Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft
Organisation: Prof. Dr. Sabine Kyora, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, sabine.kyora@uni-oldenburg.de; Dr. Till Huber, Universität Hamburg, till.huber@uni-hamburg.de
Den Ausgangspunkt der Tagung an der Schnittstelle von Literatur und Medizin bildet der Begriff der Diagnose. Die Hypothese lautet, dass literarische Texte zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ‚diagnostische Schreibweisen‘ entwickeln und so Diagnostizieren als ein für die Moderne typisches Narrativ etablieren. Die Konferenz befasst sich mit der Frage, wie medizinische Argumentationsstrukturen literarisch verarbeitet und verändert werden. Sie wird darüber hinaus die Verschiebung des medizinischen Vokabulars von der individuell gestellten auf die literarisch inszenierte, auf die Gesellschaft bezogene Diagnose in den Fokus nehmen.
Der medizinische Fachterminus führt dabei in die metaphorische und narrative Verwendung, die auch in den Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert auftaucht (als Gesellschafts- oder Gegenwartsdiagnose). Unter dem Titel „Figuren der Diagnostik“ werden, erstens, literarische Figuren gefasst, die diagnostizieren oder denen eine Diagnose gestellt wird, zweitens, werden Figuren im Sinne rhetorischer Figuren und literarischer Verfahren als ‚diagnostische Schreibweisen‘ untersucht. Hinzu kommt, drittens, eine Analyse einschlägiger literarischer und außerliterarischer Autorinszenierungen. So werden mit Gottfried Benn, Alfred Döblin, Rainald Goetz und Ernst Weiß Autoren in den Blick genommen, die medizinisches Wissen verarbeiten und gesellschaftlich versteh- und übertragbar machen.
Eine Online-Teilnahme als Diskutant/in ist möglich. Für den Zugang schreiben Sie bitte eine E-Mail an till.huber@uni-hamburg.de
Mi., 8.9.2021
9.30 Uhr
Einleitung: Figuren der Diagnostik
Prof. Dr. Sabine Kyora / Dr. Till Huber
10.15–11.00 Uhr
PD Dr. Urte Helduser (Marburg)
Düstere Diagnostik. Adalbert Stifters Erzählung Turmalin und der Kretinismus im 19. Jahrhundert
Pause
11.30 Uhr
PD Dr. Lars Korten (Münster)
„Die wird nich wieder“. Diagnostik und Vorhersage in Theodor Fontanes Stine
Mittagspause
14.00 Uhr
Dr. Till Huber (Hamburg)
„Aus der Depression heraus erzählen“. Autofiktionales Schreiben in Benjamin Maacks Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein und Thomas Melles Die Welt im Rücken
Pause
15.00 Uhr
JProf. Dr. Thomas Boyken (Oldenburg)
‚Prosa Nova‘. Autopathographien und die Möglichkeiten des Erzählens über Krankheit
Pause
16.15 Uhr
Prof. Dr. Sophie Witt (Zürich)
Diagnostik zwischen Medizin und Gesellschaft: Psychosomatik literaturwissenschaftlich
Pause
17.15 Uhr
Keynote:
Prof. Dr. phil. Dr. med. Martina King (Fribourg)
Das instabile Ich: erzählerische Selbstdiagnose und erzählte Diagnosen in Ernst Weiß’ Arztromanen Der arme Verschwender (1936) und Georg Letham, Arzt und Mörder (1931)
Do., 9.9..2021
9.30 Uhr
Dr. Philipp Pabst (Münster)
Jenseits von Ätiologie, Epidemiologie und Diagnostik. Popularisierte Medizin und ihre Bezweiflung in Gottfried Benns später Lyrik
Pause
10.30 Uhr
Prof. Dr. Christine Kanz (Linz)
Die Ablehnung medizinischer Diagnostik in Ingeborg Bachmanns Todesarten-Projekt und in Male oscuro
Pause
11.45 Uhr
PD Dr. Anja Schonlau (Göttingen)
Zur Diagnose Syphilis
Mittagspause
14.00 Uhr
Prof. Dr. Martin Butler (Oldenburg)
Die Singer-Songwriter-Figur als Diagnostiker: Zur Aneignung eines (medizinischen) Problematisierungsmodus in der Populärkultur
Pause
15.00 Uhr
Prof. Dr. Sabine Kyora (Oldenburg)
(Zeit-)Diagnostik in Rainald Goetz’ Irre
Pause
16.15 Uhr
Keynote:
Prof. Dr. med. Cornelius Borck (Lübeck, Institut für Medizingeschichte)
Ex juvantibus – Die Diagnose als performativer Akt
Pause
17.15 Uhr
Schlussdiskussion