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Master-Studiengang "Informationsrecht"

Zum Weiterlesen: "Big Data & Co - neue Herausforderungen für das Informationsrecht" (Hrsg.: Jürgen Taeger), erschienen 2014, ISBN 978-3-95599-006-0

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Prof. Dr. Jürgen Taeger
Institut für Rechtswissenschaften
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juergen.taeger@uni-oldenburg.de

  • "Big Data" durchzieht unsere gesamte Lebenswelt - und der Datenschutz kann kaum Schritt halten. Foto: Rawpixel/fotolia

Mehr als die Nutzer ahnen

Konzerne häufen riesige Datenmengen an, die detaillierte Aussagen über eine Person zulassen. Wie gehen Datenschützer mit dem Phänomen "Big Data" um - ist Datenschutz überhaupt noch möglich? Informationsrechtler Jürgen Taeger im Interview.

Konzerne häufen riesige Datenmengen an, die detaillierte Aussagen über eine Person zulassen. Wie gehen Datenschützer mit dem Phänomen "Big Data" um - ist Datenschutz überhaupt noch möglich? Informationsrechtler Jürgen Taeger im Interview.

FRAGE: Ein großer Konzern präsentierte jüngst seine Armbanduhr, die den Kalorienverbrauch misst und die gelaufenen Kilometer speichert. Eine wunderbare Technik?

TAEGER: Sie sprechen "Wearables" an, kleine am Körper getragene Computer, beispielsweise Uhren, die den Puls messen, oder Brillen, die mit Bildschirmen und Kameras ausgestattet sind. Das können Geräte mit sehr nützlichen Funktionen sein. Allerdings sollte der Nutzer sicherstellen, dass er selbst entscheidet, wer seine erhobenen Daten erhält. Was viele nicht wissen: Die Wearables können durch Minisender auch Informationen zurücksenden. So sieht der Anbieter immer: wer interessiert sich an welchem Ort für welches Produkt.

FRAGE: Big Data durchzieht also unser gesamtes Leben.

TAEGER: Exakt. Denken Sie an die neue Blackbox für das Auto, die das Fahrverhalten aufzeichnet und die Daten an KFZ-Versicherungen sendet. Oder an "Lifelogger", die mit einer Kamera am Helm ihr Leben filmen. Kleine Drohnen von Fotografen knipsen Mensch und Landschaft von oben. Das Internet ist voll von Fotos. Oder "Smart-TVs" übermitteln an die Hersteller, welche Fernsehprogramme von wem gesehen werden.

FRAGE: Beim Smart-TV ist der Fernseher direkt mit dem Internet verbunden – alles ist miteinander vernetzt.

TAEGER: Rundfunk, digitale Presse, Telemedien – Übertragungswege und Inhalte wachsen zusammen. Die eine Frage ist: Wer ist eigentlich zuständig, das zu regeln? Sind es, wie bei Presse und Rundfunk, die Bundesländer? Oder ist es der Bund, der die Gesetzgebungskompetenz für Telemedien hat, also das Internet, und für die Telekommunikation. Das digitale Medienverhalten und die Kommunikation, unsere Interessen, Vorlieben und Kontakte werden beim Smart-TV aufgezeichnet und ausgewertet. Extremes Beispiel momentan: Instagram.

FRAGE: Eine Social-Media-Plattform für Fotos und Videos, vergleichbar mit Facebook.

TAEGER:  Fotos, die dort gespeichert sind, werden für personalisierte Werbung genau analysiert: Was tragen die Abgebildeten, wo halten sie sich auf, was konsumieren sie, mit wem sind sie unterwegs? Die eingestellten Daten sagen viel mehr aus, als die Nutzer ahnen. Und all diese Daten können miteinander verknüpft und analysiert werden. Bisher will kaum jemand wahrnehmen, wie diese unvorstellbaren Datenmengen – eben Big Data – schon heute ausgewertet werden.

FRAGE: Wie kann unser Datenschutz mit all diesen rasanten Entwicklungen Schritt halten?

TAEGER: Das ist das große Thema. Wir diskutieren hier in Deutschland über  viele "kleine" Datenschutzfälle. Wir legen akribisch Rechtsbegriffe des geltenden Rechts aus und verlieren den Blick für die "großen" Themen.

FRAGE: Haben Sie ein Beispiel?

TAEGER: Beim Scoring, dieser statistischen Methode zur Berechnung der Kreditwürdigkeit eines Kunden, diskutieren wir, dass ein zweites "erhebliches Datum" neben der Wohnadresse für die Berechnung verwendet werden muss. Was "erheblich" ist, darüber wird ohne Ende gestritten, obwohl die Schufa Wohnanschriften gar nicht nutzt.

FRAGE: Die Rechtsprechung zum Datenschutz verliert sich im Klein-Klein?

TAEGER: Nach meinem Gefühl ist das manchmal so. So notwendig unsere Datenschutzvorschriften sind, und so wichtig es ist, sie korrekt auszulegen – so diskutieren mir Fachwelt und Öffentlichkeit zu wenig die vermeintlich stille Technikentwicklung um uns herum – obwohl diese unfassbare Auswertungsmöglichkeiten unserer Daten bereitstellt. Daten die Aufschluss über unser Verhalten, unsere Wünsche und Beziehungen geben. Vor allem stehen wir erst am Anfang einer wahrlich revolutionären Entwicklung, die allenfalls mit der Erfindung des Buchdrucks oder des PC zu vergleichen ist.

FRAGE: Wie wollen Sie das als Jurist ändern?

TAEGER: Ich bin kein Technik-Stürmer. Im Gegenteil. Ich freue ich mich über viele nützliche Neuentwicklungen, die auch unsere Wirtschaft in Gang halten. Wir müssen die Folgen der Big Data-Anwendungen erforschen, gesellschaftlich nachteilige Entwicklungen identifizieren. Das Thema ist jedenfalls in unserem Institut in Oldenburg angekommen, wo wir uns in Projekten und im juristischen Master-Studiengang "Informationsrecht" dieser Problematik widmen.


Prof. Dr. Jürgen Taeger nimmt am Montag, 1. Dezember, als Podiumsgast an den Oldenburger Schlossgesprächen teil, moderiert von Maybritt Illner. Das Thema: "Web 3.0: Ist der Mensch im Netz gefangen? Freiheit, Steuerung und Kontrolle im Digitalen Zeitalter".

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