Jugendbücher der Universität Oldenburg, der Berliner Staatsbibliothek, der Internationalen Jugendbibliothek in München, der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, der Universitäts- und Staatsbibliothek Köln, der Kinder- und Jugendbuchsammlung der Universitätsbibliothek Braunschweig sowie der Deutschen Nationalbibliothek. Die Privatsammlung Seifert, die Teil der Sammlung Historischer Kinder- und Jugendbücher der Universität Göttingen ist, wurde vor Ort gesichtet, da diese nicht über einen Onlinekatalog einsehbar ist. Bei der Recherche wurde eine Kombination von Schlagwort- und Zeitraumsuche verwendet. Als Orientierung für die gesuchten Schlagworte diente Günther Bärnthalers empirische Untersuchung (1996) zu ‚Mittelalterassoziationen‘ von Schüler:innen (z. B. Ritter, Burg, Kampf, Krieg), die durch weitere eigene Schlagworte ergänzt wurde. Bei diesen Erweiterungen handelte es sich z. T. um Schlagworte, die bereits in den Katalogen angelegt waren, z. T. um eigen ergänzte Schlagworte, die sich bei der Recherche als relevante Begriffe ergaben. 

Neben den Katalogrecherchen führte auch die Sichtung von Verlagsankündigungen zu weiteren Treffern. Ein zusätzlicher Abgleich der katalogisierten Informationen sowie eine weitergehende Recherche im Gemeinsamen Verbundkatalog sowie im Katalog der Verbundübergreifenden Fernleihe wurde angeschlossen. 

Hürden bei der Recherche

Die Recherche in Katalogen und Datenbanken stellt den ersten zentralen Schritt bei der Suche nach möglichen Texten dar. In einem nächsten Schritt ist es notwendig, die Treffer auf ihre tatsächliche thematische Passung zu überprüfen, indem Klappentexte und Inhalt gesichtet werden. Dabei haben sich einige Texte, die bei der Recherche identifiziert wurden, als unpassend für die Forschungsfrage erwiesen. Wie diese Fälle aussehen können, wird nachfolgend an einigen exemplarischen Beispielen illustriert. 

Häufig erscheinen Texte aufgrund ihres Titels als relevant, der Inhalt bzw. die konkrete Erzählhandlung ist aber nicht im Mittelalter angesiedelt. So ist Eckart Zur Niedens Kolumbus macht eine Entdeckung (1967) kein Roman über Christoph Kolumbus, sondern eine Kinderkriminalgeschichte. Hierauf deutet bereits der Klappentext hin: „Sparkassenüberfall – als Stadtspiel einer Jugendgruppe. Die Polizei ist im Bilde, doch nur über die Absichten der Gruppe. Von den Gaunern, die sich das Spiel zunutze machen, erfährt sie zu spät. So dringen statt der Spieler Räuber in den Schalterraum, und statt des Altpapiers verschwindet echtes Papiergeld aus dem Tresor. Die Sache wird für alle ernst. Doch am Ende überwiegt der Gewinn den Schaden.“ (Kleine Brockhaus-Bücherei 1967) Auch der Roman Die Nibelungen sind an allem schuld (1966) von Eva Marder ist keine Adaptation der Nibelungensage für Kinder. Stattdessen handelt es sich um eine in der Gegenwart spielende Abenteuergeschichte, in der Kinder im Rhein nach dem verschollenen Nibelungenschatz tauchen wollen, ohne dass ein expliziter Bezug zu der Sage hergestellt wird. 

Neben solchen Fällen, bei denen schnell erkennbar ist, dass ihr Inhalt nicht passend für ein Projekt über mittelaltererzählende Kinder- und Jugendliteratur ist, gibt es ebenfalls Texte, bei denen eine genauere Lektüre notwendig ist. Dies betrifft hauptsächlich Texte, deren Setting in einem historischen Grenzbereich liegt. Die in der Geschichtswissenschaft gängige Verortung des europäischen Mittelalters ist mit einem Zeitraum von ca. 500 bis 1500 n. Chr. bewusst ungenau definiert, da mit der Verwendung genauerer Jahresangaben eine Beschränkung auf spezifische historische Ereignisse einhergehen würde, die jeweils nur für einen Bereich der Geschichtsschreibung repräsentativ sind (vgl. dazu z. B. Knefelkamp 2022. S. 14 f.). Um aus dieser Periodisierung ein nutzbares Kriterium für ein Textkorpus zu erzeugen, werden ausschließlich Texte einbezogen, deren Erzählschwerpunkt zwischen den Jahren 500 und 1500 liegt. Texte, die hauptsächlich in den Randzeiträumen der Mittelalterverortung spielen, also in den Jahren kurz vor 500 oder kurz nach 1500, werden nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund wird beispielsweise Hans Baumanns Jugendroman Der Sohn des Columbus (1951) nicht in der Datenbank aufgeführt, denn die dortige Handlung setzt erst im Jahr 1501 ein und fokussiert Christoph Kolumbus’ vierte Fahrt (1502–1504). Ebenfalls ausgeschlossen wurde Franz Bauers wiederaufgelegtes Buch Ursula, die Enkelin des Veit Stoß. Eine Erzählung aus dem Mittelalter (1945 [1941]), obwohl der Nebentitel und der Klappentext explizit auf das Mittelalter verweisen. Laut Klappentext erzählt der Roman von einem geächteten Bildhauer, der sich „unter den Glanzgestalten des mittelalterlichen Nürnberg [sic]“ (D. Gundert 1945) bewegt, allerdings wurde bei diesen Zuschreibungen eine breitere Definition des Mittelalters verwendet, denn der Roman spielt in den Jahren 1502/1503. 

Um solche Grenzfälle zu identifizieren, ist oftmals eine Durchsicht der Texte nach entsprechenden zeitlichen Markern notwendig. Diese zeitaufwendige Aufgabe ist jedoch erforderlich, um schlussendlich eine möglichst kohärente Textsammlung vorweisen zu können, auf die eine quantitative Untersuchung aufbauen kann.

Hinweis: Die Datenbank erhebt trotz gründlicher Recherche keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies gilt insbesondere für die in Österreich und der Schweiz veröffentlichten Texte, für die Übersetzungen und für die Nacherzählungen. Die Datenbank adressiert Wissenschaftler:innen, Studierende und Interessierte. Bei Hinweisen zu weiteren Titeln, die in die Datenbank aufgenommen werden sollten, oder bei fehlerhaften Einträgen wenden Sie sich gern an die Projektmitarbeiterin Sofie Dobbener.

Wir danken Laura Merker für ihre umfangreiche Recherchearbeit im Rahmen des Projektes und Lea Jacobi für ihre Hilfe bei der stilistischen Bereinigung. 

Literaturverzeichnis

Bärnthaler, Günther: Zum Mittelalterbild von jugendlichen Schülern. Vorstellungen, Einstelllungen und Interessen von Schülern der 9./10. Schulstufe als empirische Grundlage einer Didaktik der Literatur des Mittelalters im Deutschunterricht. In: Müller, Ulrich/Verduin, Kathleen (Hrsg.): Mittelalter-Rezeption V. Gesammelte Vorträge des V. Salzburger Symposions (Burg Kaprun, 1990). Göppingen: Kümmerle 1996. S. 442–478. 

Doderer, Klaus (Hrsg.): Jugendliteratur zwischen Trümmern und Wohlstand 1945–1960. Ein Handbuch. Weinheim/Basel: Beltz 1993. 

Grosse, Siegfried/Rautenberg, Ursula: Die Rezeption mittelalterlicher deutscher Dichtung. Eine Bibliographie ihrer Übersetzungen und Bearbeitungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Tübingen: Niemeyer 1989.

Helm, Wiebke: Das ‚Mittelalter‘ in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR. Eine Inventur mit Bibliographie. In: Mierke, Gesine/ Ostheimer, Michael (Hrsg.): Mittelalterrezeption in der DDR-Literatur. Würzburg: Königshausen & Neumann 2015. S. 42–77.

Hopster, Norbert/Josting, Petra/Neuhaus, Joachim: Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945. Ein Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler 2001–2005.

Knefelkamp, Ulrich: Das Mittelalter. Geschichte im Überblick. 4. durchgesehene Auflage. Paderborn: Schöningh 2022.

Promies, Wolfgang: Kinder- und Jugendliteratur. In: Fischer, Ludwig (Hrsg.): Literatur der Bundesrepublik Deutschland bis 1967. München: Hanser 1986. S. 527–531.

Schmideler, Sebastian: Vergegenwärtigte Vergangenheit. Geschichtsbilder des Mittelalters in der Kinder- und Jugendliteratur. Vom 18. Jahrhundert bis 1945. Würzburg: Königshausen & Neumann 2012.

Schmidt, Siegrid: Mittelhochdeutsche Epenstoffe in der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Beobachtungen zur Aufarbeitung des Artus- und Parzival-Stoffes in erzählender Literatur für Jugendliche und Erwachsene mit einer Bibliographie der Adaptationen der Stoffkreise Artus, Parzival, Tristan, Gudrun und Nibelungen 1945–1981. I. Untersuchungen und Dokumentation. Göppingen: Kümmerle 1989.

Wild, Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart/Weimar: Metzler 2008.

Germanistik-Webmaster (Stand: 30.10.2025)  Kurz-URL:Shortlink: https://uol.de/p115763
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