Vita

Der Musikwissenschaftler Dr. Reinhard Kopanski promovierte 2019 an der Universität Siegen zum Thema „Alles ironisch? Der Nationalsozialismus in der Schwarzen Szene”. Zuvor hat er Musik-, Politik- und Medienwissenschaft an der Universität Bonn studiert. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrbeauftragter und Koordinator war er in Bonn, Siegen und Köln tätig. Seit 2021 forscht er im von der VolkswagenStiftung geförderten, internationalen Projekt „Popular Music and the Rise of Populism in Europe” am Institut für Musik der Universität Oldenburg.

Kontakt

Dr. Reinhard Kopanski

Institut für Musik

Dritter Frühling für einen Song

„Freiheit, Freiheit / Ist das einzige was zählt“ und „Freiheit, Freiheit / Ist die einzige, die fehlt“, textete der deutsche Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen für seinen Song „Freiheit“. Moment mal – „Freiheit“ war doch die Hymne zur deutschen Wiedervereinigung, oder? Eigentlich nicht, denn Westernhagen hatte den Song bereits 1987 veröffentlicht. Größere Bekanntheit erlangte das Lied allerdings erst, als es – pünktlich zur Wiedervereinigung 1990 – in einer Live-Version als Single erschien, die bis auf Platz 24 der deutschen Charts kletterte.

Offenbar taugte der Songtext zusammen mit der leicht melancholischen Grundstimmung gut als Projektionsfläche individueller Vorstellungen von Freiheit. Vor dem Hintergrund des Mauerfalls spiegelte der Song einerseits den Überschwang des Augenblicks wider und erinnerte andererseits daran, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Im Zuge der so genannten „Querdenker“-Demonstrationen erlebte der Song 35 Jahre nach der Erstveröffentlichung einen zweiten (oder sogar dritten) Frühling: Hier avancierte „Freiheit“ zu einem Protestsong gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie.

Wie ist eine solche Wandlung möglich? Musik macht Interpretations- und Verwendungsangebote, wie die Musiksoziologin Tia DeNora von der University of Exeter (Großbritannien) so treffend feststellte. Im Fall von „Freiheit“ bedeutet das, dass Songtext und Musik ganz individuell mit Bedeutung aufgeladen werden können. Dadurch ist der Begriff „Freiheit“ in populärer Musik nicht festgeschrieben, sondern wird immer wieder neu verhandelt – und manchmal instrumentalisiert.

Von Reinhard Kopinski

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page