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Niederdeutsch oder Plattdeutsch?

Ist Plattdeutsch dasselbe wie Niederdeutsch? Manche Plattsprecher argwöhnen, dass den Akademikern der Begriff Plattdeutsch wohl nicht fein genug war, um diese Sprache zum Gegenstand ihrer Forschung zu machen. Daher musste ein anderer, seriöserer Begriff her: eben der Begriff Niederdeutsch. Und tatsächlich wird der Ausdruck Plattdeutsch seit Jahrhunderten abwertend gebraucht. Plattdeutsch gilt als etwas Minderwertiges, vor allem bei den Hochdeutschsprechern im Norden. Was aber ist Plattdeutsch eigentlich? Und warum hat das Plattdeutsche bis heute bei vielen einen so schlechten Ruf?

Plattdeutsch ist nicht Niederdeutsch. Plattdeutsch ist ein Teil des Niederdeutschen, das als historische Sprache genauso alt ist wie das Hochdeutsche und das Englische. Das Niederdeutsche umfasst drei Sprachperioden: das Altniederdeutsche (800-1150), das Mittelniederdeutsche (1150-1600) und das Neuniederdeutsche (seit 1600). Das Altniederdeutsche war die Sprache der Sachsen, die im Gebiet des heutigen Niedersachsen, Holstein und Westfalen lebten. Es geht auf eine ältere Sprache, das Westgermanische, zurück, aus dem sich auch das Englische entwickelte. Das Mittelniederdeutsche stieg als Sprache der Hanse zur überregionalen Verkehrssprache im Ostseeraum und in den angrenzenden Gebieten auf. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde es als überregionale Sprache und als Schriftsprache durch das Hochdeutsche abgelöst. Von nun an wurde das Niederdeutsche als ‚plattes Deutsch’ oder Plattdeutsch bezeichnet, womit zunächst die allgemein verständliche Volkssprache gemeint war.

Bleibt die Frage, warum Plattdeutsch einen so schlechten Ruf hat. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: Erstens galt Plattdeutsch lange Zeit als Sprache der Bauern oder ungebildeter Bevölkerungsgruppen, zweitens wurde es lange Zeit als schlechtes, unbeholfenes Deutsch angesehen. Beide Ansichten haben seit dem 19. Jahrhundert maßgeblich zum Niedergang des Plattdeutschen beigetragen und tun dies bis heute. Beide Auffassungen sind aber so nicht haltbar. Zum einen verliert sich zunehmend der Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Plattdeutschgebrauch. An der Uni Oldenburg werden mittlerweile Bachelor- und Masterarbeiten auf Plattdeutsch geschrieben. Zum anderen gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht keinen Anhaltspunkt dafür, dass Plattdeutsch minderwertig ist. Unhaltbar ist insbesondere der Vorwurf, das Plattdeutsche weise eine minderwertige Grammatik auf. Betrachten wir z. B. die fehlende Unterscheidung zwischen Dativ und Akkusativ. Im Nordniedersächsischen gibt es nur eine Form für die Akkusativform den Tisch und die Dativform dem Tisch, nämlich den Disch. Aber der Zusammenfall der Kasus sagt nichts über die Güte der Grammatik, sondern ist vielmehr ein Zeichen von Sprachwandel. Auch das Englische unterscheidet im Formenbestand nicht zwischen Dativ und Akkusativ, nicht einmal zwischen Nominativ und Akkusativ, hat das in früherer Zeit aber getan. Zum anderen wird dem Plattdeutschen vorgeworfen, es wirke im Vergleich zum Hochdeutschen grob oder derb. Man darf das Plattdeutsche als primär gesprochene Sprache aber nicht mit dem Standarddeutschen vergleichen, insbesondere nicht in seiner geschriebenen Form. Viele Eigenschaften, die wir dem Plattdeutschen zusprechen, weisen auch gesprochene, regionale Formen des Hochdeutschen auf. Plattdeutsch ist also nicht ein schlechtes Deutsch. Und Plattdeutsch neben Hochdeutsch sprechen zu können, ist eine bildungsrelevante Kompetenz, die endlich auch in Kitas und Schulen Anerkennung finden sollte.

Peters, J. (2012). Niederdeutsch - Plattdeutsch - schlechtes Deutsch? Sprachheilarbeit 57.4, 183.

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