• Junge Frau mit EEG-Haube, im Hintergrund virtuelle Mensa-Umgebung.

    Gesunden Menschen gelingt es spielend, aus einer Vielzahl von Schallquellen die Stimme des aktuellen Gesprächspartners herauszufiltern. Welche Rolle die Aufmerksamkeit dabei spielt, untersuchen Oldenburger Forscher mit EEG-Messungen und virtueller Realität. Foto: Universität Oldenburg/Giso Grimm

Hörwahrnehmung besser verstehen durch virtuelle Realität

Wie kann virtuelle Realität dabei helfen, komplexe auditive Prozesse besser zu untersuchen? Das untersuchen Oldenburger Forscher in drei Projekten des Schwerpunktprogramms AUDICTIVE.

 

Wie kann virtuelle Realität dabei helfen, komplexe auditive Prozesse besser zu untersuchen? Das untersuchen Oldenburger Forscher in drei Projekten des Schwerpunktprogramms AUDICTIVE.

In Klassenzimmern, Großraumbüros oder in der Nähe vielbefahrener Straßen fällt vielen Menschen das Hören schwer. Um zu verstehen, wie die akustische Wahrnehmung in solch komplexen Umgebungen funktioniert, setzen Oldenburger Experten auf virtuelle Realität (VR). Gemeinsam mit Partnern leiten sie drei Projekte im neuen Schwerpunktprogramm AUDICTIVE („Auditive Kognition in interaktiven virtuellen Umgebungen“) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Akustiker Dr. Stephan Ewert, Prof. Dr. Volker Hohmann, Prof. Dr. Steven van de Par und der Neuropsychologe Prof. Dr. Stefan Debener erhalten für ihre Projekte in den nächsten drei Jahren insgesamt rund 830.000 Euro. Ziel von AUDICTIVE ist es zu klären, wie sich komplizierte auditive Prozesse wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Erinnerung mit neuen, interaktiven VR-Methoden bestmöglich untersuchen lassen.

Wie virtuelle Räume klingen

Van de Par, der als Mitglied des Programmausschusses die inhaltliche Ausrichtung des Schwerpunktprogramms mitgestaltete, leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Blau von der Jade Hochschule in Oldenburg und Prof. Dr. Andreas Mühlberger von der Universität Regensburg eines der Projekte. Mithilfe von Experimenten will das Team herausfinden, ob sich die Akustik von Räumen in einer virtuellen Umgebung realistisch nachbilden lässt und wie der akustische Eindruck durch die visuelle Wahrnehmung beeinflusst wird. Darüber hinaus beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher mit der Frage, welchen Einfluss die Audio-Wiedergabe in virtuellen Welten auf soziale Ängste hat – ob sich etwa die Furcht davor, einen Vortrag vor vielen Menschen zu halten, in einer virtuellen Umgebung reproduzieren und somit einfacher untersuchen lässt.

Ewert leitet gemeinsam mit van de Par und Dr. Virginia Flanagin vom Universitätskrankenhaus München ein Projekt mit dem Ziel herauszufinden, wie es Probanden gelingt, Entfernungen und Bewegungen über das Gehör einzuschätzen. Dies ist besonders in Situationen mit eingeschränkter Sicht oder bei Objekten außerhalb des Sichtfelds wichtig, wenn das Gehör als Warnsystem agiert. Das Team versetzt Versuchspersonen dafür mit Hilfe einer VR-Brille in verschiedene virtuelle Umgebungen. Dabei werden die akustischen Reize entweder über Kopfhörer oder über Lautsprecher wiedergegeben. In den Hör-Experimenten variieren die Forscherinnen und Forscher die Art der akustischen Quellen, ihre Entfernung und Intensität. In beiden Projekten wird das selbstentwickelte akustische Simulationssystem RAZR eingesetzt, das realitätsnahe virtuelle akustische Umgebungen erzeugt.

Plaudern mit virtuellen Charakteren

Das dritte Projekt mit Oldenburger Beteiligung wird von Debener und Hohmann geleitet. Die Forscher wollen ebenfalls experimentelle Studien in virtuellen Umgebungen durchführen, um zu verstehen, wie es gesunden Menschen gelingt, aus einer Vielzahl von Schallquellen die Stimme des aktuellen Gesprächspartners herauszufiltern. Diese Fähigkeit geht über das reine Hören oder Sprachverstehen hinaus, sondern erfordert, die Aufmerksamkeit entsprechend steuern zu können. Hohmann, der an der Universität auch einen Sonderforschungsbereich zur Hörakustik leitet, hat mit seiner Arbeitsgruppe ein leistungsfähiges, akustisches Stimulationssystem namens TASCAR aufgebaut. Diese Plattform ermöglicht es, virtuellen Charakteren nicht nur eine Stimme, sondern auch realistische Lippenbewegungen zu geben und alltägliche Gesprächssituationen abzubilden. Um herauszufinden, wie die Versuchspersonen ihre Aufmerksamkeit steuern, will das Team deren hirnelektrische Aktivität mit einem mobilen EEG-Gerät messen, das von Debeners Arbeitsgruppe entwickelt wurde. Ziel der Kooperation ist es, die mobile EEG-Technologie in der VR zu etablieren und beispielsweise zu untersuchen, welche visuellen Reize dazu beitragen, dass sich die Aufmerksamkeit auf die gewünschte Schallquelle richtet.

AUDICTIVE ist eines von 14 Schwerpunktprogrammen, die die DFG in diesem Jahr eingerichtet hat. Es verknüpft die Disziplinen Akustik, Kognitionspsychologie und Informatik.

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