Prof. Dr. Doreen Brandt
Institut für Germanistik (» Postanschrift)
"Hennynk de Han" (Bremen 1732)
Erste Edition von Kaspar Friedrich Renners "Hennynk de Han" (Bremen 1732) - Ein Oldenburger Studierendenprojekt
Thees Becker, Joschka von Lienen, Theresia Remmert, Lena Sassen, Jan-Ludwig Schlachter, Kea-Marie Wolters und Doreen Brandt
An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg entsteht derzeit in Zusammenarbeit einer Gruppe von Studierenden der Germanistik mit Prof. Dr. Doreen Brandt eine Studienausgabe des niederdeutschen Tierepos „Hennynk de Han“, das 1732 in Bremen gedruckt wurde. Entsprechende Vorüberlegungen für dieses Projekt fanden bereits im Rahmen eines Masterseminars im Sommersemester 2023 statt.
Nicht nur der Titel des Werks „Hennynk de Han“ und die Einrichtung des Druckes erinnern an das mittelniederdeutsche Tierepos „Reynke de Vos“, das 1498 in Lübeck gedruckt wurde. Auch der angebliche Herausgeber Franz Henrich Sparre, der in einigen Druckexemplaren in einer vorgeschalteten Vorrede genannt wird, bezeichnet das Werk darin als eine Nachahmung des „Reynke“, die ihm in einem alten Manuskript aus dem 16. Jahrhundert in die Hände gefallen sei. Forscher des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts erkannten jedoch, dass es sich bei dem Namen des Herausgebers um ein Pseudonym des Bremer Stadtvogts Kaspar Friedrich Renner (1692–1772) handelte. Zugleich sei er es auch gewesen, der das Tierepos im Stil des „Reynke“ verfasst habe.
Das mittelniederdeutsche Tierepos „Reynke de Vos“ nimmt in der niederdeutschen Literaturgeschichte eine herausragende Stellung ein. Dies zeigt sich unter anderem in der regen Rezeption durch Nachdrucke und Übersetzungen bis in das 18. Jahrhundert hinein, obwohl der im 16. Jahrhundert beginnende Schriftsprachenwechsel von Niederdeutsch zu Hochdeutsch einen erheblichen Rückgang niederdeutscher Literatur zur Folge hatte. Zur Rezeptionsgeschichte des „Reynke“ ist auch der „Hennynk“ zu zählen.
Eine weitreichende Berücksichtigung des „Hennynk“ in der Forschung ist bislang ausgeblieben. Hier galt überwiegend die Ansicht, dass es sich beim „Hennynk de Han“ in Form und Inhalt um eine bewusste Imitation des „Reynke de Vos“ handeln würde. Dem Werk wurde damit nicht nur seine Eigenständigkeit abgesprochen, es reichte nach Ansicht der Forschung im 20. Jahrhundert zudem in seiner literarischen Qualität nicht an den „Reynke de Vos“ heran, weshalb Untersuchungen zumeist oberflächlich und pauschal verblieben. Eine Betrachtung des Werkes, die dessen literaturhistorische und poetische Eigenständigkeit in den Vordergrund rückt, fand daher bis heute nur vereinzelt statt (Lesser 1936; Bellmann 1977; Brandt 2021).
Ein Grund für die skizzierte Forschungssituation dürfte auch darin zu suchen sein, dass bis heute keine moderne wissenschaftliche Edition des Werkes existiert. Hier setzt das Editionsprojekt an, das einen Beitrag zu vertiefenden Untersuchungen des bisher wenig rezipierten Werkes leisten soll. Die Edition soll gleichsam dazu anregen, das Auftreten des „Hennynk“ inmitten einer weniger produktiven Phase niederdeutscher Literatur im Zeitraum von 1650 bis 1800 so zu berücksichtigen, dass die Besonderheiten seiner Entstehungsumstände gleichfalls erkennbar werden. Das Projekt schließt somit zugleich eine Lücke in der niederdeutschen Literatur- und Forschungsgeschichte.
Geplant ist eine Textausgabe mit einer Übersetzung ins Neuhochdeutsche und einer umfangreichen Kommentierung.