Dissertationen & Habilitationen
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Leben ohne Heilung
Dissertationsprojekt (Jaehyeon Oh)
Leben ohne Heilung. Zum Spannungsfeld zwischen Behinderung und Medizin in der deutschen Literatur des 21. Jahrhunderts
Das Dissertationsprojekt untersucht die Darstellung der Schnittstelle von Behinderung und Medizin in der deutschen Literatur des 21. Jahrhunderts im Hinblick auf den Heilungsbegriff. Historisch gesehen befinden sich Behinderung und Medizin in einem Spannungsfeld, in dessen Zentrum der Begriff ‚Heilung‘ liegt. Das Begriffspaar Heilbarkeit/Unheilbarkeit hat den historischen Diskurs über Gesundheit, Krankheit und Behinderung geprägt. Seit den 1960er Jahren führte das Normalisierungskonzept, das auf eine medizinische Heilung von Behinderung abzielt, zur Kritik am medizinischen Modell von Behinderung und zur Etablierung des sozialen Modells. Dennoch sind Menschen mit Behinderungen eine große gesellschaftliche Minderheit, die auf medizinische Versorgung angewiesen ist, aber beim Zugang dazu benachteiligt wird.
Bei diesem Dissertationsprojekt werden die literarischen Tendenzen in der deutschen Literatur des 21. Jahrhunderts im Kontext von Krankheit/Behinderungsnarrativen und die diskursiven Felder der Literary Disability Studies berücksichtigt. Untersucht werden Romane wie Juli Zehs Corpus Delicti (2009), Thomas Melles Die Welt im Rücken (2016), Frédéric Valins Ein Haus voller Wände (2022) und Paula Fürstenbergs Weltalltage (2024). Zentrale Fragen sind: In welchem Zustand sind die ungeheilten Körper/Psyche und auf welche Weise stehen sie in Beziehung zu medikalen Räumen wie Klinik und medizinischen Diskursen? Wie verknüpft Literatur die Geschichte von Vernichtung der ‚Unheilbaren‘ (NS-Zeit) mit der heutigen Institutionalisierung von Menschen mit Behinderungen? Wo befindet sich Behinderung im Kontext biomedizinischer Optimierung? Welche Erzählverfahren werden verwendet, um die Erwartungslosigkeit auf Heilung oder die bewusste Ablehnung von Heilung darzustellen?
Die analysierten Texte thematisieren die soziokulturellen und politischen Zusammenhänge des Lebens ohne Heilung und erweitern das öffentliche Bewusstsein von Behinderung durch kulturelle Repräsentationen. Zudem verdeutlicht die Analyse die sich ständig verändernden Grenzen zwischen Normalität und Abweichung in der modernen Gesellschaft sowie die Rolle medikaler Räume und Institutionen.
Ansprechpartnerin: Jaehyeon Oh
Betreuerin: Prof. Dr. Urte Helduser
Schriftbasierte Poetik und Werkpolitik bei Michael Ende
Dissertationsprojekt (Sandra Eilts)
Das Dissertationsvorhaben geht von der Beobachtung aus, dass diverse Texte Michael Endes ihren Fluchtpunkt im schriftlichen Erzählen haben. Insbesondere seine Romane scheinen explizit auf das Medium Buch hin konzipiert zu sein, was sich unter anderem in der materialen und typographischen Gestaltung der Bücher niederschlägt. Die Einbindung materialer Aspekte als narrative Mittel wird als Ausdruck einer schriftbasierten Poetik Michael Endes gedeutet. Dafür greift die Dissertation aktuelle Entwicklungen in der Medialität- und Materialitätsforschung auf: Ausgehend von dem Konzept der ‚Schriftbildlichkeit‘ (Krämer), das die ikonische Dimension von Schrift hervorhebt, sowie dem Konzept der ‚Buchhaftigkeit‘ (Boyken) werden die narrativen Funktionspotenziale der Zwei- und Dreidimensionalität der Ende’schen Texte untersucht. Das Analysekorpus umfasst dabei sowohl Endes erfolgreiche Kinder- und Jugendromane als auch Texte, als deren Zielgruppe Erwachsene angenommen werden und, soweit möglich, unveröffentlichte und fragmentarische Entwürfe. Anhand der literarischen Texte lassen sich jedoch nicht nur poetologische Überlegungen entwickeln, sondern sie lassen sich auch als Ergebnis einer ‚Werkpolitik‘ (Martus) deuten. Anhand von Endes Korrespondenz mit dem Verlag werde ich herausarbeiten, wie Ende aktiv Einfluss auf alle Aspekte der Materialität seiner Texte nimmt und wie er seine zunehmend gefestigtere Stellung als erfolgreicher Autor nutzt, um seine Poetik gegenüber dem Verlag durchzusetzen.
Ansprechpartnerin: Sandra Eilts
Betreuer: Prof. Dr. Thomas Boyken
Tanz-Manie(r)
Dissertationsprojekt (Sabrina Dunja Schneider)
Tanz-Manie(r).
Die literarische Darstellung von Tanz zwischen Kontrolle und Kontrollverlust (Arbeitstitel)
Ausgehend von der These, dass Tanz und dessen literarische Darstellung im 18. und 19. Jahrhundert in einen Gesundheitsdiskurs eingebunden sind und darüber als Regulativ aktiv an der Konstitution gesellschaftlicher Ordnungen beteiligt sind, werden verschiedene Textzeugen auf ihre diskursive Funktion überprüft. Tanz- und Manierbücher, medizinische Artikel in einschlägigen Familienzeitschriften und wissenschaftliche Fachartikel, die Tanz zum Inhalt haben, bilden den ersten Untersuchungsgegenstand. Diese Texte formulieren ein erzieherisches und/oder aufklärerisches Interesse, das auf seine normative Funktion untersucht wird. Wenn Tanz als Regulativ sowohl konstituierend als auch selektierend vorgeht, muss sich in seiner literarischen Repräsentation niederschlagen, welches Wissen Gültigkeit besitzt und welche Praktiken bedient werden. Im zweiten Teil des Projekts werden Tanzszenen fiktionaler Texte des 18. und 19. Jahrhunderts zur Analyse herangezogen. Hier ist zu fragen, auf welches Wissen zurückgegriffen und wie damit umgegangen wird. Findet in der fiktionalen Literatur eine Reproduktion oder Ästhetisierung von Wissen statt oder wird der diskursbildende Anteil fiktionaler Literatur über Protest herausgebildet?
Es gilt zu untersuchen, ob und in welcher Weise das Spannungsverhältnis von Kontrolle (Disziplinierung) und Kontrollverlust (Rausch, Wahnsinn), das dem Tanz inhärent ist, in den literarischen Texten des 18. und 19. Jahrhunderts diskursbildend ist. Es soll gezeigt werden, wie die literarische Darstellung von Tanz den Normierungs- und Disziplinierungsprozess von (‚Sozial‘-)körpern reflektiert. Mit der These, dass es vor allem die Medizin ist, die mit einem „Public Health“-Interesse medizinische Kategorien an moralisches Verhalten koppelt, wird analysiert, inwiefern Tanz in seiner Ambiguität funktionalisiert wird, um bestimmte Verhaltensweisen zu evozieren. Dabei wird Tanz, der als Regulativ den Unterschied zwischen Normalität (gesund) und Anomalität (krank/pathologisch) aufzeigt, zu einem Dokument eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses, der die Anomalie in ‚andere Räume‘, wie die Anstalt und die Bühne, auslagert.
Ansprechpartnerin: Sabrina Dunja Schneider
Betreuerin: Prof. Dr. Urte Helduser
Konfigurationen posthumaner Körperlichkeit im Spannungsfeld zwischen Utopie und Dystopie
Dissertationsprojekt (Anna-Christine Pilz)
In der Dissertation sollen aktuelle Diskurse um posthumane Körperlichkeit in literarischen Utopien/Dystopien der Gegenwart untersucht und entlang des (diesem Genre inhärenten) Spannungsverhältnisses ausgelotet werden, inwiefern das Posthumane Risiken und Chancen in sich birgt. Postuliert wird ein ideengeschichtlicher und formalästhetischer Zusammenhang zwischen dem kritischen Medium der Dystopie und den Futurologien des Trans- und Posthumanismus, der sich ‚am Leitfaden des Leibes‘ erkunden lässt. Posthumane Körperlichkeit ist dabei nicht nur wesentlich durch digitale Technik geprägt, sondern verbindet unter dem Aspekt der Biomacht auch unterschiedliche Wissensfelder in Politik, Ökonomie oder Ethik.
Ansprechpartnerin: Anna-Christine Pilz
Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Kyora
Fotografie und Literatur
Dissertationsprojekt (Ina Cappelmann)
Fotografie und Literatur.
Zur Bedeutung fototechnischer Arbeiten und Arbeitsweisen in der deutschsprachigen Literatur des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts (Arbeitstitel)
Untersucht werden literarische Werke, in denen Fotografien als handlungskonstituierendes Moment abgedruckt sind, unter der Fragestellung, ob diese sogenannten "Foto-Texte" als eigenständiges literarisches / intermediales Genre betrachtet werden können.
Ansprechpartnerin: Ina Cappelmann
Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Kyora
Die Rezeption der historischen Avantgarde in Westdeutschland zwischen 1945 und 1960
Dissertationsprojekt (Daria Engelmann)
Die Rezeption der historischen Avantgarde in Westdeutschland zwischen 1945 und 1960 (Arbeitstitel)
Ausgehend von der These, dass eine Rezeption der historischen Avantgarde nicht erst, wie die Forschung meist angibt, in den späten 1950er und in den 1960er-Jahren und stattgefunden hat, sondern bereits ab 1945 wiederaufgenommen oder weitergeführt wurde, möchte die Dissertation die Rezeption der historischen Avantgarde zwischen 1945 und 1960 in den Westzonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland anhand ausgewählter literaturkritischer und essayistischer Schriften in den Blick nehmen. Die geplante Dissertation will eine Forschungslücke schließen, indem sie es sich zur Aufgabe macht, gerade die frühen (nicht-literarischen) Schriften unterschiedlicher Nachkriegsautoren (u. a. von Alfred Döblin, Gottfried Benn und Peter Rühmkorf) sowie essayistische und literaturkritische Beiträge aus ausgewählten Zeitschriften (u. a. aus Zwischen den Kriegen, Studentenkurier und Texte und Zeichen) hinsichtlich ihrer Bezugnahme auf die historische Avantgarde und deren Funktion zu untersuchen. Ziel der Arbeit ist es, die Rezeption der historischen Avantgarde herauszuarbeiten und mit den Debatten zur Lage der Literatur im literarischen Feld Westdeutschlands zwischen 1945 und 1960 in Bezug zu setzen.
Ansprechpartnerin: Daria Engelmann
Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Kyora
Abgeschlossene Habilitationen
Christian Schmitt: Labiles Gleichgewicht. Vermittlungen der Idylle im 19. Jahrhundert (Hannover: Wehrhahn 2022).
Abgeschlossene Dissertationen
Ella M. Karnatz: Autorschaft, Genres und digitale Medien. Michael Köhlmeier, Sibylle Berg, Cornelia Funke und Markus Heitz im deutschsprachigen literarischen Feld der Gegenwart (2010-2020) (Bielefeld: Transcript 2023).
Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Kyora