Digitalisierung gendergerecht gestalten

Die digitale Transformation muss sich neben technologischen und anwendungsbezogenen Aspekten vor allem auch mit den gesellschaftlich-kulturellen Fragen der Gleichstellung auseinandersetzen.
(dt. Frauenrat 2019)
Digitalisierung gendergerecht gestalten
Digitalisierung ist aktuell ein zentrales Thema an den Universitäten – in Studium und Lehre, Forschung und Verwaltung. Und: Universitäten haben als Bildungs- und Forschungsinstitutionen den besonderen gesellschaftlichen Auftrag der Durchsetzung der Chancengleichheit, den es umzusetzen gilt.
Frauen an der Gestaltung der digitalen Transformation durchgängig beteiligen
Um die Perspektive von Frauen stärker einfließen zu lassen, müssen Frauen paritätisch an allen Stufen des Digitalisierungsprozesses universitärer Abläufe beteiligt werden. Frauen bei Gelegenheit einzubeziehen ist nicht ausreichend. Da Frauen im IT-Bereich stark unterrepräsentiert sind, ist dies eine besondere Herausforderung (s. Digital Gender Gap).
Qualitätskriterien gendergerechter Digitalisierung definieren und evaluieren
Zu klären ist, an welchen Kriterien sich eine gendergerechte digitale Transformation messen lassen will. Nur so kann eine Kultur der Gendergerechtigkeit auch nachhaltig in die Umsetzung überführt werden. Regelmäßige Befragungen zu ihren Erfahrungen mit digitalen Prozessen/Instrumenten der Beschäftigten, die Frauen in besonderer Weise ansprechen, spielen dabei eine große Rolle.
Örtliche und zeitliche Flexibilisierung für den Kulturwandel nutzbar machen
Die örtliche und zeitliche Flexibilität, die durch digitalisierte Arbeitsprozesse möglich wird, bietet gute Rahmenbedingungen für die gleichmäßige Aufteilung der Sorgearbeit, sie kann aber auch die traditionelle Rollenaufteilung befördern (s. Gender Care Gap). Die Beschäftigten sollten daher dafür sensibilisiert werden, ihre Organisation als Paar oder Familie zu reflektieren und bewusst zu entscheiden.
Höhere Anforderungen durch Digitalisierung honorieren
In vielen Bereiche mit klassisch hohen Frauenanteilen an Universitäten wie z. B. in Sekretariaten, in der Sachbearbeitung der Verwaltung oder in Bibliotheken, aber auch in Laboren sollten digitalisierungsbezogene Anforderungsinhalte stärker honoriert werden. Gerade diese Bereiche gehörten zu den Ersten, die von den neuen technischen Entwicklungen betroffen waren (BMFSFJ 2021). Auch sollte hier die Chance für gendergerechte Neubewertungen genutzt werden (s. Gender Pay Gap).
Digitalisierungsbezogene Genderkompetenzen in Studium und Lehre fördern
Die Corona-Pandemie hat die Diskussion um den sinnvollen Einsatz von digitalen Medien in der Hochschuldidaktik auch in Präsenzuniversitäten verstärkt. Diese Diskussion sollte um die Verschränkung von Genderkompetenz mit digitalisierungsbezogenen Kompetenzen der Lehrenden ergänzt werden. Themen sind hier z. B. Reflexion bestehender Geschlechterstereotype in Bezug auf digitale Technologien; Motivation der Studierenden, digitale Medien auszuprobieren; Diskriminierungspotenzial und Umsetzung von Gewaltschutzkonzepten etc. Eine Übersicht über digitalisierungsbezogene Genderkompetenz in der Lehre wird im Bundesgleichstellungsbericht (BMFSFJ 2019, 155) gegeben. Weitere Anregungen bietet u.a. die Toolbox der FU Berlin zu Gender- und Diversitykompetenz für die digitale Lehre.
Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Fach Informatik zu. Die Bemühungen, mehr Studienanfängerinnen für dieses Fach zu begeistern, müssen weiter intensiviert werden. Aber auch in den Studieninhalten müssen die Verschränkungen von Informatik und Gender noch stärker berücksichtigt werden (z. B. Gendering Mint Digital). Gleiches gilt für die Bearbeitung von Genderspezifika in Forschungsvorhaben in diesem Bereich.
Genderaspekte in Forschungsvorhaben systematisch berücksichtigen
Digitale Forschungspraktiken werden künftig das wissenschaftliche Arbeiten in nahezu allen Wissenschaftsdisziplinen prägen. Im Zuge der Verarbeitung wachsender Datenmengen und zunehmender Anwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz wird der digitalen Expertise noch mehr Bedeutung zukommen. Die Auseinandersetzung mit Gütekriterien und die Etablierung von Standards zur Beschreibung von Forschungsdaten sowie Anforderungen an Software in Forschungsprojekten werden feste Bestandteile der Forschungspraxis sein (DFG 2020). Um dem Gender Data Gap entgegen zu wirken, müssen Gütekriterien und Standards auch die Gendersensibilität erfassen. Auch sollten Maßnahmen ergriffen werden, die Wissenschaftlerinnen in der Qualifizierungsphase bei Bedarf unterstützen, damit sie auf diese Entwicklung ebenso gut vorbereitet sind wie ihre Kollegen.
Digitale Sichtbarkeit von Frauen im Wissenschaftssystem erhöhen
Die gezielte Nutzung von Social Media Plattformen wird weiterhin an Bedeutung gewinnen. Durch höhere Transparenz und Objektivität der Netzwerksichtbarkeit eröffnen sich neue Chancen für die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen. „Durch die damit einhergehende Machtverschiebung weg von Seilschaften hin zu Netzwerk-Communities werden die Karten neu gemischt – mit großem Potenzial für die Frauen in Wirtschaft in Wissenschaft.“ (Havebier 2016, 257). Auf Wissenschaftlerinnen in der Qualifizierungsphase zugeschnittene Angebote können einen wertvollen Beitrag zur Schließung des Digital Gender Gap leisten.
Frauen vor Diskriminierungen im digitalen Raum schützen
Durch die stetige Zunahme der Nutzung sozialer Medien auch in der Öffentlichkeitsarbeit der Universitäten werden Beschäftigte und Studierende stärker in der Öffentlichkeit sichtbar und dadurch auch angreifbarer. Die digitale Kommunikation innerhalb der Hochschule in Studium, Lehre und Wissenschaft birgt die Gefahr der Zunahme verschiedener Formen der Diskriminierung. Bestehende Präventionsmaßnahmen sowie Beratungsangebote und Schutzmechanismen insbesondere auch gegen sexualisierte Diskriminierung müssen daher an die neuen Herausforderungen der digitalen Transformation angepasst werden (s. BMFSFJ 2021, 199 ff; Leopoldina 2022).
Quellen: