Die europäische Mittelmeerschnecke ist mittlerweile auch in Südafrika oder Australien zu finden. Wie es dazu kam, und was Schnecken mit der Homogenisierung von Ökosystemen zu tun haben - darüber hat der Ökologe Hanno Seebens in einem internationalen Team geforscht und die Ergebnisse im Fachmagazin "Science" publiziert.
Immer mehr Pflanzen- und Tierarten werden von Menschen in neue Gebiete eingeschleppt. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Henrique Miguel Pereira vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Leipzig konnte nun erstmals belegen, dass die globale Verschleppung von Arten zum Zusammenbruch von eigenständigen, über viele Millionen Jahre entstandenen Verbreitungsmustern von Arten führt – und damit zur zunehmenden Homogenisierung der Ökosysteme.
Zu den Mitgliedern des Forscherteams und Autoren der Studie gehört der Ökologe Dr. Hanno Seebens vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Portugal, Österreich und Deutschland untersuchte er 175 Schneckenarten in 56 Ländern und konnte nachweisen, dass sich die Artengemeinschaften in ihrer Zusammensetzung weltweit rapide ändern und sich immer ähnlicher werden. Die Ergebnisse der großangelegten Studie sind in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Science" erschienen. Die Studie liefert eine der ersten Analysen zur globalen Homogenisierung von Ökosystemen.
Kontinente, Länder, Inseln – sie besitzen von Natur aus eine eigenständige, nur dort vorkommende Pflanzen- und Tierwelt. Bekannte Beispiele sind der Eukalyptus und die Beuteltiere in Australien oder der nachtaktive und flugunfähige Kiwi in Neuseeland. Im kleineren Maßstab gilt diese Einzigartigkeit auch für viele Arten der Ostfriesischen Inseln und des Wattenmeers. Meere oder auch Gebirge haben die natürliche Ausbreitung von Arten über Jahrmillionen verhindert und sorgten so für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets. Durch den globalen Handel hat der Mensch diese alten Barrieren der Artenausbreitung innerhalb kürzester Zeit aufgehoben. Pflanzen- und Tierarten werden über Kontinente hinweg verschleppt, andere Arten absichtlich ausgesetzt. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen.
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler, wie sich die Ähnlichkeit von Artenzusammensetzungen bei Schnecken durch menschliche Artenverschleppung ändert. Dafür erfassten sie sowohl die natürliche Verbreitung der Landschneckenarten als auch deren Verschleppung durch den Menschen.
Ihr Ergebnis: Die natürliche Verteilung der Schneckenarten spiegelt die bekannten Ausbreitungsgrenzen wider und entspricht den klassischen biogeographischen Regionen. Die Verbreitung der vom Menschen verschleppten Arten folgt im Gegensatz dazu ganz neuen Verbreitungsmustern und wird fast ausschließlich vom Klima bestimmt. Dabei richtet sich die Zusammensetzung der verschleppten Arten nach zwei biogeographischen Regionen aus: den Tropen und den gemäßigten Zonen.
Ein Beispiel: Die europäische Mittelmeerschnecke (Theba pisana) wurde durch den Menschen weltweit verbreitet. Mittlerweile ist sie in vielen warm-temperierten Regionen wie Kalifornien, Südafrika, Argentinien oder Australien zu finden – also in Regionen mit einem ähnlichen Klima wie das Mittelmeer-Gebiet. „Wir konnten nachweisen, dass weit voneinander entfernte, klimatisch aber ähnliche Regionen wie beispielsweise Österreich und Neuseeland eine sehr ähnliche Artengemeinschaft von verschleppten Schnecken aufweisen. Das führt dazu, dass sich die Artengemeinschaften immer mehr angleichen“, so Seebens. Sei früher die Entfernung bestimmend für die Ausprägung von Ähnlichkeitsmustern gewesen, sei nun vor allem das Klima in Kombination mit dem globalen Handel entscheidend. Je intensiver der Handel zwischen Ländern mit ähnlichem Klimaverhältnissen betrieben wird, desto ähnlicher entwickeln sich deren Artengemeinschaften.
„Die biologische Homogenisierung kann weitreichende Konsequenzen haben“, warnt Seebens. Dadurch, dass der Mensch manche Arten weltweit verschleppe, gerieten viele einheimische Arten massiv unter Druck, könnten sich gegen die Eindringlinge nicht durchsetzen und gingen zugrunde. „Die Studie zeigt, dass die Verschleppung von Arten gebremst werden muss, damit unsere Ökosysteme erhalten bleiben“, so der Ökologe.