Von Schwarzen Flecken und Schwarzen Flächen
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Inhalt
- Von Schwarzen Flecken und Schwarzen Flächen
- Konflikte zwischen Ökologie und Urbanität
- Fernerkundung - nah gesehen
- Im Visier der Stasi: Katholische Studentengemeinden
- "Auf den Großmärkten ... bildet das Oldenburger Schwein eine Klasse für sich"
- Nachrichten der Universitätsgesellschaft
- Notizen aus der Universität
- Summaries
Von Schwarzen Flecken und Schwarzen Flächen
von Thomas Höpner und Gerd Meurs
Frühsommer 1996: Im Watt vor der deutschen Küste werden sog. Schwarze Flecken registriert, die sich zunehmend zu riesigen Flächen ausbreiten. Während die einen ein sterbendes Watt als Folge von Umweltverschmutzung diagnostizieren, sprechen die anderen von witterungsbedingten, vorübergehenden Erscheinungen. Im Rahmen der Ökosystemforschung Wattenmeer werden schon seit sieben Jahren die Schwarzen Flecken in experimentellen Simulationen untersucht. Fazit: Durch jahrzehntelange hohe Nährstoffzufuhr kommt es im Watt punktuell zu einer Anreicherung an organischem Material, das bei der Zersetzung zum vollständigen Verbrauch des Sauerstoffs führen kann. So vorgeprägt kann eine Verkettung ungewöhnlicher Ereignisse zum großflächigen Auftreten Schwarzer Flecken bzw. Schwarzer Flächen führen.
Die Krise. Nie waren sich Wattführer, Umweltverbände, Nationalparkverwaltung, Niedersächsisches Landesamt für Ökologie und die Ökosystemforschung Wattenmeer so einig wie in der ersten Hälfte des Juni 1996. Wie immer der Zustand des Ostfriesischen Wattenmeeres (vor allem südlich von Baltrum) genannt wurde - umgekippt, Schwarze Fläche, Katastrophe: eingetreten war, was Kenner als extreme Folge von Überdüngung und Übernutzung nie ganz ausschließen wollten, aber zugleich für wenig wahrscheinlich hielten: Aus den Schwarzen Flecken (so die Kurzbezeichnung des von der Ökosystemforschung bearbeiteten Warnsignals) waren die Schwarzen Flächen geworden (so die leider angemessene schnelle Wortschöpfung der Nationalparkverwaltung). Erreichten erstere in den vergangenen Jahren allenfalls 0,1 % der trockenfallenden Flächen, waren es am 12. Juni bis zu 20 %, so die Schätzung des Nds. Landesamtes für Ökologie nach Befliegungen. Priele führten schwarzes Wasser. Schwefelwasserstoff erreichte im Porenwasser und im Oberflächenwasser toxische Konzentrationen. Restwasser auf dem Watt hatte überall ein Sauerstoffdefizit. Es gab ein Massensterben von Wattwürmern und Muscheln, und dies nach den Herzmuschelverlusten des Eiswinters. Der Höhepunkt wurde am 12. Juni erreicht. Ab dem 13. linderten kräftiger Wind und sinkende Temperatur die visuellen Erscheinungen, ohne eine grundsätzliche Besserung zu erreichen.
So geschehen im siebenten und planmäßig letzten Jahr der Ökosystemforschung (ÖSF) im Niedersächsischen Wattenmeer, in der sieben von 30 Arbeitsgruppen den Fragenkomplex "Schwarze Flecke" bearbeitet hatten, sedimentologisch, sedimentchemisch, mikrobiologisch und zoologisch.
Das Warnsignal
Zitat: "Es gibt den subjektiven Eindruck einiger Beobachter, daß sich der anaerobe Sedimentbereich zu Lasten des aeroben ausdehnt, ja an einzelnen (wegen Abwesenheit lokaler Belastungen überraschenden) Orten kleinflächig die Oberfläche des Wattsediments erreicht. Dies wäre im Watt die erste prognostizierbare Folge der für die Nordsee überzeugend dokumentierten Eutrophierung".
So die extrem vorsichtige Formulierung von 1988 in der "Programmkonzeption" der ÖSF (ARSU GmbH. UBA-Texte 11/89). Sie war gewissermaßen hellsichtig, und sie war (vom Standpunkt des Forschers) glücklich, denn die Schwarzen Flecken nahmen seitdem auf den Hauptuntersuchungsflächen der ÖSF zu. Die Natur machte vor, wie sie zustande kamen. Makroalgen (auch eine Eutrophierungserscheinung) wurden von Wellen und Strömung zusammengeballt und im Sediment vergraben. Andere Auslöser waren tote Sandklaffmuscheln. Der biologische Abbau verbrauchte den Sauerstoff so rasch, daß er von der Oberfläche nicht nachgeliefert werden konnte. An seine Stelle trat der Seewasserbestandteil Sulfat, der zum Sulfid reduziert wurde. Dieses erzeugte zusammen mit Eisenionen die schwarze Farbe. Die Farbe war Indikator für die Abwesenheit von Sauerstoff. Erschien die Farbe an der Oberfläche, zeigte sie Abwesenheit von Sauerstoff und Anwesenheit von Sulfid an. Damit wurde die Oberfläche lebensfeindlich.
So beobachtet, war das Phänomen der experimentellen Simulation zugänglich geworden. Es war leicht, Schwarze Flecke durch Vergraben von Algenbiomasse (und anderem biogenem abbaubarem Material) zu erzeugen, und es war leichter geworden, sie zu untersuchen (Höpner, Th. & Michaelis, H., Sogenannte Schwarze Flecken: ein Eutrophierungssymptom des Wattenmeeres. In: J. L. Lozán et al. (Hrsg.). Warnsignale aus dem Wattenmeer. Blackwell Wissenschaftsverlag Berlin. S. 153-159, 1994).
Der Zustand, vor dem das Signal warnte, war die Überlastung der Kapazität des Sediments, Biomasse abzubauen. Die Überlastung kam durch Biomasse-Überangebot zustande, war also eine Eutrophierungserscheinung. Das Signal eignete sich als solches wegen der leichten Beobachtbarkeit. Es war als Warnsignal und als Forschungsgegenstand gleichermaßen geeignet, denn es hatte eine Lebensdauer von Wochen oder Monaten. Es war zuverlässig, denn es war ja nichts anderes als der biologische Schaden selbst, aber noch auf kleinster Fläche und unmittelbar umgeben von biologisch und chemisch gesundem Sediment. Es erlaubte eine Untersuchung, noch bevor es sich zum ökologischen Schaden auswuchs. Seit dem Ende des Eiswinters zeigte es eine kritische Annäherung an eine großflächige Überlastung an. Für eine konkrete Krisenwarnung reichte das allerdings nicht. Doch als die Krise eintrat, wußten wir, um was es sich handelte.
Zur Biogeochemie der Schwarzen Flecken
Der Abbau von organischem Material ist eine natürliche Funktion der Wattsedimente in den Stoffkreisläufen des Küstenmeeres. Organisches Material entsteht am Ort ("autoch-thon") durch Wachstum von Bakterien, Algen, Pflanzen (Seegras leider nur noch vernachlässigbar) und Bodentieren, oder es kommt aus dem vorgelagerten Seegebiet ("allochthon") mit Tiden, Strömungen und Wind. Es wird durch physikalische Umlagerung und Wühlarbeit der Bodentiere (Bioturbation) in das Sediment eingearbeitet. Der Abbau erfolgt in Oberflächennähe unter Sauerstoff-Verbrauch, in der Tiefe überwiegend unter Verbrauch von Sulfat, einem der Hauptbestandteile des Seewassers. Solange die Abbaukapazität nicht überlastet ist, stellt sich ein Gleichgewicht ein, erkennbar an einem "Redoxhorizont" in einigen Zentimetern oder bei Schlicksedimenten manchmal nur einigen Millimetern Tiefe. Er trennt schwarzes tieferliegendes sauerstofffreies (anaerobes) Sediment von der darüberliegenden hell-gefärbten oxischen Sedimentschicht. Die Lage des Redoxhorizonts wird ganz wesentlich von der Bioturbation beeinflußt, denn diese ist der wichtigste Transportweg für Sauerstoff in die Tiefe. Sulfid (Schwefelwasserstoff), das im anaeroben Sediment gebildet wird, wird in der oxischen (aeroben) Schicht wieder zu Sulfat oxidiert, so daß die vom Sauerstoff der Oberfläche abhängigen Bodentiere vor dem giftigen Sulfid geschützt sind (Zu diesen Prozessen siehe Th. Höpner, Das Wattsediment als biochemisches Reaktionsmedium, EINBLICKE 7, 8-12 (1988).
Der Schwarze Fleck ist "nichts anderes" als die Abwesenheit der oxischen Sedimentschicht und das Erscheinen des schwarzen anaeroben Sediments an der Oberfläche. Damit es so weit kommt, muß nicht nur die Abbaukapazität überlastet sein, sondern auch die Bioturbation verschwinden. Beides hängt zusammen, denn im Schwarzen Fleck kann kein Organismus leben außer Bakterien, die Gärungen und Schritte des Schwefelstoffwechsels und der Methanbildung durchführen.
Schwarze Flecken im Experiment
Die Algenbiomasse soll im folgenden die Modell-Belastung sein. Sie hat die ungefähre (molare) Zusammenetzung 450 C : 45 N : 1 P (I. Kellner). Die den Naturvorgängen abgeschaute Belastung (auf trockene Biomasse bezogen) war 3 kg pro Quadratmeter in einer 5-cm-Schicht in 10 bis 15 cm Tiefe. Die stofflichen Veränderungen im Sediment wurden überwiegend als Konzentrationsänderungen gelöster Stoffe im Porenwasser beobachtet. Dabei ging es nicht nur um das Schicksal der Algenbestandteile, sondern auch um diejenigen Sedimentbestandteile, die unter dem Einfluß des veränderten Chemismus gelöst wurden. Viele Mitarbeiter waren dabei, meist in Form von Diplom- und Doktorarbeiten. Ihre Namen werden jeweils genannt.
Organischer Kohlenstoff. Am Beginn des Abbaus der Algenbiomasse steht die Zerlegung von deren Makromolekülen in kleine lösliche Zwischenprodukte, die als DOC (gelöster organischer Kohlenstoff) im Porenwasser gefunden werden. Im Porenwasser eines unbelasteten Sediments gibt es allenfalls 20 mg/l DOC (E. Koke). Im belasteten können es 800 mg/l DOC werden (I. Kellner), in Labor-Mikrokosmen sogar 4.000 mg/l DOC (M. Robak). Essigsäure stellt 60 % des Kohlenstoffs (M. Oetken, C. Riemer), der Rest verteilt sich auf viele Aminosäuren, Zucker u.a. (M. Robak). Es sind die DOC-Bestandteile, die von den sulfatreduzierenden Bakterien benutzt werden und dabei zu Kohlendioxid oxidiert werden. Essigsäure u. a. ist auch Vorläufer von Methan.
Stickstoff. Der Algen-Stickstoff wird als Ammonium freigesetzt und erreicht im Porenwasser 600 µMol/l (I. Langner) und damit toxische Konzentrationen. "Normal" sind 50 µMol/l. Ammonium entweicht durch Diffusion aus dem Sediment in das Tidewasser (Efflux) und trägt zu dessen Nährstoffgehalt bei. Dies ermöglicht das Algenwachstum, und so dreht sich die Stoffkreislauf-Spirale.
Phosphat. Zu dem Phosphat aus der Algenbiomasse kommt solches, das als Folge der Reduktion des Sediments aus diesem in das Porenwasser freigesetzt wird. Bis zu 120 µMol/l werden erreicht (I. Langner), "normal" sind allenfalls 5 µMol/l. Auch hier trägt der Efflux zur Nährstoffanreicherung des Tidewassers bei.
Sulfat. Mit 24 µMol/l gehört Sulfat zu den Hauptbestandteilen des Seewassers und damit auch des Porenwassers. Im Belastungsexperiment wurde verschiedentlich die völlige Erschöpfung des Sulfats erreicht (B. Oelschläger), d.h. alles Sulfat wurde zu Sulfid reduziert. In der Literatur war Vergleichbares nicht zu finden.
Sulfid. Konsequenterweise wurden Sulfidkonzentrationen bis zu 20 µMol/l gefunden, "normal" sind allenfalls 0,05 (B. Oelschläger). Die Differenz zur ursprünglichen Sulfatkonzentration erklärt sich nicht nur mit einem Verlust durch Diffusion in das Tidewasser, sondern auch durch die Reaktion mit dem sedimenteigenen Eisen zu schwarzem Eisensulfid. Laborexperimente zeigten, daß dieses Eisen die Sulfid-Porenwasserkonzentration um ungefähr 3 µMol/l erniedrigen kann (G. Klos). Dann ist die Bindekapazität des Eisens erschöpft. Eine so beanspruchte Sedimentfäche ist deshalb für längere Zeit (ein Jahr oder mehr) sensitiver gegenüber einer neuen Belastung als eine noch nicht belastete Fläche . Sulfid wurde als Schwefelwasserstoff an die Atmosphäre abgegeben. Es zählt zu den klimarelevanten Gasen.
Dimethylsulfid. Das charakteristisch belästigend riechende Abbauprodukt eines osmoregulierenden Inhaltsstoffes der Algen erreichte, auf Porenwasser bezogen, 300 µMol/l, vereinzelt viel mehr. Es wird unter anaeroben Bedingungen zu Methan und Sulfid zerlegt, ist aber im oxischen Sediment recht stabil und kann auch in die Atmosphäre gelangen, wo es zu den klimarelevanten Gasen gerechnet wird (G. Meyer).
Methan. Es entsteht nicht (wie früher angenommen) erst nach Erschöpfung des Sulfats, sondern schon während noch laufender Sulfatreduktion (M. Rackemann). Einer der Gründe ist, daß Essigsäure ein sehr gutes methanogenes Substrat ist. Methanblasen im Sediment spielen eine Rolle bei der kurzzeitigen Veränderung von Schwarzen Flecken, weil sie vom hydrostatischen Druck des Tidewassers komprimiert werden und sich bei dessen Ablaufen wieder entspannen und dabei Porenwasser von der Oberfläche ansaugen bzw. herausdrücken (I. Langner). Methan gehört ebenfalls zu den klimarelevanten Gasen.
Lachgas (Distickstoffoxid). Normalerweise wird Ammonium im oxischen Sediment zu Nitrat oxidiert, das im anaerob-oxischen Übergangsbereich zu elementarem Stickstoff reduziert wird. Dieses entweicht in die Atmosphäre. Es handelt sich um einen ökologisch wichtigen Prozeß, der Stickstoffverbindungen aus dem Ökosystem eliminiert und nicht nur woandershin verlagert. In schwarzen Sedimenten funktioniert das nicht bis zum Ende. Anstatt Stickstoff entsteht Lachgas, das vierte unter solchen Bedingungen entstehende klimarelevante Gas (H. Ebrahimi, P. Lindenlaub).
Das Watt verkraftete die geschilderten Prozesse und die auftretenden Stoffe problemlos, solange es um die wenigen und kleinen Schwarzen Flecke, eben um das Warnsignal, ging. Der Einfluß auf das umgebende Sediment war gering. Organismen konnten ausweichen, und wo nicht, so war ihr Verlust zu verschmerzen. Auch die Diffusion von Produkten in das Tidewasser und in die Atmosphäre war vernachlässigbar. Ganz anders bei den Schwarzen Flächen. Da gibt es keine gesunden Fläche an den Rändern mehr, in die Organismen ausweichen können, und angesichts der Größe der Flächen (es wurde von 25 km² gesprochen), wird die Menge der ins Wasser und die Atmosphäre abgegebenen Stoffe besorgniserregend.
Plausible Erklärungen
Soweit, so gut. Das Phänomen ist beschrieben, die Ursachen zur Entstehung sind genannt. Kenner der Materie warteten nun auf das Auftreten dichter Makroalgenbestände, in denen große Mengen organischen Materials lokal fixiert sind. Bei deren Zersetzung, so warnten sie, würden Schwarze Flecken (= Schwarzen Flächen) großflächig auftreten. Die Schwarzen Flächen sind auch ohne Algen gekommen. Wir lernen nie aus.
Schwarze Flächen - unglückliche Verkettung natürlicher Umstände? Naturphänomene wie das Auftreten "Schwarzer Flächen" sind das Produkt des Zusammenspiels vieler Einzelereignisse und entziehen sich so vielfach einer wissenschaftlichen Analyse. Gelingt es aber, Schlüsselereignisse zu erkennen und als solche zu deuten, läßt sich daraus zumindest eine "plausible" Erklärung ableiten. So stellen auch die folgenden Ausführungen zum Auftreten Schwarzer Flächen lediglich ein "plausibles" Bild (s. Schema) der Ereignisse dar. Eine ganze Reihe von Fragen bleiben dabei unbeantwortet.
Der Winter 1995/96 war sehr kalt und während mehrerer Wochen herrschten starke östliche (ablandige) Winde vor, die einen sehr niedrigen Wasserstand bedingten. Als Konsequenz waren die trockenfallenden Flächen im Wattenmeer über einen längeren Zeitraum mit Eis bedeckt, und während der Zeit ohne Wasserbedeckung drang der Frost tief in den Wattboden ein. (Um eventuellen Fehldeutungen hinsichtlich der Bedeutung des Eiswinters vorzubeugen, sei angemerkt, daß es sich bei weniger als 100 Tagen Eisbedeckung beim letzten Winter keineswegs um einen "Jahrhundertwinter" gehandelt hat.) Der Frost und die mechanische Umlagerung des Wattbodens durch driftendes Eis haben einen Großteil der auf (Miesmuschel) oder unmittelbar unter der Oberfläche lebenden Tierwelt (Pfeffer-, Tell- und Herzmuschel) getötet. Selbst die tiefer eingegraben lebende Sandklaffmuschel erfror.
Im Frühling verhinderten anhaltend niedrige Temperaturen bis in den April hinein einen raschen Abbau der gestorbenen Tiere. Erst mit Einsetzen warmen und sonnigen Wetters im Mai kam es zu einer raschen Zersetzung des angereicherten organischen Materials und damit zu einer Zehrung von Sauerstoff.
Zeitgleich trat, zunächst großflächig in der Nordsee vor der Ostfriesischen Küste, eine erste Planktonblüte auf, die von einer nordischen Kieselalge (Coscinodiscus concinnus) verursacht war. Ein Merkmal der Kieselalgen, auch dieser relativ großen (bis 0,5 mm), ist die Speicherung von Fett, das beim Absterben der Alge freigesetzt wird. Sedimentiert eine solche Algenblüte auf Wattflächen oder gelangt der algenbürtige Fettfilm von See her ins Watt, kann sich ein Fettfilm auf der Oberfläche bilden. Er kann die Sauerstoffzehrung erhöhen, kann den Austausch von Sauerstoff zwischen Wasser/Luft und dem Boden erschweren und vielleicht die Kiemenatmung von Bodentieren behindern.
In einem Kreislauf aus Zersetzung, Sauerstoffverbrauch, Absterben und wieder Zersetzung gerieten immer mehr Arten in den Strudel. In weiten Bereichen des Ostfriesischen Wattenmeeres - für den Bereich des Inselwatts vor Baltrum ist dies eindeutig belegt - fielen ab Anfang Juni weitere Wattbewohner wie der Seeringelwurm oder der Wattwurm diesem selbstverstärkenden Effekt zum Opfer.
Menschliche Maßlosigkeit
Faßt man die beschriebenen Phänomene zusammen, so erscheint es angebracht, zwischen der Ursache und den aktuellen Auslösern Schwarzer Flächen zu unterscheiden. Über Jahrzehnte hin ist die natürlicherweise hohe Produktivität des Wattenmeeres durch Nährstoffzufuhren zusätzlich gesteigert worden. In der ÖSF konnte bewiesen werden, daß Schwarze Flecken als Folge lokaler Biomasseanreicherungen entstehen. Die Grenze der Abbauleistung des Wattenmeeres für organisches Material scheint erreicht, eine Erklärung, die sich nur schwer beweisen läßt, die aber bei Kenntnis der Mechanismen, die zur Ausbildung Schwarzer Flecken führen, plausibel ist. In einer so vorgeprägten Situation kann das Abweichen vom "Normalen", nennen wir es der Einfachheit halber "ein Ereignis", Prozesse in einer Weise umsteuern, wie wir es im letzten Winter bis in den Juni hinein erleben mußten. Eiswinter, auch stärkere, gab es oft. Es scheint aber, daß die Fähigkeit, ein solches Ereignis zu kompensieren, in zunehmendem Maß verloren geht.
Als Fazit bleibt: Niedrige Temperaturen und starke Stürme im späten Frühling und im Sommer haben aus Schwarzen Flecken zunächst nur kurzzeitig Schwarze Flächen werden lassen. Bei Anwesenheit von Sauerstoff kann die Neubesiedlung selbst großer ehemals sauerstofffreier Flächen durch Larvenfall relativ schnell erfolgen. Nehmen wir die Schwarzen Flecken als Warnsignale ernst und betrachten das Auftreten Schwarzer Flächen infolge einer Verkettung normaler Ereignisse als ein noch deutlicheres Warnsignal, nehmen wir es als Warnschuß vor den Bug menschlicher Maßlosigkeit im Umgang mit der Natur.
Die Autoren
Prof. Dr. Thomas Höpner (60), Biochemiker am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM), wurde 1976 an die Universität Oldenburg berufen. Er forscht seit vielen Jahren im Rahmen der Ökosystemforschung Niedersächsisches Wattenmeer über Stoffumsätze in Wattenmeersedimenten. Höpner gehört zahlreichen wissenschaftlichen Gremien an. U.a. ist er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Meeresforschung (DGM). - Dr. Gerd Meurs (39) studierte Biologie und Geographie in Berlin und Oldenburg, wo er 1994 promovierte. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der Beschreibung von Fortpflanzungszyklen ausgewählter Arten und deren Bedeutung in der Umweltüberwachung. In der Ökosystemforschung war er zwei Jahre Mitglied der Steuergruppe.