Die Rechte der Natur

Mit den Rechten der Natur befasst sich der Philosoph Tilo Wesche. Im Interview spricht er über das Eigentum an natürlichen Ressourcen, ein gescheitertes Verständnis von Nachhaltigkeit - und einen Fluss in Neuseeland, der den Ausweg weist.

Herr Wesche, was verstehen Sie als praktischer Philosoph unter Natur?

Für mich ist Natur dreierlei. Einmal alles das, was nicht vom Menschen gemacht ist, was sich selbst hervorbringt. Zweitens etwas, das ich wahrnehmen kann, sei es durch Geschmack, die Schönheit einer Landschaft oder Wärme und Kälte. Und Natur ist etwas, das Schutz verdient. Die Natur hat Rechte, die sie schützen.

Wie kommt die Natur zu diesen Rechten?

Es gibt in vielen Traditionen die Vorstellung, dass die Natur nicht den Menschen, sondern den Göttern oder Gott gehört. Sie ist etwas, das wir nicht nach Belieben nutzen, übertragen und verwerten dürfen. Allerdings ist es in modernen Gesellschaften sehr schwierig, diese Rechtsansprüche der Natur auf der Basis von Glaubensgewissheiten aufrechtzuerhalten.

Wie könnte es stattdessen funktionieren?

Tatsächlich haben weltweit einige Gerichte oder Gesetzgeber entschieden, dass die Natur ein Rechtssubjekt ist und dadurch Rechte hat, die sie vor Schaden schützen sollen. Ein Beispiel ist der Whanganui River in Neuseeland, Gegenstand eines alten Streits: Die Maori sagten, der Fluss gehört den Göttern und niemandem sonst – die Regierung sagte, der Fluss ist wie jedes andere Gut etwas, das in Eigentum überführt werden kann. Die Richter haben dann die salomonische Entscheidung getroffen, dass der Fluss sich selbst gehört. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Natur Eigentümerin ihrer Ressourcen ist.

Wie kann die Natur diese Rechte durchsetzen?

Es sind Rechte, die repräsentativ wahrgenommen werden. Beispielsweise nehmen staatliche Institutionen, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure stellvertretend die Rechte zum Beispiel von Kindern wahr. Das lässt sich problemlos übertragen.

Was bedeutet das für den nachhaltigen Umgang mit Natur?

Die Erfahrung zeigt: Die Natur aus menschlichen Interessen heraus zu schützen – wegen zukünftiger Generationen oder weil die Umweltverschmutzung unsere Gesundheit beeinträchtigt – hat wenig bis gar nichts gebracht. Der einzige Ausweg ist, die Natur nicht den Menscheninteressen unterzuordnen, sondern sie eben als Rechtssubjekt für sich zu begreifen.

Und da kommen wir zur Logik des Eigentums als Grundlage für Nachhaltigkeit?

Eigentumsrechte sorgen dafür, dass niemand fremdes Eigentum verletzen darf. Wer zur Wertschöpfung beiträgt, hat ein solches Recht auf Eigentum an dem entsprechenden Wert – auch die Natur. Ihre Ökosystemleistungen muss man als Eigentum der Natur betrachten, das als solches schützenswert ist. Daraus ergeben sich Nachhaltigkeitspflichten: Wir dürfen die Natur zwar nutzen, sie verwerten, mit ihr auch Handel treiben – aber nur unter dem Vorbehalt der Nachhaltigkeit, beispielsweise einer ausgeglichenen Ökobilanz.

 

Presse & Kommunikation (Stand: 20.06.2024)  | 
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