Um den Ursachen des Bienensterbens auf den Grund zu gehen, braucht es mehr Wissen darüber, in welcher Umgebung sich Hummeln und Co. wohlfühlen. In einem Citizen-Science-Projekt sammeln Schüler Daten über das Verhalten der Tiere.
Leise brummt es aus dem weißen Pappkarton, den Nadine Andreßen vor sich trägt. Die Lehrerin ist umringt von Schülern ihrer 12. Klasse der BBS am Museumsdorf Cloppenburg im Süden von Oldenburg. Als eine Schülerin vorsichtig den Deckel öffnet, entdeckt sie die Quelle des Brummens: ein Hummelvolk.
Für die Schüler war diese erste Begegnung mit den pelzigen Insekten der Auftakt eines Projekts der besonderen Art: Vier Wochen lang beobachteten sie die Königin und ihr Gefolge, deren Nistkasten für diese Zeit auf einer Wiese im Museumsdorf stand. Wie viele Tiere fliegen ein und aus? Bringen sie Pollen mit ins Nest? Welche Pflanzen wachsen in der Umgebung? Mit ihren Erkenntnissen unterstützen die Jugendlichen das deutsch-niederländische Forschungsprojekt B-R(H)APSODIE, an dem die Universität unter Federführung des Botanischen Gartens beteiligt ist. Ziel des Vorhabens ist es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit rund um Bienen – zu denen als Wildbienen auch die Hummeln gehören – zu verstärken und die Öffentlichkeit für die Bedrohung der Insekten zu sensibilisieren.
Wo fühlen sich Hummeln wohl?
Insgesamt 14 Schulen im Nordwesten Deutschlands sowie 15 niederländische Klassen beteiligen sich an dem Projekt. Im kommenden Jahr sollen noch einmal 30 hinzukommen. „So können wir über gut 60 Standorte hinweg vergleichen, welche Umgebung für Hummeln besonders geeignet ist“, erzählt Biologe Prof. Dr. Dirk Albach, Leiter des Botanischen Gartens.
Um die Klassen zu unterstützen und die Ergebnisse vergleichbar zu machen, haben niederländische Studierende einen Leitfaden für Lehrer entwickelt sowie Mappen mit Informationen und Aufgaben für die Schüler. Die Holzkästen, in denen die Hummelnester untergebracht sind, wurden mit Sensoren ausgestattet – das hat die Fachhochschule Van Hall Larenstein in Leeuwarden als Projektpartner übernommen. Die Sensoren registrieren jedes aus- und einfliegende Tier und messen Temperatur und Luftfeuchtigkeit.
Bei der Oldenburger Lehramtsstudentin Kim Köhler laufen alle Daten der deutschen Schulen zusammen. In ihrer Bachelorarbeit untersucht sie die Zusammenhänge zwischen Landschaft, Klima und dem Wachstum der Hummelpopulation. „Für Honigbienen hat man herausgefunden, dass es ihnen heutzutage innerstädtisch besser geht als auf dem Land, wo Mais-Monokulturen dominieren. Wir wollen schauen, ob das bei den Hummeln auch so ist“, erklärt die Studentin.
Den Umgang mit Insekten lernen
Außerdem soll das Projekt dazu beitragen, das Thema Bienensterben für die Schüler greifbarer zu machen. „Viele Schüler wissen zwar wie Hummeln aussehen, aber nicht, welche Rolle sie in unserem Ökosystem spielen – dass ohne ihre Bestäubung beispielsweise viele Obstsorten keine Früchte tragen würden“, sagt Köhler. Albach ergänzt: „Die Schüler sollen auch den Umgang mit den Insekten lernen. Viele trauen sich nicht, Hummeln nahe zu kommen, aus Angst vor Stichen. Wir wollen erreichen, dass die Schüler die Scheu vor den Tieren verlieren aber nicht den Respekt.“ Außerdem sollten die Kinder und Jugendlichen angeregt werde, sich Gedanken zu machen, wie man ihren Schulhof insektenfreundlicher gestalten könne.
In Cloppenburg hat man inzwischen ein Resümee gezogen: „Es war interessant und hat Spaß gemacht zu beobachten, wie sich das Hummelnest entwickelt. Auch die eine oder andere Überraschung hat dazu beigetragen, dass es nicht langweilig wurde“, erzählt Nadine Andreßen nach den vier Wochen. So habe eine neue, zweite Königin kurzzeitig Unruhe gestiftet und Schädlinge haben sich über das Nest hermachen wollen. Die Lehrerin ist von dem Projekt restlos überzeugt: „In richtige Forschung eingebunden zu sein, hat die Schüler sehr motiviert.“ Ein Aspekt, der auch Dirk Albach besonders am Herzen liegt: „Wir wollen Schüler für Forschung allgemein und Naturwissenschaften im Speziellen begeistern. Sie sollen merken, dass sie schon mit einfachen Methoden einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft leisten können.“