Geschätzte 800 Millionen Liter Erdöl sind nach der Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon im April 2010 in den Golf von Mexiko gelangt. Wie schafft es die Natur, sich von solch einem immensen Eingriff zu erholen? Ein interdisziplinäres Forscherteam um den Geochemiker Prof. Dr. Heinz Wilkes und den Mikrobiologen Prof. Dr. Ralf Rabus vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg ist der Antwort auf diese Frage ein Stück näher gekommen. Die WissenschaftlerInnen haben herausgefunden, wie Bakterien das Meer bei seiner natürlichen Selbstreinigung unterstützen: Die Kleinstlebewesen haben einen speziellen Stoffwechselweg entwickelt. Dieser erlaubt es ihnen, eine Vielfalt von Erdölbestandteilen als Nährstoffe zu nutzen und sie auf diesem Weg umzuwandeln. Damit tragen sie erheblich zur Entgiftung bei. Ihre Erkenntnisse haben die ForscherInnen in dem Wissenschaftsjournal „Frontiers in Microbiology“ veröffentlicht. Bakterien sind wahre Überlebenskünstler: Sie kommen an den extremsten Orten der Erde vor und sind besonders gut darin, sich an Umweltbedingungen anzupassen. Im Laufe der Evolution haben einige Bakterien zum Beispiel einen Weg gefunden, aus Kohlenwasserstoffen Energie zu gewinnen – obwohl diese als extrem schwer abbaubar bekannt sind. Kohlenwasserstoffe sind die Hauptbestandteile von Erdöl. Der Mensch verbrennt sie, beispielsweise in einem Automotor, um die enthaltene Energie nutzbar zu machen. Die Bakterien machen es sich leichter: Sie „fressen“ diese energiereichen Bestandteile des Erdöls einfach auf. Wie schaffen es die Bakterien, dies zu bewerkstelligen? Das war eine der Fragen, die sich die Forscher um Wilkes und Rabus gestellt haben. Um sie beantworten zu können, verwendeten sie verschiedene Bakterienstämme aus unterschiedlichsten Lebensräumen – aus Süßwassersedimenten in Deutschland und der Schweiz, aus küstennahen Meeressedimenten in den USA, aus Tiefseesedimenten im Golf von Kalifornien sowie aus einem Erdöltank in Niedersachsen. Das Besondere der untersuchten Bakterien: Sie sind anaerob, wachsen also ohne Luftsauerstoff und entziehen dem Erdöl seine energiereichen Bestandteile, die Kohlenwasserstoffe. Die ForscherInnen untersuchten mit mikrobiologischen Experimenten und chemischen Analysen eine neuartige Enzymreaktion dieser Bakterien und entdeckten ihre bislang ungeahnte weitreichende Wirkung. Diese Enzymreaktion wandelt nämlich eine unerwartet große Anzahl von Erdölbestandteilen um. So können die Bakterien nicht nur wachsen, sondern sorgen gleichzeitig für die Entgiftung erdölverschmutzter Meeressedimente. Die Forschungsergebnisse tragen dazu bei, die Selbstreinigungskräfte der Natur besser einschätzen und langfristig vorhersagen zu können. Darüber hinaus haben die entdeckten biochemischen Reaktionsprinzipien Potential für innovative biotechnologische Verfahren, zum Beispiel, um aus Kohlenwasserstoffen nützliche Produkte zu erzeugen statt sie einfach nur zu verbrennen. An der Forschung beteiligt waren die Arbeitsgruppen „Organische Geochemie“ und „Allgemeine und Molekulare Mikrobiologie“ am ICBM der Universität Oldenburg sowie das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen, das Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum und die Universität Newcastle.
Institut für Chemie und Biologie des Meeres Die Publikation in "Frontiers in Microbiology"
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