Raumfahrt-Enthusiasten auf aller Welt feiern den 50. Jahrestag der Mondlandung. So auch Björn Poppe und Kay Willborn von der Universitätsklinik für Medizinische Strahlenphysik. Im Interview sprechen sie über Gefahren und Kuriositäten der Apollo-Missionen – und darüber, welche Rolle Strahlenschutz bei künftigen Missionen spielt.
Prof. Poppe, was fasziniert Sie an der Mondlandung?
Poppe: Man muss sich vorstellen, dass jedes Smartphone heute eine größere Rechenleistung besitzt, als damals für die Planung der Mondmissionen zur Verfügung stand. Unglaublich, dass es trotzdem funktioniert hat.
Dr. Willborn, wie gefährlich waren die Apollo-Missionen?
Willborn: In der bemannten Raumfahrt gab es leider schon früh Opfer zu beklagen: Das gesamte Team von Apollo 1 ist vor dem Start bei einem Feuer in der Kapsel ums Leben gekommen. Auch die Sowjetunion verlor während der ersten Sojus-Mission im Jahre 1967 einen Kosmonauten. Viele Dinge wurden aus der Erfahrung heraus weiterentwickelt, aber man muss bedenken: Die Mondlandung war ein sehr komplexes Projekt mit einer Vielzahl von Komponenten. Es bestand ein nicht geringes Risiko, dass die Mission scheiterte.
Poppe: Hinzu kommt, dass viele Dinge nicht bis ins letzte Detail vorausberechnet werden konnten, zum Beispiel die Landung auf dem Mond. Die Apollo-Astronauten wurden darauf trainiert, noch während des Anfluges an Felsbrocken vorbei zu fliegen. Das wäre beinahe schief gegangen.
Verschwörungstheorien zufolge hätten die Apollo-Astronauten die Reise durch die Strahlungsgürtel der Erde gar nicht überleben können, weil die Strahlenbelastung dort zu hoch ist. Was ist davon zu halten?
Poppe: Wie auch von den anderen Verschwörungstheorien über die Mondlandung: nichts.
Worauf beruht denn die Behauptung?
Poppe: Die Erde hat zwei Strahlungsgürtel, die sogenannten Van-Allen-Gürtel, in denen die Dichte an geladenen Teilchen besonders hoch ist. In einer Höhe zwischen 700 Kilometern und 6000 Kilometern werden vermehrt hochenergetische Protonen gemessen, zwischen 16.000 und 58.000 Kilometern vor allem Elektronen. Man konnte die Strahlendosen beim Transfer eines Raumschiffes bereits vor den Apollo-Missionen sehr gut abschätzen. Der Durchflug durch die Gürtel dauerte etwa eine Stunde, dabei waren die Astronauten in der Tat einer vergleichsweisen hohen Strahlendosis ausgesetzt. Diese Belastung lag aber deutlich unter der, der man während einer Computertomographie (CT) in der Medizin ausgesetzt ist. Eine tödliche Belastung hätte etwa tausendmal so hoch sein müssen, und die Astronauten waren durch die Raumfähre zusätzlich vor der Strahlung geschützt.
Willborn: Die gesamte Belastung lag pro Mission in der Größenordnung von ein bis zwei medizinischen CT-Untersuchungen. Eine derartige Dosis erhöht das Risiko für eine Krebserkrankung nur geringfügig. Zum Vergleich: Das Risiko eines starken Rauchers, Lungenkrebs zu bekommen, ist mehrere tausend Mal höher als das zusätzliche Risiko durch die Strahlung während der sechs bis zehn Tage dauernden Apollo-Missionen. Die Probleme werden allerdings größer, wenn man an die nun geplanten langen Missionen zum Mars denkt.
Eine Reise zum Mars würde ein Jahr oder länger dauern.
Willborn: Genau hier liegt eines der Hauptprobleme der modernen Raumfahrt. Wenn man die heutigen Grenzwerte einhalten will, dürfte man eigentlich keine Astronauten zum Mars schicken.
Wie können zukünftige Astronauten über diesen langen Zeitraum vor der Strahlung geschützt werden?
Poppe: Da wird über viele Möglichkeiten nachgedacht, von besonderen Abschirmungen in Raumschiffen bis hin zu Zusatzstoffen in Lebensmitteln, die die schädigende Wirkung der Strahlung auf die Zellen minimieren sollen. Auch der elfjährige Sonnenzyklus spielt eine große Rolle, weil die Strahlenbelastung währenddessen variieren kann.
Welche Anforderungen gibt es an eine dauerhafte Basis auf dem Mond oder dem Mars?
Poppe: Die Unterkünfte dort müssen einen besonderen Strahlenschutz aufweisen. Raumfahrtagenturen denken ernsthaft auch über Höhlen als Basis für Unterkünfte nach, weil Gestein einen natürlichen Schutz vor der Strahlung bietet.
Welcher Art von Strahlung sind die Astronauten in der näheren Umgebung der Erde ausgesetzt?
Poppe: Unser Planet ist von geladenen Elementarteilchen, Staubpartikeln, kleine Gesteinsbrocken und Weltraumschrott umgeben. Diese Strahlungsumgebung gut zu kennen und zu beschreiben ist für die Raumfahrt enorm wichtig. Hier können wir als Strahlenphysiker und Strahlenmediziner einen Beitrag leisten: Unser Team testet beispielsweise hochempfindliche Detektoren für kosmische Strahlung und misst die erdnahe Staubverteilung mit verschiedenen Methoden. Auf diesem Gebiet kooperieren wir eng mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Zum Thema Mondlandung hat die Universitätsklinik für Medizinische Strahlenphysik eine Ausstellung im Foyer des Pius-Hospitals eingerichtet. Welches Exponat ist Ihr Lieblingsstück?
Willborn: In der Ausstellung ist ein so genannter Mondbrief zu sehen. Dabei handelt es sich um einen Brief, den Astronauten der Mission Apollo-15 heimlich mit zum Mond geschmuggelt haben. Ein deutscher Briefmarkenhändler hatte den Astronauten frankierte Briefe mitgegeben, um sie später teuer zu verkaufen. Das ist aufgeflogen, die Astronauten wurden disziplinarisch bestraft und die Räume des Händlers vom FBI durchsucht. Die Briefe werden seitdem in Sammlerkreisen als Raritäten gehandelt.
Poppe: Wir haben in der Ausstellung auch ein kleines Stückchen Gestein vom Mars. Dieser unscheinbare Brocken wurde bei einem Einschlag auf dem Roten Planeten ins All geschleudert und ist nach einer langen Reise durchs All als Meteorit auf der Erde gelandet. Sich vorzustellen, dass hier ein Stück eines anderen Planeten liegt, finde ich sehr inspirierend.
Interview: Ute Kehse