Wie steht der Mensch zur Natur
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Wie steht der Mensch zur Natur
Der Historiker Nikolaus Buschmann forscht zur Geschichte der Nachhaltigkeit. Woher das Konzept stammt und warum Natur heute auch ein Symbol für die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit ist, erklärt er hier.
„Ich beschäftige mich damit, wie sich das Konzept ‚Nachhaltigkeit‘ historisch entwickelt hat. Damit verbunden ist auch die Frage, wie sich Menschen gegenüber der Natur definieren und verhalten. Der Begriff Nachhaltigkeit tauchte erstmals Anfang des 18. Jahrhunderts auf, damals in Bezug auf die Forstwirtschaft. Durch planloses Abholzen und Roden wurde Holz knapp, man suchte nach Lösungen, die Wälder effizienter – nachhaltiger – zu bewirtschaften. Hier hat der Begriff Nachhaltigkeit eine klar ökonomische Dimension.
Gleichzeitig zeigt sich ein instrumentelles Verhältnis zur Natur: Das Holz der Bäume diente der wirtschaftlichen Expansion, man brauchte es etwa im Bergbau oder für Schiffe. Dieses Naturverständnis war typisch für die neuzeitliche Moderne: Im Zuge der Aufklärung setzte sich in der Philosophie die Unterscheidung von Subjekt und Objekt durch, wobei die Natur der Objekt-Seite zugeschlagen wird. Auf dieser Grundlage haben sich einerseits die modernen Naturwissenschaften entwickelt, die die Natur als Objekt in ihren Abläufen und Gesetzmäßigkeiten verstehen wollen.
Andererseits legitimierte die Einteilung, dass Menschen die Natur für ihre Zwecke nutzen. Heute verstehen wir unter Nachhaltigkeit etwas anderes: Es geht darum, das Wachstumsparadigma der Ökonomie selber zu hinterfragen und ökologische, ökonomische sowie soziale Anliegen miteinander zu harmonisieren. Dennoch: In der Praxis ist das Verhältnis zur Natur weiterhin dadurch geprägt, dass wir sie für uns ökonomisch nutzen.
Natürlich gab es immer auch Gegenbewegungen: In der Romantik kamen Konzepte auf, die sehr kritisch auf die Instrumentalisierung der Natur reagierten – hier liegen die Wurzeln für den späteren Natur- und Landschaftsschutz, aber auch für die Umdeutung der Natur zur „Heimat“. Die Renaissance hatte zuvor die Natur aus einer ästhetischen Perspektive, als Landschaft, entdeckt.
Heute ist Natur nicht zuletzt auch ein Wertbegriff, eine Art Symbol für die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, nach Ganzheit, nach einer Vergangenheit, die es wahrscheinlich nie gegeben hat; ein Gegenentwurf zu einem durch Technik und Ökonomisierung geprägten Alltag. Daraus ist eine kulturelle Bewegung geworden, die man vor allem in der städtischen Mittelschicht findet – und die in sich bisweilen paradox und widersprüchlich ist: Die Leute, die im Bio-Laden einkaufen und unter Flugscham leiden, haben häufig einen recht großen CO2-Fußabdruck. Die Sehnsucht nach Natur lässt sich eben gut verkaufen – Nachhaltigkeit, Ökologie und Natur sind heute auch eine Art Ware geworden.“