Pius-Hospital: 20 JAN 2026
Pius-Hospital: 20 JAN 2026
„(Un)Doing Difference in der Medizin“
Leitung: Dr. med. Mirjam Faissner (Charité – Universitätsmedizin Berlin), Abigail Joseph-Magwood (Hochschule Osnabrück, Interkulturelle Kompetenz), Prof. Dr. Ayça Polat (Sozialpädagogik in der Migrationsgesellschaft) und Prof. Dr. Julia Wurr (Postcolonial Studies)
Ort/Zeit: Pius-Hospital Oldenburg, Foyer im Pius-Turm (Peterstraße 28–32, 26121 Oldenburg), 20. Januar 2026, 18:00 bis 20:15 Uhr
Zielgruppe: Ärzt*innen, medizinisches Personal, Patient*innen und die interessierte Öffentlichkeit
Diese Veranstaltung ist durch die Ärztekammer Niedersachsen als Fortbildungsveranstaltung anerkannt; es können drei Fortbildungspunkte erworben werden.
Wer mit gesundheitlichen Beschwerden das Gesundheitssystem aufsucht, ist auf möglichst passgenaue und ganzheitliche Diagnosen angewiesen. Diese beruhen auf komplexen Prozessen der Differenzierung. Im Rahmen einer zweistündigen Veranstaltung zum Thema „(Un)Doing Difference in der Medizin“ möchten wir diese Differenzierungsprozesse in der Gesundheitsversorgung genauer in den Blick nehmen. Anhand praxisnaher Beispiele sollen Spannungen zwischen angemessenen Unterscheidungen einerseits und der Hervorbringung und Aufrechterhaltung sozialer Differenzmarker (wie z.B. race, Gender und Behinderung) andererseits herausgearbeitet werden. Ein Beispiel hierfür ist die gleichzeitig unhaltbare und doch weit verbreitete Diagnose „Morbus Bosporus“ oder „Morbus Mediterraneus“. Diese steht für rassifizierende Zuschreibungsprozesse in Behandlungssettings, in denen migrantisch gelesenen Personen pauschal ein „anderes“ Krankheitsverständnis beziehungsweise ein anderes Schmerzempfinden zugeschrieben wird (Bärtig et al. 2021: 27). Unsere Veranstaltung möchte diese Prozesse genauer unter die Lupe nehmen, Zusammenhänge zwischen medizinischer Behandlung und sozialer Kategorisierung aufzeigen und einen Austausch über die Auswirkungen von struktureller Ungleichheit im Gesundheitswesen anstoßen.
den Umgang mit rassifizierenden Differenzierungsprozessen im medizinischen Kontext anschaulich und praxisnah diskutieren. Als Material werden uns eine Vignette zu einer fragen,
Vignetten aus Natasha Browns Debütroman Zusammenkunft (2021) sowie autoethnographisch-theoretischen Vignetten aus Frantz Fanons bekanntem Werk Schwarze Haut, weiße Masken (1952) möchten wir zudem eine vertiefte Reflexion darüber anregen, wie medizinische Diagnosen stets auch als gesellschaftliche Diagnosen gelesen werden können – und wie eine vorurteilsbewusste und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung schlussendlich auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden muss. Diversitätsbewusste Ansätze in der Gesundheitsversorgung berücksichtigen nicht nur individuelle Faktoren für die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Handeln von Patient*innen und Adressat*innen, sondern setzen an der Entwicklung eines gemeinsamen Bezugsrahmens zur Bewertung von Symptomen und Funktionsveränderungen an.
Referierende:
Mirjam Faissner ist Bioethikerin mit einem Hintergrund in Medizin und Philosophie. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind epistemische und strukturelle Ungerechtigkeit im Gesundheitswesen, feministische Bioethik und Intersektionalität. In ihren Forschungsprojekten verbindet sie philosophische Analysen mit qualitativer und partizipativer Forschung, beispielsweise im Projekt INTERSECT zu Intersektionalität und Diskriminierung in der Psychiatrie, das sie an der Ruhr-Universität Bochum leitete (2022–2023). Sie ist Mitinitiatorin und Koordinatorin des DFG-geförderten wissenschaftlichen Netzwerks „Bioethik und strukturelle Ungerechtigkeit“, sowie Mitbegründerin der Arbeitsgruppe „Feministische Perspektiven in der Bio- und Medizinethik“ in der Akademie für Ethik in der Medizin.
Abigail M. Joseph-Magwood ist seit 2000 Dozentin für Kommunikationspsychologie und Transferable Skills an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule Osnabrück. Abigail forscht im Bereich institutionelle Ungerechtigkeit und konzentriert sich auf Rassismus an deutschen Hochschulen und die alltäglichen Erfahrungen von BIPoC in Bildungseinrichtungen sowie deren Umgangs- und Widerstandsstrategien. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf der Dekolonisierung von Wissen und der kritischen Auseinandersetzung mit weißen Institutionen. 2020 gründete sie die Arbeitsgruppe „Rassismus an der Hochschule“, die sich aktiv für institutionelle Veränderungen einsetzt.
Ayça Polat studierte Interkulturelle Pädagogik und Sozialwissenschaften an der Universität Oldenburg, wo sie auch promovierte. Von 2008 bis 2015 war sie Integrationsbeauftragte der Stadt Oldenburg. Im Anschluss war sie Professorin für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Kiel und an der Hochschule Osnabrück. Seit Oktober 2023 ist sie Professorin für Sozialpädagogik in der Migrationsgesellschaft an der Universität Oldenburg und Direktorin des Center for Migration, Education and Cultural Studies. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Theorien und Handlungsansätze zu Rassismuskritik und Diversitätsbewusstsein sowie Migrationspädagogik.
Julia Wurr ist seit 2021 Juniorprofessorin für Postcolonial Studies am Institut für Anglistik und Amerikanistik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Sie forscht an der Schnittstelle von postkolonialer Theorie und Medical Humanities, unter anderem zu den Zusammenhängen zwischen literarischer, sozialer und biologischer Reproduktion in kolonialen und postkolonialen Texten und Kontexten sowie zu literarischen Darstellungen von Biokapitalismus. Sie ist Mitbegründerin der Arbeitsgruppe „Medical Humanities@Oldenburg“, eine der Projektverantwortlichen im Forschungsprojekt „Diversitätssensible Gesundheitsversorgung für den ländlichen Raum“ (DiVerso) und Mitherausgeberin des Journal of Postcolonial Writing.
Bärtig, S., Kalkum, D., Mi Le, H. & Lewicki, A. (2021): Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen. Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.). Berlin. Online verfügbar unter: www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/down loads/DE/publikationen/Expertisen/diskrimrisiken_diskrimschutz_gesundheitswesen.pdf; jsessionid=B9C021E0D137805F73BBF81FEA95D2CC.intranet212? blob=publication File&v=5, Zugriff am 07.06.2023.
Hirschauer, S. (2017): Un/doing Differences. Praktiken der Humandifferenzierung. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
Karim, S. & Waldschmidt, A. (2019): Ungeahnte Fähigkeiten? Behinderte Menschen zwischen Zuschreibung von Unfähigkeit und Doing Ability. Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 44 (3), 269–288.