Philosophische Ligaturen
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Philosophische Ligaturen
In der Typographie bezeichnet der Begriff ‚Ligatur’ die Verknüpfung zweier Buchstaben zu einem neuen Zeichen. Die Form eines Textes wird Teil seiner Aussage - Erkennbarkeit wird zur Signatur von Bedeutung.
Bei Ligaturen im philosophischen Kontext handelt es sich um Mikrostrukturen des Denkens, die in ihrer Verbindung dazu beitragen, dessen Konturen sichtbar werden zu lassen. In dieser Weise sind sie maßgeblich an der Bildung intellektueller Profile beteiligt, ohne zwangsläufig selbst stets Gegenstand argumentativer Auseinandersetzungen sein zu müssen.
Ligaturen wirken als Impulsgeber und Korrektive philosophischen Fragens, die in scheinbar homogenen Diskurs-Gefügen Eigenheiten erkennbar werden lassen, die sich nicht immer über die Analyse ihrer Theoreme zeigen.
Bei der Erforschung von Ligatur-Linien geht es nicht um Typisierung von Denk-Formen im Sinne definitorischer Verbindlichkeit. Vielmehr sollen Merkmale in ihrer Relation beleuchtet werden, um deren Artikulation in Gestalt von Text und Theorie zu rekonstruieren.
Speziell in zwei Bearbeitungsfeldern kann momentan die Suche nach Ligaturen fruchtbar gemacht werden:
Existenzphilosophie | Jüdische Philosophie |
Der Begriff der Existenzphilosophie erwies sich von Anfang an als problematisch, da er einem zeitgenössischen Erscheinungsbild des Denkens eine einheitliche Definition verleihen sollte. Die Bemühungen etwa von Karl Jaspers oder Hannah Arendt, ihrerseits Erläuterungen dieser Titulierung vorzunehmen, bezeugen letztlich die Unschärfe, die diesem Begriff anhaftet. Übereinstimmung scheint hingegen darüber zu bestehen, daß er zur Kennzeichnung einer kleinen Auswahl von Schriften vornehmlich des 20. Jahrhunderts dient. Die gegenwärtig weit verbreitete Skepsis gegenüber Existenzphilosophie resultiert auch aus der Vorstellung, daß es sich um ein Phänomen bloß temporärer Präsenz handelt, dessen Aussagen im 21. Jahrhundert nicht mehr recht zu passen scheinen. In Erweiterung dieser Sicht wird Existenzphilosophie als strukturale Erscheinung interpretiert, die die Philosophie seit der Spätantike periodisch durchkreuzt. Diese Sichtweise legt Mechanismen diskursimmanenten Denkens offen, die dessen Verortung im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen, ökonomischen und intellektuellen Bedingungen aufzeigen, ohne jedoch ausschließlich vor diesem Hintergrund gültig zu sein. Von einer ‚Geschichte’ der Existenzphilosophie zu sprechen, ist daher keineswegs übertrieben. Doch geht es nicht darum, diese um ihrer selbst willen zu studieren. Vielmehr eröffnet sie Möglichkeiten und Ausrichtungen des Fragens nach der gegenwärtigen und zukünftigen Relevanz jener Form westlicher Rationalität, die auch als das „Existentielle Denken“ bezeichnet werden kann. Ob dieses trotz einer ihm wesentlichen Ambivalenz ein tragfähiges Instrument zur Formulierung von Ethik und Bildungsphilosophie im Angesicht mannigfaltiger Herausforderungen sein kann, gilt es zu untersuchen. | Die Überlegung, ob es eine spezifisch „Jüdische Philosophie“ gibt, wird gegenwärtig zumeist über den Hinweis auf deren notwendig religiösen Inhalt geführt. Unter diese Klassifizierung fällt eine relativ begrenzte Anzahl von Schriften aus unterschiedlichen Epochen, deren Bedeutung für den philosophischen Diskurs mitunter minimal erscheint. Zunehmend droht das Wissen um diese Werke und ihre Verfasser in Vergessenheit zu geraten. Für die gerade heute unverzichtbare Reflexion der Bedingtheit eigener Intellektualität scheint es damit weitgehend verloren zu sein. Hier kann das Aufspüren philosophischer Ligatur-Linien von Nutzen sein. Denn sie erweisen sich als Formgebungen des Denkens, die auch unabhängig von dessen Gegenstand gelten. In dieser Perspektive wird es möglich, ein vielfältiges Geflecht von Beziehungen, Prägungen und Beeinflussungen kenntlich zu machen, das die Entwicklung der europäischen Philosophie bis in die heutigen Tage durchzieht. Arbeiten zu Levi ben Gerson und den lateinischen Averroisten, zu Elijah Delmedigo und den Theoretikern der Renaissance, sowie zu Franz Rosenzweig und Martin Heidegger liegen vor. Bereits anhand dieser drei Beispiele wird absehbar, daß das philosophische Denken durch Einflüsse geprägt ist, deren Relevanz bisher kaum Beachtung gefunden hat. Das Bewußtsein hierüber zu stärken, kann einen Beitrag zur Bildung intellektueller Selbstwahrnehmung leisten, die das Wissen um Verbundenheit im Denken – um philosophische Ligaturen – einschließt. |
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Mitarbeitende
Malte Maria Unverzagt