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Prof. Dr. Jan Sauermann

Institut für Sozialwissenschaften

„Mehr Wertschätzung für das, was wir haben“

Prof. Dr. Jan Sauermann im Interview zur Demokratie:

Deutschland ist eines der demokratischsten Länder der Welt. Dennoch sind aktuell nur etwas mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger zufrieden mit der Demokratie. Müssen wir das politische System verändern, um die Wünsche der Bevölkerung besser abzubilden?

Jan Sauermann: Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland viel verbessern könnten, wenn wir beispielsweise das Wahlsystem grundlegend ändern würden, denn den perfekten demokratischen Abstimmungsmechanismus gibt es nicht. Das kann man sogar mathematisch zeigen. Mit dem Verhältniswahlsystem, das wir haben, werden die Interessen der Bevölkerung meines Erachtens recht gut widergespiegelt. 

Was halten sie von sogenannten Bürgerräten als Mittel, um die Demokratie zu beleben?

Sauermann: Grundsätzlich ist das ein gutes Konzept: Solche Bürgerräte – also zufällig ausgeloste Gruppen, die sich offen über Sachfragen austauschen und versuchen, einen Konsens zu erreichen – hat man in Ländern wie Irland oder Island bereits eingesetzt, um das Abtreibungsrecht zu reformieren oder eine neue Verfassung auszuarbeiten. Auch in Deutschland wurde in der letzten Legislaturperiode zum ersten Mal ein Bürgerrat vom Bundestag eingesetzt. Mit dem Thema Ernährung hat man sich – ich vermute bewusst – auf ein Nebenthema beschränkt, und seine Wirkung ist begrenzt geblieben. Ich bin daher skeptisch, ob sich das bei uns durchsetzen wird. Das Interesse daran scheint im aktuellen Bundestag geringer zu sein als in der letzten Legislaturperiode. 

Wie kann man die Demokratie in Deutschland denn dann verbessern?

Sauermann: Die Demokratie hat ihre Probleme und ihre Schwächen, ist aber immer noch das beste politische System, das die Menschheit jemals erprobt hat. In Deutschland hat sie uns fast 80 Jahre Frieden und Wohlstand beschert. Ich glaube, man muss den Menschen vor Augen führen, dass Demokratie für einen selbst manchmal nur die zweit- oder drittbeste Lösung bedeutet, denn sie baut ja darauf auf, dass ein Konsens geschaffen wird, der auch andere Interessen berücksichtigt. Es gibt kein politisches System, das alle Menschen immer hundertprozentig zufriedenstellt. Was mir manchmal fehlt, ist die Wertschätzung für das, was wir haben – dass wir in so einem politischen System leben dürfen. 

 

Interview: Ute Kehse

(Stand: 09.05.2025)  Kurz-URL:Shortlink: https://uol.de/p112649
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